Siemens ausgestochen? |
30.04.2014 07:01:31
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Übernahmepoker: Alstom will wohl an General Electric verkaufen
Der vorläufige Pakt, nach dem GE die Alstom-Sparte für mehr als 12 Milliarden US-Dollar in bar kaufen würde, könnte bereits am Mittwoch offiziell bekannt gegeben werden, sagen die Sachkenner.
Alstoms Ja zum verbindlichen Angebot von GE drängt den deutschen Rivalen Siemens ins Abseits, der von der französischen Regierung ins Spiel gebracht wurde, weil ihr ein europäischer Käufer für Alstoms Geschäft lieber wäre.
Alstom musste vor einem Jahrzehnt mit Staatsgeld vor der Pleite gerettet werden und strauchelt finanziell noch immer. Doch der Konzern bleibt ein Symbol-Unternehmen in Frankreich, wo er die Hochgeschwindigkeitszüge TGV sowie Turbinen für die Atomkraftwerke des Landes fertigt.
Vergangene Woche war die Nachricht durchgesickert, dass GE das Energiegeschäft von Alstom kaufen wolle, das 70 Prozent von Alstoms Umsatz ausmacht. Daraufhin brach eine politische Großdebatte aus. Alstoms Schicksal ist ein hochsensibles Thema in Frankreich, wo Politiker - aus den Reihen der sozialistischen Regierung unter Präsident François Hollande ebenso wie aus der Opposition - von Unternehmern eine gewisse Unterwürfigkeit erwarten.
Der US-Konzern GE argumentiert vor französischen Regierungsbeamten, dass er schon seit Jahren in dem Land investiere. Dort beschäftigt das Unternehmen 10.000 Menschen und will weiter wachsen. In einem Brief teilte GE-Chef Jeff Immelt dem französischen Präsidenten mit, dass er vier globale Geschäftssparten, darunter die Wasserkraft und die Dampfturbinen, in Frankreich halten werde.
"Wir verpflichten uns, die Zahl unserer Angestellten zu erhöhen, insbesondere die Fachkräftestellen im Bereich Ingenieurwesen und Produktion", schrieb Immelt. Zudem versprach er, sich dafür einsetzen zu wollen, dass GE einen französischen Unternehmenslenker in seinen Verwaltungsrat holt.
Mit dem Brief reagiert GE unmittelbar auf die Bedenken der französischen Regierung. Am Montag hatte Hollande gesagt, ihn interessiere vor allem, dass ein wie auch immer gearteter Deal in Frankreich Jobs schaffe.
Der deutsche Rivale Siemens, der ebenfalls den Erhalt von Jobs in Frankreich versprochen hat, ist trotz der jüngsten Entwicklung noch nicht ganz aus dem Rennen. Alstoms Verwaltungsrat hat sich nach Angaben von gut informierten Personen zu einer "No-Shop"-Klausel verpflichtet, die es dem Konzern verbietet, aktiv alternative Angebote zu suchen. Allerdings werde der Konzern noch Angebote in Erwägung ziehen, die während der kommenden vier Wochen von außen an ihn herangetragen würden, während er das Angebot von GE auf Rechtmäßigkeit prüfe, sagen die Sachkenner.
Siemens erklärte am Dienstag, die Bücher des französischen Wettbewerbers durchsehen und dann ein offizielles Angebot für Alstoms Energiegeschäft vorlegen zu wollen. Dafür will Siemens sich vier Wochen Zeit nehmen.
Der französische Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg sagte am Dienstag, dass er die französische Aktienmarktaufsicht gebeten habe sicherzustellen, dass Alstom sämtliche Angebote angemessen berücksichtigt.
Alstom ist wegen seiner dürftigen Finanzlage in die derzeitige politische Bredouille geraten. Ende 2013 war die Finanznot in dem Konzern so groß, dass ein Verkauf von Unternehmensbestandteilen als einzige Möglichkeit erschien, um frisches Kapital zu beschaffen. Alstom hatte zunächst vor, sein Eisenbahngeschäft an die Börse zu bringen, das ein Drittel des Konzernumsatzes einbringt, entschied sich aber Anfang dieses Jahres dagegen. Stattdessen beschloss Alstom, GE als Käufer für sein Energiegeschäft zu gewinnen.
GE hat immer schon gesagt, lediglich an unkomplizierten Geschäften im Wert zwischen 1 und 4 Milliarden Dollar interessiert zu sein. Aber Alstom klopfte bei GE an, als dessen Chef Immelt unter Druck stand, die Industriegewinne des Unternehmens zu steigern und weniger stark von der Finanzsparte abzuhängen.
