22.01.2015 17:46:30

UPDATE/INTERVIEW: Munich Re hält Anleihenkäufe durch die EZB für falsch

   Von Madeleine Nissen

   Rückversicherer sind normalerweise für ihre Zurückhaltung bekannt. Doch für die Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB), bis Ende September 2016 jeden Monat Anleihen für 60 Milliarden Euro zu kaufen, findet die Munich Re deutliche Worte. Sie sei schlicht "falsch", sagte Jörg Schneider, Finanzvorstand bei der Munich Re, dem Wall Street Journal. "Sparer und institutionelle Langfristanleger werden gleichermaßen belastet, denn sie werden in unsichere Anlageformen getrieben."

   Mit dieser Kritik trifft Schneider einen wunden Punkt. Seit dem Beginn der Finanzkrise im Jahr 2007 ist es Ziel von Regulierern und Politik, das Finanzsystem zu stabilisieren. Nie wieder sollen Konzerne aus Angst vor einem Dominoeffekt mit dem Geld der Steuerzahler gerettet werden. Um Finanzhäusern die Lust auf riskante Anlagen zu nehmen, haben die Aufseher die Kapitalvorgaben stark angehoben. Je riskanter das Geschäft, desto höher muss das Eigenkapital sein. Doch bei den aktuell niedrigen Zinsen wird es für Investoren wieder verlockend, mehr Risiko zu wagen. Diese Sorge äußerte kürzlich auch die Präsidentin der deutschen Finanzaufsicht, Elke König. Sie befürchtet, dass Banken bei ihrer Suche nach Erträgen allzu kurzatmig agieren und auf lange Sicht massive Risikopositionen aufbauen.

   Finanzvorstand Schneider teilt die Sorge der Bafin-Präsidentin. Die Anleihenkäufe durch die EZB erhöhten das Risiko für Preisblasen, sagte er. Schneider sieht zudem ein Problem, das auch andere Finanzhäuser fürchten: die Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung. "Dass die EZB zum Marktpreis kauft, ist doch eine Illusion, denn die Kurse der Anleihen werden schon durch die Ankündigung von EZB-Käufen nach oben getrieben", kritisierte Schneider.

   Das Ankaufprogramm für Staats- und Privatanleihen soll im März beginnen. Doch schon seitdem EZB-Präsident Mario Draghi die Pläne angedeutet hat, spielen die Märkte verrückt. Der Deutsche Aktienindex Dax erreichte zwischenzeitlich Rekordstände. Der Euro ist inzwischen so schwach, dass andere Notenbanken außerhalb des Euroraums nervös werden. Die US-Notenbank hat es plötzlich nicht mehr so eilig mit einer Zinserhöhung. Besonders radikal ist die Reaktion der Schweizer Notenbank, die die Abhängigkeit des Franken vom Euro vorige Woche aufhob.

   Mit seiner Kritik, die Entscheidung der EZB sei politisch das falsche Signal, trifft Schneider einen weiteren wunden Punkt. "Der Druck auf die Staaten, mit nachhaltigen Reformen die Wirtschaft in Schwung zu bringen, die Arbeitslosigkeit gerade für die jungen Menschen abzubauen und ihre Finanzen zu konsolidieren, verringert sich", kritisierte der Finanzvorstand der Munich Re. Ins gleiche Horn stieß Bundeskanzlerin Angela Merkel. Beim Neujahresempfang der Deutschen Börse warnte sie, die EZB dürfe den Druck nicht mindern.

   Das Argument von Mario Draghi, die Inflation wieder Richtung zwei Prozent zu lenken, lässt Schneider nicht gelten. "Schon bei der Bewertung der Deflationsgefahren kann man unterschiedlicher Meinung sein, wie ernst diese sind", sagte er. "Noch dazu halte ich den Staatsanleihenkauf nicht für ein geeignetes Mittel, um Deflationsgefahren in Europa zu begegnen", fügte er hinzu, ohne eine Alternative zu nennen. In der Tat ist die Gefahr einer Deflation nicht leicht in den Griff zu bekommen. Mit niedrigen Zinsen konnte die EZB diese Gefahr bislang nicht abwenden. Die Preise in der Eurozone waren im Dezember im Vergleich zum Vorjahr um 0,2 Prozent gefallen. Keine gesunde Entwicklung, findet Draghi. Die Inflationsdynamik sei schwächer als erwartet, rechtfertigte er sich bei der Pressekonferenz am Donnerstag.

   Überzeugt ist Schneider davon nicht. Unterm Strich fällt sein Urteil negativ aus. Staatsanleihenkäufe durch die EZB bergen seiner Einschätzung nach große Risiken, ohne dass damit hinreichend sicher das Ziel einer Stimulierung von Inflation und Wirtschaftswachstum erreicht wird. "Und die EZB verschießt ihr Pulver, bevor die Selbstheilungskräfte der europäischen Wirtschaft wirken konnten", sagte Schneider.

   Kontakt zur Autorin: Madeleine.Nissen@wsj.com

   DJG/mln/hev/bam

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   January 22, 2015 11:16 ET (16:16 GMT)

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