Einigung |
26.06.2020 13:10:00
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Rettung gesichert: Lufthansa-Aktionäre stimmen Staatseinstieg zu - Aktie verliert
Im Ringen um das staatliche Rettungspaket hatte die Lufthansa-Spitze zuvor den Druck auf die Aktionäre noch einmal erhöht. "Wir haben kein Geld mehr", sagte Aufsichtsratschef Karl-Ludwig Kley bei der außerordentlichen Hauptversammlung des Konzerns. Ohne das Unterstützungspaket von neun Milliarden Euro hätte die Airline Kley zufolge "in den nächsten Tagen" die Insolvenz anmelden müssen. Nach der Annahme des Rettungsplans sagte Kley: "Wir schaffen das!"
Die Bundesregierung zeigte sich erleichtert. Nun habe die Airline eine Perspektive, "die gegenwärtig schwerste Herausforderung ihrer Geschichte zu bestehen zu und zu überstehen", sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Die Beteiligung werde "keinen Tag länger" bestehen als notwendig. Der Bund mische sich nicht ins operative Geschäft ein. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) sagte, das sei eine gute Nachricht für das Unternehmen selbst, die Beschäftigten und den Wirtschaftsstandort Deutschland. "Mit den Finanzhilfen stabilisiert die Bundesregierung ein großes deutsches Unternehmen, das kerngesund war und durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie in schwere Turbulenzen geraten ist."
Lufthansa-Chef Carsten Spohr dankte der Bundesregierung und erklärte: "Wir Lufthanseaten sind uns unserer Verantwortung bewusst, die bis zu 9 Milliarden so schnell wie möglich an die Steuerzahler zurückzuzahlen."
Bei der ausschließlich im Internet übertragenen außerordentlichen Hauptversammlung verzichtete Großaktionär Heinz Hermann Thiele darauf, das Rettungspaket zu blockieren. Wegen der schwachen Beteiligung der Stimmrechtsinhaber mit einer Präsenz von 39,3 Prozent hätte er mit seinem Aktienanteil von mindestens 15,5 Prozent Gelegenheit zu einer Blockade gehabt. Im Vorfeld hatte sich der Selfmade-Milliardär kritisch über den seiner Meinung nach zu starken Staatseinfluss geäußert.
Am Morgen hatte die EU-Kommission dem Rettungsplan zugestimmt. Als Bedingung setzten die Wettbewerbshüter durch, dass Lufthansa in München und Frankfurt jeweils 24 Start- und Landerechte an Wettbewerber abgeben muss. Kommissionsvizepräsidentin Margrethe Vestager erklärte dazu: "Dadurch erhalten konkurrierende Luftverkehrsunternehmen die Möglichkeit, in diese Märkte einzutreten, wodurch faire Preise und eine größere Auswahl für die europäischen Verbraucher gewährleistet werden."
Konkurrent Ryanair kündigte dennoch eine Klage gegen die Beihilfe an. Dem sehe man "mit großer Gelassenheit entgegen", sagte Altmaier. Er sei fest davon überzeugt, dass man faktisch und rechtlich "alle wesentlichen Fragen" bedacht habe.
Der Lufthansa-Vorstand verteidigte vor der Abstimmung das mit der Bundesregierung verhandelte Paket aus Beteiligung, stillen Einlagen und Kredit als alternativlos. Das Konzept bedeute für Lufthansa in den kommenden Jahren erhebliche finanzielle und strukturelle Belastungen, sagte Aufsichtsratschef Kley. "Für den Staat ist es ein durchaus lukratives Geschäft." Dennoch gebe die Vereinbarung dem Unternehmen Raum und Zeit, um die Krise zu überwinden.
Lufthansa hatte für den Fall eines Scheiterns angekündigt, schnell ein so genanntes Schutzschirmverfahren zu beantragen. Diese mildeste Form einer Insolvenz nach deutschem Recht wird bereits beim Ferienflieger Condor angewendet und gibt dem Management weitgehend freie Hand, bestehende Verträge auch mit dem eigenen Personal zu kündigen. Das ist nun nicht nötig. Den rechnerischen Überhang in der Corona-Krise hatte der Konzern mit weltweit 138 000 Beschäftigten auf 22 000 Vollzeitstellen beziffert, davon die Hälfte in Deutschland.
Mit den Gewerkschaften ist das Unternehmen in weit fortgeschrittenen Verhandlungen zu umfangreichen Kostensenkungen. Als erste hat ausgerechnet die streitbare Kabinengewerkschaft Ufo einem Krisenpaket zugestimmt, das Lufthansa auch ohne Kündigungen bis Ende 2023 mehr als eine halbe Milliarde Euro einsparen hilft. Neben verkürzten Arbeitszeiten, dem Verzicht auf bereits vereinbarte Lohnsteigerungen und Betriebsrentenzahlungen gibt es eine Vielzahl freiwilliger Maßnahmen, um Lohnkosten zu reduzieren.
