Börsenblogger-Kolumne 01.03.2016 12:55:00

Wirecard: Gerüchte sind das Salz in der Börsensuppe - Manipulationen nicht

Kolumne

Die ewigen Debatten um Negativzinsen und lockere Geldpolitik in Verbindung mit einem Ölpreis auf Krisenniveau bieten genügend Gesprächsstoff an den internationalen Aktienmärkten.

In diesem nervösen Umfeld kam es für den deutschen Zahlungsabwickler Wirecard vergangene Woche knüppeldick. Ein dubioser Report eines bis dahin unbekannten Research-Hauses attestierte der Aktie ein Kursziel von 0,00 Euro. Nachdem das international renommierte FT-Alphaville-Blog der Financial Times diese Meldung aufgriff, geriet der Kurs des TecDAX-Titels ins Rutschen. Von zuvor 42 Euro ging es in der Spitze bis auf 32 Euro nach unten. Das ist umso erstaunlicher, als dass relativ schnell klar war, dass das Research-Haus wohl genauso gefaked ist, wie der Report an sich. Doch das Kind war in den Brunnen gefallen und die Kursmanipulation wirksam erfolgt.

Eine nicht geringe Zahl an Privatanlegern dürfte ob der Kursverluste einen Verkauf ihrer Anteile durchgeführt haben. Wie soll man aber auch als Privatanleger solche Gerüchte so schnell verifizieren? Schließlich war der Report handwerklich gut gemacht und die komplexen Inhalte ließen sich nicht mal eben so überprüfen. Aufgrund des drastischen Kurssturzes dürfte auch die eine oder andere Stop-Loss-Order ausgelöst worden sein. Am Ende saßen die betroffenen Anleger ohne Aktien und um eine Erfahrung reicher da.

Interessanterweise hat sich einer von den genannten Gerüchten nicht abschrecken lassen, sondern ganz im Gegenteil. Wirecard-Chef Markus Braun griff beherzt zu und erwarb weitere Aktien. Ganz so wie er es bereits in den Wochen zuvor getan hat. Kollegen beim Magazin "Capital" warfen in diesem Zusammenhang die interessante Frage auf, woher Braun die hierfür notwendige Summe von insgesamt rund 67 Mio. Euro her hat. Die Antwort ist bislang offen...

Von den eigentlichen Initiatoren der Kursmanipulation abgesehen scheint also der Wirecard-Chef der große Gewinner zu sein. Doch ob er als einziger Käufer den Kurs wieder auf das alte Niveau zurückbringen kann bleibt fraglich. Bislang konnte lediglich etwa die Hälfte der Kursverluste wieder wettgemacht werden - trotz zahlreicher Kaufempfehlungen von - diesmal wirklich renommierten - Research-Häusern.

Apropos Manipulation. Während sich VW angesichts des Abgasskandals offenbar immer größeren Problemen in den USA gegenüber sieht, geriet auch Daimler ins Visier der Amerikaner.

Es muss sich jeder erst noch zeigen, ob sich eine Sammelklage wegen angeblicher Schummeleien bei Abgaswerten tatsächlich zu einem großen Problem ausweiten wird. Bei VW ist dies indes sicher. Die Kommunikation hierzulande ist zwar sehr zurückhaltend positiv, aber wenn man manche Analystenreports liest, bekommt man einen Schreck. Die kommenden Wochen werden spannend, dann muss sich VW nämlich erklären, oder es drohen drastische Sanktionen seitens der US-Justiz. An dieser Stelle sei erwähnt, dass die Manipulation von Aktienkursen hoffentlich ähnlich rigoros verfolgt wird, wie die Manipulation von Abgaswerten.



Christoph Scherbaum und Marc Schmidt sind die Gründer von dieboersenblogger.de, dem größten deutschsprachigen Börsenblog (ganz neu: dieboersenblogger.at). Die mehrfach preisgekrönte Seite wurde Ende 2008 im Zeichen der Finanzkrise von den zwei Finanzjournalisten ins Leben gerufen und hat sich seither in der deutschsprachigen etabliert. Inhaltlich beschäftigt sich dieboersenblogger.de mit allen Themen rund um die Börse. Inzwischen schreibt ein Dutzend Autoren täglich über Aktien, Geldanlage und Finanzen.


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