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GELD-Magazin |
20.04.2017 10:12:32
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"Konjunkturell sind wir vorderhand aus dem Schneider"
Text: Ernst A. Swietly, GELD-Magazin
GELD-Magazin: Während das Wifo und das IHS übereinstimmend einen soliden Konjunkturaufschwung bis 2018 voraussagen, spricht die Oesterreichische Kontrollbank (OeKB) von "Sorgenfalten bei den Ökonomen". Sind wir nun aus dem Schneider oder nicht?
Mag. Stefan Bruckbauer: Auf jeden Fall wird es 2017 und 2018 aus heutiger Sicht in Österreich, in Europa, ja global gut ausschauen. Man kann von einem kräftigen Aufschwung sprechen, der auch morgen sicherlich nicht gleich wieder vorbei sein wird.
GELD-Magazin: Nach 2018 wird die Konjunktur aber wieder weg sein?
Mag. Stefan Bruckbauer: Weg wird sie nicht sein, aber ein Konjunkturzyklus über mehr als zwei Jahre ist sehr schwierig. Es besteht die Gefahr, dass die USA beginnen, nach dem Aufschwung 2017/18 in einen Abschwung zu kommen, und man weiß heute nicht, wie das dann Europa treffen wird. Europa, so denke ich, wird noch länger wachsen können, bis 2019 etwa, aber nach zwei Jahren ist es viel schwieriger, in die Zukunft zu schauen.
GELD-Magazin: "Trumponomics" bringt demnach einen Turbo, der nach zwei Jahren abstirbt?
Mag. Stefan Bruckbauer: Die US-Wirtschaft ist unabhängig von Trump gut unterwegs, fast auf Vollbeschäftigung, auch ohne Interventionen Trumps. Dieser will in Richtung Steuersenkung bzw. Ankurbelung der Wirtschaft gehen. Was immer da kommt, es wird auf jeden Fall die Konjunktur kurzfristig eher beflügeln als bremsen; daher gehen wir sicher mit starkem Wachstum auch ins Jahr 2018. Was dann kommen wird, hängt davon ab, wie stark Trump Gas gibt, ob die Fed die Zinsen stark erhöhen muss und am Ende des Tages auch davon, was Trump an der Struktur der US-Wirtschaft ändern wird, sprich Thema Protektionismus usw.
GELD-Magazin: Wie wird sich dabei der Wechselkurs des USD zum Euro ändern?
Mag. Stefan Bruckbauer: Wir erwarten im Verlauf des heurigen Jahres einen stärkeren Euro, nicht zuletzt nach den Frankreich-Wahlen; er dürfte in Richtung 1,10, ja vielleicht darüber hinausgehen. Der große Unsicherheitsfaktor dabei sind die Steuerideen rund um die sogenannte border-adjustment-tax. Von der Theorie her ist ein Effekt auf den Wechselkurs möglich; ob er eintritt bzw. wie die Steuer kommt, ist offen. Grundsätzlich sehe ich den Euro zum Dollar stärker.
GELD-Magazin: Die OeKB verweist trotzdem auf Brexit, US-Politik, steigenden Protektionismus und Überregulierung. Sie selbst beschäftigen sich auch mit diesen Risiken. Wo lauern da die Gefahren?
Mag. Stefan Bruckbauer: Die größten Gefahren liegen bei den Tendenzen zur nationalistischen Politik, wie wir sie im United Kingdom sehen und wie sie in den USA angekündigt sind. Wenn das global Schule macht, muss man Angst haben. Die Globalisierung, die Öffnung der Märkte, die globale Arbeitsteilung ist etwas, das die Weltwirtschaft in den letzten 30 bis 40 Jahren positiv beeinflusst hat. Für Österreich war das sehr wichtig. Sollte es da heftigere Rückschritte geben, ist das eine Gefahr für das weltwirtschaftliche Wachstum, die man heute noch nicht abschätzen kann.
GELD-Magazin: Sie sehen zurzeit die Zukunft des Euro gefährdet; ich zitiere Sie: "Das Risiko, dass er zerbröckelt, ist noch nie so hoch wie jetzt gewesen." Rechnen Sie mit einem Aus für den Euro?
Mag. Stefan Bruckbauer: Nein, rechne ich nicht. Das Risiko ist jetzt höher als früher, aber es liegt nur bei fünf Prozent; das ist nicht besonders hoch. Aber es ist gestiegen, weil es in der europäischen Politik Strömungen gibt, die nicht mehr so klar zum Euro stehen wie früher - das sowohl in den Peripherie- als auch in den Kernländern. Die Politik kann dieses Projekt jederzeit beenden, die Ökonomie glaube ich nicht, denn im Grunde funktioniert es. Man unterschätzt die Integrationskraft der letzten Jahre - denken Sie nur an die Bankenunion! Aber wenn die Politik beschließt, dass wir das Projekt Euro beenden, dann ist es am Ende.
GELD-Magazin: Sie sehen einen Titanenkampf Politik gegen Ökonomie um den Euro voraus. Kann sich die Politik, die von Wählern abhängt, so extrem gegen Wirtschaftsinteressen stellen, wenn sie überleben möchte?
