31.03.2015 14:46:46
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Versicherer des Germanwings-Flugs stellen sich auf hohe Kosten ein
Von Isabel Gomez
FRANKFURT (Dow Jones)--Neben der Aufarbeitung der Ursachen für den Absturz des Germanwings-Flugs 4U 9525 geht es inzwischen zunehmend auch um die Kosten, die der Germanwings-Mutter Lufthansa aus dem Unglück entstehen. Und auch wenn der Imageschaden für die Airline dabei nicht zu beziffern und das Leid der Betroffenen mit Geld nicht zu mindern ist, steht jetzt eine erste finanzielle Größenordnung im Raum. Rund 300 Millionen Euro stellen die betroffenen Versicherer für Schadensansprüche zurück. Die große Unbekannte ist dabei die Höhe der Entschädigungszahlungen für die Hinterbliebenen der Opfer.
Die Lufthansa erwartet aus dem Absturz des Germanwings-Flugs einen Versicherungsschaden in Höhe von insgesamt 300 Millionen Euro. Diese Summe teile sich auf zwei Policen auf, sagte ein Sprecher der Lufthansa am Dienstag. Der größte Teil entfällt nach Schätzungen der auf den Versicherungssektor spezialisierte Ratingagentur A.M. Best auf die Haftpflichtversicherung für Passagiere, der Rest auf den Schaden am Flugzeug.
Kriegskaskoversicherung könnte greifen In der Regel sind an Flugzeugversicherungen mehrere Versicherer beteiligt. Zum einen wird das Flugzeug selbst über einen Kaskoschutz versichert, zum anderen besteht eine Haftpflichtversicherung für Passagiere. Diese beiden Versicherungen bilden zusammen die "All Risks Policy", die im Falle der Germanwings zunächst einmal von dem Versicherungskonsortium um die Allianz getragen wird.
Es könnte aber sein, dass zumindest die Kosten für den Totalschaden am Airbus A320 nicht von diesem Konsortium getragen werden. Sollte sich nämlich bewahrheiten, dass der Co-Pilot den Absturz mit Absicht herbeigeführt hat, greift die sogenannte Kriegskaskoversicherung. Diese "Hull War Policy" wird vom Versicherungsmarkt Lloyds in London gedeckt. Sowohl Allianz als auch Lloyd´s wollten zu den Schadenserwartungen keinen Kommentar abgeben. Nach Berechnungen von A.M. Best war der Airbus A320 mit 6,5 Millionen Euro versichert.
Nach derzeitigem Kenntnisstand über die Unglücksursache deutet vieles darauf hin, dass der Flugzeugschaden wohl vom britischen Versicherungsmarkt Lloyds getragen werden wird. Denn die ermittelnde Staatsanwaltschaft in Marseille geht davon aus, dass der Co-Pilot die Maschine bewusst in einen Sinkflug brachte und mit Absicht in den südfranzösischen Bergen zerschellen ließ. Bewahrheitet sich diese Einschätzung, so kämen auf das Konsortium um die Allianz die Kosten aus der Haftpflichtversicherung für die Passagiere zu. Finanziell sind diese Kosten für einen Großkonzern wie die Allianz kein Problem. Doch die genaue Höhe der Entschädigungszahlungen ist nur schwer zu kalkulieren.
Versicherer haben doppelt so viel wie üblich zurückgelegt Den Aktienanalysten von Jefferies zufolge zahlten Versicherer in der Vergangenheit in solchen Fällen in Europa pro Passagier rund 1 Million Dollar an Entschädigung an die Hinterbliebenen. Im konkreten Fall haben die Lufthansa und ihre Versicherer für die 150 Opfer des Fluges nahezu das Doppelte zurückgelegt. Die Ratingagentur A.M. Best hat in einer Kurzstudie am Montag eine mögliche Begründung dafür genannt: Die Höhe der Haftpflichtkosten hänge unter anderem von der Nationalität eines Passagiers ab, schreibt Analystin Catherine Thomas. In den USA etwa werden meist deutlich höhere Schadensersatzsummen von Unternehmen eingeklagt als in Deutschland. Nach letzten Angaben des Auswärtigen Amtes stammen drei der 150 Opfer aus den USA, aus Deutschland kamen 75 Todesopfer.
