06.10.2021 15:23:38
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ROUNDUP/EuGH stärkt Fluggastrechte: Anspruch auf Entschädigung bei Streik
LUXEMBURG (dpa-AFX) - Fluggäste können sich einmal mehr auf das oberste Gericht der EU verlassen - sie haben in der Regel auch dann ein Anrecht auf Entschädigung, wenn ihre Verbindung wegen eines Streiks des Kabinenpersonals gestrichen wurde. Ausnahmen gibt es nur in begrenzten Einzelfällen, wie aus einem am Mittwoch veröffentlichten Urteil des Europäischen Gerichtshofs hervorgeht. Geklagt hatte ein Verbraucher, der 250 Euro verlangt, weil sein Flug von Salzburg nach Berlin streikbedingt gestrichen wurde (Rechtssache C-613/20).
Die Rechte von Fluggästen und vor allem wie viel Entschädigung ihnen bei Abweichungen zusteht, hat die EU recht klar geregelt: Grundsätzlich haben Reisende die Möglichkeit, bei kurzen Flügen bis zu 250 Euro einzufordern, wenn ihre Verbindung gestrichen oder stark verspätet ist und keine angemessene Alternative angeboten wird. Das gilt für Flüge unter 1500 Kilometer, bei längeren Strecken steigt die Entschädigungshöhe auf bis zu 600 Euro.
Es gibt jedoch einige Ausnahmen, beispielsweise wenn Fluggäste mindestens zwei Wochen vorher informiert werden, oder ein - wie nach Ansicht von Eurowings in diesem Fall vorliegender - "außergewöhnlicher Umstand" geltend gemacht wird. Dies ist laut der entsprechenden EU-Verordnung dann der Fall, wenn sich die Umstände für die Annullierung "auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären".
Die Airline Eurowings hatte sich darauf berufen, dass das Unternehmen eben alle diese "zumutbaren Maßnahmen" ergriffen habe, um die Auswirkungen des Streiks zu begrenzen. Das oberste europäische Gericht vertritt aber die Auffassung, dass es vorhersehbar sei, dass wenn eine Muttergesellschaft zum Streik aufruft, Beschäftigte anderer Konzernteile sich diesem Streik anschließen.
Wie jeder Arbeitgeber könne eine Airline, deren Beschäftigte für bessere Arbeitsbedingungen streiken, "nicht behaupten, es habe keinerlei Einfluss auf diese Maßnahmen". Er verfüge "grundsätzlich über die Mittel, sich darauf vorzubereiten und damit dessen Folgen gegebenenfalls abzufangen, so dass die Ereignisse für ihn zu einem gewissen Grad beherrschbar bleiben."
Eurowings teilte mit, man nehme "bedauernd zur Kenntnis, dass der Europäische Gerichtshof in seinem heutigen Urteil nicht unserer Auffassung gefolgt ist". Die Urteilsbegründung werde man genau analysieren. Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) vertritt die Auffassung, dass das Urteil nicht klarstelle, dass ein Streik unter keinen Umständen ein außergewöhnlicher Umstand sein kann. Der Verband forderte, dass die EU-Fluggastrechte-Verordnung insofern geändert werden solle, dass Streiks als außergewöhnliche Umstände gelten.
Politiker von Grünen und Linke begrüßten die Gerichtsentscheidung. Der Europaparlamentarier Rasmus Andresen (Grüne) kritisierte jedoch, dass der Streit überhaupt vor Gericht geklärt werden musste. "Wir sehen es immer wieder, dass sich Fluggesellschaften davor drücken, geltendes Recht umzusetzen." Linke-Politiker Jörg Cezanne sieht mit dem Urteil auch die Rechte von Arbeitenden gestärkt, die nun ihren Forderungen bei Streik mehr Nachdruck verleihen könnten.
Ähnlich wie nun hatte der EuGH bereits im März geurteilt. Damals hieß es, eine Fluggesellschaft könne nicht argumentieren, dass ein Streik ein außergewöhnlicher Umstand sei, insbesondere wenn dieser sich an geltendes Recht halte. Wenn sich der Arbeitskampf darauf beschränke, etwa Gehaltserhöhungen oder bessere Arbeitszeiten durchzusetzen, sei dieser "Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit dieses Unternehmens" (Rechtssache C-28/20).
Hintergrund war damals ein Streit aus Skandinavien. Auch in diesem Fall wollte ein Reisender einen Ausgleich in Höhe von 250 Euro, weil ein für April 2019 geplanter Flug von Malmö nach Stockholm am selben Tag wegen eines Pilotenstreiks in Norwegen, Schweden und Dänemark annulliert wurde. Wegen der mehrtägigen Arbeitsniederlegung waren EuGH-Angaben zufolge mehr als 4000 Flüge gestrichen worden, wovon knapp 400 000 Gäste betroffen gewesen seien./mjm/DP/ngu
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