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Christoph Kanzler-Kolumne |
29.07.2013 16:00:00
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Gesunde Skepsis
Wirklich verwunderlich ist die Reaktion indes nicht. Im Rahmen dieses Programms, das als „quantitative Lockerung" bezeichnet wird, gibt die Fed stattliche 85 Milliarden Dollar pro Monat aus, um Anleihen zu kaufen, um so die langfristigen Kreditkosten niedrig zu halten und die Entwicklung einer sich selbst tragenden wirtschaftlichen Erholung zu unterstützen. Der Markt hängt stark am Liquiditätstropf der Notenbanken.
Bernanke-Äußerung führt zu Neubewertung der Risiken Erstaunlich ist aber, dass die Unruhe auf einer einzigen Bemerkung von US-Notenbankchef Ben Bernanke vom 22. Mai fußt, als er andeutete, dass die Federal Reserve in ihrer nächsten Sitzung beginnen könnte, diese Käufe zu verringern. Allein die Erwartung, dass dieses monetäre Ventil geschlossen werden könnte, verursachte eine Neubewertung der Risiken, die zum Rückzug aus den Anleihemärkten der Industrie- und Schwellenländer, einem breit gefächerten Renditeanstieg und einem Rückgang auf einigen Rohstoffmärkten und der mit dem US-Dollar verbundenen Devisen wie dem australischen Dollar führte.
In diesem Fall war sogar Gold von den Signalen der Fed besonders betroffen. Der Goldpreis gab im zweiten Quartal um 23 Prozent nach, auch vor dem Hintergrund, dass steigende Renditen und der erstarkende amerikanische Dollar den Anreiz von Gold als sicheren Hafen verblassen lassen.
Kein Grund zur Panik
Diese überaus aufgeregten Marktreaktionen sollten einen langfristig planenden Investor nicht allzu sehr in Unruhe versetzen. Denn er kann diese Entwicklungen aus verschiedenen Perspektiven betrachten – darunter sind einige, die deutlich entspannter sind als die allgemeine Marktreaktion uns glauben macht.
Zunächst sehen wir ein klassisches Beispiel dafür, wie Märkte auf neue Informationen reagieren. Vor Bernankes Kommentar hatten die Märkte vermutlich eine andere Botschaft von ihm erwartet. Also haben sie sich entsprechend angepasst.
Zweitens ist der Grund dafür, dass der Umfang des monetären Heilmittels zurückgefahren werden könnte, im Kern doch sehr positiv, nämlich dass der Patient Anzeichen einer Heilung zeigt. Mit anderen Worten: Die politischen und finanzpolitischen Entscheidungsträger sehen genug Anzeichen für Wachstum, um öffentlich den Entzug des „Zuckerbrots" zu unterstützen. Das ist keine sichere Prognose über den Kurs der USA oder der Weltwirtschaft. Es sagt lediglich aus, dass politische Entscheidungsträger und Investoren die Lage neu bewerten.
Drittens gibt es für jeden Investor, der so genannte Risiko-Anlagen wie Aktien oder Unternehmensanleihen aufgibt und verkauft, einen anderen, der in diesen Anleihen bei niedrigeren Preisen einen langfristigen Wert sieht. Der Gedanke, dass es mehr Verkäufer als Käufer gibt, ist schlicht einfältig.
Viertens sind die steigenden Anleiherenditen ein Anzeichen dafür, dass der Markt insgesamt annimmt, dass die Zinsen bald steigen werden. Das hat der Markt bereits eingepreist. Was als nächstes passiert, wissen wir nicht. Ich erinnere mich aber noch gut daran, dass eine Gruppe von 23 angesehenen Ökonomen Ende 2010 in einem offenen Brief an die Federal Reserve dringend vor „Währungsabwertung und Inflation" gewarnt hatte, als diese mit ihrer zweiten Runde der „quantitativen Lockerung" gerade begann. Die US-Inflation ist jedoch weitgehend auf ihrem alten Stand verblieben. Der US-Dollar wird sogar höher gehandelt als zu dem Zeitpunkt dieser Warnungen.
Experten-Prognosen kritisch hinterfragen
Daraus können wir mit Recht schließen, dass es nicht immer die beste Idee ist, sich bei der Entwicklung seiner Investitionsstrategie auf die Prognosen sogenannter Experten zu verlassen. Es zahlt sich aus, in Bezug auf Prognosen zur Entwicklung der Anleiherendite, der Zinssätze und Währungen nach dem letzten Signal der Fed eine gesunde Skepsis an den Tag zu legen. Nur weil etwas logisch erscheint, muss es nicht zwangläufig auch eintreffen.
Fünftens entspricht ein Anstieg der Anleiherendite einem Rückgang der Anleihepreise. Genau wie es bei Aktien der Fall ist, führt der Rückgang der Preise zu einem höheren erwarteten Gewinn. Das heißt, dass Verkäufe nach einem Rückgang des Aktienpreises nur die Gewohnheit einiger Investoren auf dem Aktienmarkt widerspiegelt, die zu hohen Preisen kaufen und bei niedrigen Preisen verkaufen.
Und schließlich raubt die Volatilität normalerweise vor allem denjenigen den letzten Nerv, die den Nebengeräuschen des Marktes die meiste Aufmerksamkeit schenken. Diejenigen, die eine langfristigere, distanzierte Perspektive einnehmen, betrachten diese Ereignisse lediglich als Teil des Selbstregulierungsprozesses der Märkte.
Letzten Endes hat der einzelne Investor nur wenig Einblick in den Verlauf der globalen Geldpolitik, in Anleiherenditen oder in Wachstumsmärkte, die nicht bereits vom Markt insgesamt berücksichtigt wurden und in die Preise eingeflossen sind.
Was der Einzelne mit Hilfe eines professionellen Beraters tun kann, ist seine Emotionen unter Kontrolle zu halten und sich auf seine langfristigen Zielsetzungen zu konzentrieren. Andernfalls besteht die Gefahr, dass man auf Dinge reagiert, die andere Investoren längst berücksichtigt und in Erwartungen eingepreist haben und sich bereits anderen Strategien zuwenden, sobald neue Informationen vorliegen. Die Märkte im Nachhinein zu hinterfragen bedeutet zwangsläufig auch, sich selbst zu hinterfragen.
Christoph R. Kanzler ist Leiter der Niederlassung Deutschland, Österreich und Schweiz von Dimensional Fund Advisors. Die Fondspalette von Dimensional umfasst mehr als 100 Aktien- und Anleihenportfolios weltweit. Das Unternehmen ist global aktiv und hat aktuell 265 Milliarden US-Dollar Assets under Management.
Vor seiner Tätigkeit bei Dimensional war Kanzler Leiter Business Development bei der quirin Bank, zuvor besetzte er verschiedene Positionen bei der Citigroup, Credit Suisse und DAB Bank.
Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.
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