Wenn eine Fluglinie beweisen könne, dass sie keinerlei Schuld an dem Absturz trage, ist die Zahlung auf 157.000 Dollar je Passagier begrenzt, schreiben die Analysten von Jefferies. Kann der Fluglinie aber Nachlässigkeit vorgeworfen werden, können höhere Kompensationszahlungen eingeklagt werden. "Neben der möglicherweise unzureichenden Beobachtung des psychologischen Zustands des Piloten könnte der Luftfahrtgesellschaft auch vorgeworfen werden, nicht schon früher eine Zwei-Personen-Regel für das Cockpit eingeführt zu haben, die den Absturz eventuell hätte verhindern können", sagt etwa Steven Marks, einer der geschäftsführenden Partner bei Podhurst Orseck, einer Kanzlei aus Florida, die sich auf Rechtsstreitigkeiten in der Luftfahrtbranche spezialisiert hat.
Auf die Entwicklung der Preise in der Luftfahrtversicherung dürfte der Absturz der Studie von A.M. Best zufolge jedoch keine größeren Auswirkungen haben. Das jüngste Unglück, schreibt die Analystin Catherine Thomas, werde den Preisdruck am Markt für Luftfahrtversicherungen nicht mindern. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 waren die Versicherungskosten in die Höhe geschossen, dann aber aufgrund der vergleichsweise niedrigen Zahl von Abstürzen und der Vielzahl von Anbietern immer weiter zurückgegangen. Im letzen Jahr waren die Versicherungsprämien für diese Sparte in den ersten drei Quartalen aber leicht gestiegen, weil es mehr Flugzeugunglücke gab als in den Vorjahren. Allerdings hätte die Größenordnung der Schäden auch noch einen stärkeren Anstieg der Preise erwarten lassen können, schreibt Thomas.
2014 war kein gutes Jahr für die Flugzeugindustrie Vor rund einem Jahr ist der Flug der Malaysia Airlines MH370 mit 239 Passagieren an Bord aus noch ungeklärter Ursache vom Radar verschwunden und offenbar ins Meer gestürzt. Im Juli 2014 wurde ein Flugzeug der gleichen Fluglinie mit der Flugnummer MH17 im Osten der Ukraine vermutlich abgeschossen. Im gleichen Jahr wurden auf dem Flughafen Tripolis in Libyen zahlreiche geparkte Flugzeuge bei kriegerischen Angriffen zerstört.
Der Hannover Rück zufolge ist die "unverändert hohe Verfügbarkeit von Versicherungskapazitäten" der Grund, warum sich die Preise in der Sparte kaum erhöhen. Es gibt also einfach zu viele Anbieter, um höhere Preise durchzusetzen. Das Prämienvolumen der Hannover Rück für die gesamte Luftfahrtsparte sank bei der Erneuerungsrunde im Januar um 8 Prozent. Bei der Munich Re waren es 0,2 Prozent weniger bei gleichbleibenden Preisen. Die Allianz hat dazu keine Daten veröffentlicht, schreibt jedoch in ihrem Geschäftsbericht 2014, dass die Prämien in der Spezialversicherung (Allianz Global Corporate & Specialty) 2014 um 0,3 Prozent gesunken sind, bei einem Preisrückgang in den Bereichen Energie und Luftfahrt.
In den vergangenen zehn Jahren führten A.M. Best zufolge geringe Schäden zu hohen Reserveauflösungen und diese zu entsprechend guten versicherungstechnischen Ergebnissen im Luftfahrtbereich. Das hat sich 2014 verändert: Lloyds zufolge lag die kombinierte Schaden-Kosten-Quote, die Schäden ins Verhältnis zu den Kosten setzt, für den Luftfahrtsektor im vergangenen Jahr bei 133 Prozent. Bei der Schaden-Kosten-Quote gilt: Je niedriger die Quote, desto rentabler ist das Versicherungsgeschäft. Liegt die Quote über 100 Prozent, macht die Versicherung Verluste.
Mitarbeit: Ulrike Dauer in Frankfurt und Robert Wall in London.
Kontakt zur Autorin: isabel.gomez@wsj.com
DJG/igo/kgb (END) Dow Jones NewswiresMarch 31, 2015 08:25 ET (12:25 GMT)
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