Mag. Stefan Bruckbauer: Auf lange Sicht gewiss nicht. Die Realitäten müssen erkannt werden. Aber die Politik kann sehr wohl Entscheidungen treffen, die ökonomisch nicht sinnvoll sind. Wir haben den Brexit als gutes Beispiel dafür gesehen. Auch sonst erleben wir immer wieder, dass durch starke populistische Strömungen angefacht wirtschaftliche Rationalitäten keine Rolle mehr spielen. Es gibt auch Gruppen und Phasen in der Gesellschaft, die gelegentlich nicht davon profitiert haben. Wenn sich die Politik nicht um die Globalisierungsopfer kümmert und diese eine Mehrheit erhalten, zumindest lautstark werden, kann wider wirtschaftliche Vernunft eine Entscheidung gefällt werden, die für alle schädlich ist.
GELD-Magazin: Die meisten Unternehmen sparen heute, statt zu investieren, auch Privatpersonen sparen, die Ersparnisse wachsen, während Kredite stagnieren. Kann in einer solchen Phase Wachstum auf Dauer geschaffen werden?
Mag. Stefan Bruckbauer: Es wird nicht zu viel gespart, es werden zu wenig Schulden gemacht, was im Endeffekt das Gleiche bedeutet. Wir sparen momentan nicht extrem viel, aber wir nehmen zu wenig Kredite. Die Gruppen der Gesellschaft, die sparen möchten aufgrund ihrer demografischen Situation, werden nicht ergänzt durch Gruppen, die Schulden machen. Das ist, was fehlt - zum Teil wegen der vielen Regularien auf dem Bankensektor, aber teils wegen des derzeit niedrigen Produktivitätswachstums, sodass die Investitionen auf dem Standort Europa nicht in jenem Maß erfolgen, wie wir es uns wünschen würden. Die Firmen investieren schon in die Zukunft und in neue Produkte, aber oft außerhalb Europas und nicht in Europa selbst. Das ist ein bremsender Faktor, den man durch politische Maßnahmen überwinden müsste.
GELD-Magazin: Was raten Sie nun dem durchschnittlichen Investor, um sein Geld bestmöglich anzulegen?
Mag. Stefan Bruckbauer: Jeder einzelne Anleger benötigt sein individuelles Portfolio und eine entsprechende Beratung dazu. Generell glaube ich, dass mit Fixzinsprodukten derzeit nicht sehr viel zu verdienen ist, nicht zuletzt auch aufgrund des Überangebots an Mitteln. Die Zukunft liegt hier sicher im Eigenkapitalbereich, also dort, wo auch etwas gewagt werden kann. Je nach Ausstattung eines Investors, je nachdem, wieviel Know-how und Zeit er mitbringt, ist ein gemanagtes Portfolio bzw. eine professionelle Produktstreuung für viele der sicherere Weg, als auf einzelne Titel zu setzen, die man als Einzelner kaum managen kann.
GELD-Magazin: Ein österreichischer Bankmanager warnte kürzlich vor einem "Blutbad auf dem Bondsmarkt" und bejubelte den Ausstieg aus der Nullzinspolitik. Hat er Recht?
Mag. Stefan Bruckbauer: Ein wirkliches Blutbad bei Bonds sehe ich nicht. Denn jeder Bondinvestor hat in den letzten Jahren gewusst, dass es irgendwann bei den Zinsen nach oben gehen wird. Dementsprechend haben sich die meisten auf kürzere Laufzeiten fokussiert. Ich glaube also, dass es kaum einen Investor überraschend treffen wird, dass die Zinsen nun wieder steigen. Grundsätzlich aber sieht man, dass sich die Zinskurve dreht. Wir werden in den nächsten Monaten, speziell im Euroraum, sicherlich höhere langfristige Zinsen sehen. Damit wird ein Investor, der heute einen Fixzinskupon hat, Kursverluste hinnehmen müssen.
GELD-Magazin: Ihre aktuelle Zinsprognose?
Mag. Stefan Bruckbauer: In den USA sind wir im zehnjährigen Bereich bei 2,5 Prozent; möglicherweise wird es bis drei Prozent und darüber gehen, wenn die Fed besonders aggressiv sein muss, die Konjunktur besonders dynamisch ist, weil Trump besonders viel Gas gibt. Im Euroraum wird es weniger sein. Heuer werden wir wahrscheinlich noch den Einser bei der zehnjährigen Deutschen Staatsanleihe sehen, später wird es noch ein wenig weiter gehen, aber ich sehe im gesamten Euroraum noch nicht die Zwei vor dem Komma; doch man sollte sich dessen bewusst sein, dass es auch ein Überschießen geben kann, speziell wenn die EZB ihr QE-Programm zurückfährt oder bloß etwas Einschlägiges andeutet.
Zur Person:
Mag. Stefan Bruckbauer wurde 1962 in der oberösterreichischen Industriestadt Ried im Innkreis geboren und studierte an der Linzer Universität Volkswirtschaftslehre, wo er auch als Assistent und Projektmitarbeiter sowie später als Lektor für Volkswirtschaftstheorie tätig gewesen ist. Er ist Magister der Volkswirtschaftslehre der Universität Linz. Neben seiner Tätigkeit als Chefvolkswirt sowie Leiter des Makro- und Bankmarktresearch der Bank Austria seit 2009 ist Bruckbauer Lektor an der Universität Wien im Institut für Finanzrecht sowie seit 2014 Finanzmarktexperte im Fiskalrat. Im Kreise österreichischer Volkswirte betrachtet er sich als Ökonom, der das allgemeine wirtschaftliche Geschehen in voller Breite analysiert und versucht, aus der Realwirtschaft Schlüsse für den Finanzmarkt und die Banken bis hin zur Wirtschaftspolitik zu ziehen. In seinem Fokus steht auch die Interpretation und Voraussicht.
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