In einem Analystentelefonat nach der Bekanntgabe der Quartalszahlen Mitte April sagte Immelt, GE würde größere Zukäufe in Betracht ziehen, sofern sie gut zum Konzern passten und nicht zu teuer seien.
Beide Unternehmen wussten laut Insidern, dass sie auf politische Risiken stoßen würden. Trotzdem hätten sie im Geheimen einen Übernahmeplan ausgekungelt, ohne die französische Regierung einzuweihen. Dieses Vorgehen geriet zum Bumerang, als die Nachricht von den Verkaufsplänen vergangene Woche an die Öffentlichkeit geriet.
Die Tatsache, dass Alstoms Vorstandsvorsitzender Patrick Kron hinter dem Rücken des eigenen Verwaltungsrates und der französischen Regierung mit GE über einen Spartenverkauf verhandelte, brachte ihm in den Reihen des Hollande-Kabinetts tiefes Misstrauen ein.
Am Dienstag wetterte der französische Wirtschaftsminister Montebourg im französischen Parlament, dass Kron Frankreich den Rücken gekehrt habe. Montebourg, der dafür bekannt ist, kein Blatt vor den Mund zu nehmen, sagte, er habe den Vorstandschef seit Februar mehrfach gesprochen. Und jedes Mal hätte ihm Kron versichert, dass Alstom in keinster Weise eine Allianz plane.
"Muss der Wirtschaftsminister erst einen Lügendetektor in seinem Büro installieren für die Chefs der Blue-Chip-Unternehmen, denen das grundlegende Verständnis der Bürgerpflicht fehlt, ihre Regierungen zu warnen?" fragte Montebourg. Tags zuvor hatte Montebourg Kron öffentlich vorgeworfen, einen "Bruch nationaler Ethik" verübt zu haben.
Weder Alstom noch eine Sprecherin Krons wollten sich in der Sache äußern.
Das Geschäft zwischen Alstom und GE muss noch von den Gewerkschaftsvertretern des französischen Konzerns und den Aktionären gebilligt werden. Sollte es zustande kommen, wäre es eines der größten, das Immelt in seiner bisherigen Amtszeit vollbracht hätte.
GE würde sich mit dem Zukauf ein Portfolio an Turbinen für Kohle- und Atomkraftwerke einverleiben sowie eine Sparte, die Ausrüstung für Stromnetze verkauft. Das Unternehmen würde zudem eine bedeutende bestehende Geschäftsbasis in Westeuropa und in Schwellenländern übernehmen, die es dann für Dienstleistungen, Ersatzteile und Reparaturarbeiten ausnutzen könnte.
Im Gegenzug würde Alstom nach dem Verkauf zu einem wesentlich kleineren Konzern zusammenschrumpfen und sich künftig auf den Bau von Pendlerzügen und Eisenbahninfrastruktur konzentrieren. Der deutsche Rivale Siemens hat durchblicken lassen, dass er bereit wäre, Teile seines eigenen Eisenbahngeschäfts zum Tausch anzubieten, um den französischen Konzern in dieser Branche zu stärken.
GE werde mit der vorläufigen Zustimmung in der Hand nun wohl die französische Regierung weiter bearbeiten, sagt eine mit der Sache vertraute Person. GE-Manager hätten sich diese Woche bereits mit Spitzenbeamten der französischen Regierung getroffen, und das Unternehmen habe den Eindruck, "auf dem richtigen Weg" zu sein, sagt die informierte Person.
Alstom hat es indes eilig, einen Deal unter Dach und Fach zu bringen. Vor zwei Wochen erst hatten Gewerkschaften den Konzern für einen umfangreichen Restrukturierungsplan kritisiert, der Jobverluste und mögliche Verkäufe von Unternehmensteilen vorsieht. Daraufhin traf sich Alstom-Chef Kron hinter verschlossenen Türen mit Gewerkschaftsvertretern, um eine entschiedene Warnung auszusprechen: "Wenn Ihr die Dinge hinauszögert, werden wir beim nächsten Treffen über den Bankrott dieses Unternehmens sprechen", habe Kron gesagt, erzählt Christian Garnier, ein Gewerkschaftsvertreter, der bei dem Treffen dabei war.
DJG/WSJ/mgo
Dow Jones Newswires
Von Dana Cimilluca, David Gauthier-Villars and Stacy Meichtry
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