Nach den drei bislang erfolgreichsten Geschäftsjahren war Lufthansa im März wegen der Corona-Pandemie geschäftlich abgestürzt. Die Barreserven der größten deutschen Airline verringerten sich zuletzt monatlich um 800 Millionen Euro, so dass die Zahlungsunfähigkeit drohte. Im ersten Quartal brockte die Corona-Krise dem Unternehmen bereits einen Verlust von 2,1 Milliarden Euro ein. Nach eigenen Angaben hat Lufthansa bereits eine Milliarde Euro an Kunden für abgesagte Flüge zurückgezahlt. Eine weitere Milliarde stehe noch aus.
Lufthansa-Chef Spohr erwartet, dass sich die Nachfrage im Luftverkehr nur langsam erholt und über Jahre unter dem Vor-Corona-Niveau bleibt. Folge ist eine deutliche Schrumpfung der Flotte. Beim Gewinn traut sich der Konzern nach Worten des Personalvorstands Michael Niggemann allerdings bereits für 2022 zu, das Vorkrisenniveau zu erreichen.
Die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit bezeichnete den geplanten Rettungsweg als schwierigen, aber alternativlosen Kompromiss. Das Unternehmen müsse sich nun auf die dringenden operativen Herausforderungen konzentrieren, sagte VC-Präsident Markus Wahl. Die Piloten wollten dazu mit einem weitreichenden Einsparangebot ihren Beitrag leisten. Bei der Gewerkschaft Verdi hieß es, nun müsse der Schutz der Beschäftigten in den Fokus von Politik und Unternehmen rücken. "Mit den Staatshilfen müssen jetzt auch Arbeitsplätze und Einkommen gesichert werden", sagte die stellvertretende Vorsitzende Christine Behle.
Das Rettungspaket sieht vor, dass der staatliche Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) im Zuge einer Kapitalerhöhung für rund 300 Millionen Euro Aktien zeichnet, um eine Beteiligung von 20 Prozent am Grundkapital der Airline aufzubauen. Er zahlt dafür nur 2,56 Euro, rund ein Viertel des aktuellen Aktienkurses. Für den Fall einer feindlichen Übernahme könnte der Staat weitere Anteile aktivieren, um eine Sperrminorität zu erreichen. Zudem sind stille Einlagen von 5,7 Milliarden sowie ein KfW-Kredit von 3 Milliarden Euro geplant.
So reagiert die Aktie
Nach der Aktionärszustimmung zum Rettungspaket der Lufthansa am Vortag ist die erste Begeisterung der Anleger am Freitag bereits wieder verflogen. Gegen Mittag notierten die Aktien der nicht erst im Zuge der Corona-Krise ins Schlingern geratenen Fluggesellschaft zwei Prozent tiefer bei 9,40 Euro. Im Vergleich zum 15-prozentigen nachbörslichen Kurssprung am Donnerstag auf der Handelsplattform Tradegate bis auf 10,98 Euro summiert sich der Verlust somit auf rund 14 Prozent.
"Nun rückt bereits die Verwässerung durch den Staatseinstieg in den Fokus", sagte ein Börsianer. Auf einer außerordentlichen Hauptversammlung hatten die Aktionäre des Unternehmens am Donnerstag nach Börsenschluss letztlich mit großer Mehrheit dafür gestimmt, dass der Staat mit einer 20-prozentigen Kapitalbeteiligung für rund 300 Millionen Euro als neuer Anteilseigner einsteigt. Damit verbunden ist das insgesamt neun Milliarden Euro schwere Rettungspaket, das in den Wochen zuvor mühsam zwischen Frankfurt, Berlin und Brüssel ausgehandelt worden war.
Wäre der Staatseinstieg geplatzt, hätte nach Darstellung der Lufthansa-Führung binnen weniger Tage die Insolvenz oder ein Schutzschirmverfahren gedroht. Bereits am Donnerstagmorgen hatten die Wettbewerbshüter der Europäischen Union die deutschen Rettungsmaßnahmen final genehmigt.
Die Nachricht über die Zustimmung sei gut, da sie Unsicherheit herausnehme und einer Erholung den Weg bereite, kommentierte Analyst Daniel Roeska vom US-Analysehaus Bernstein Research. Doch die Fluggesellschaft habe angesichts ihrer Schuldenlast noch einiges vor sich, gab er zu bedenken.
Ähnlich äußerte sich auch Analyst Dirk Schlamp von der DZ Bank: Mit der Zustimmung der Aktionäre zum Staatseinstieg sei das Insolvenzrisiko zunächst beseitigt, es blieben aber große Herausforderungen. Denn seiner Meinung nach dürfte die Flugbranche erst 2023 oder 2024 wieder das Vorkrisenniveau erreichen.
Sein Kollege Sven Diermeier vom Analysehaus Independent Research konstatierte, mit dem Staatshilfepaket hätten sich die Aktionäre für das kleinere Übel im Vergleich zu einem Schutzschirmverfahren entschieden, das wahrscheinlich einen Totalverlust bedeutet hätte.
Die Corona-Pandemie hat die Lufthansa binnen weniger Wochen von einer Vorzeige-Airline im Dax zu einer Pleitekandidatin im MDax gemacht. Weil über Monate hinweg fast alle Flüge ausfielen, der Großteil der Einnahmen ausblieb und sich das Geschäft nur sehr langsam erholen dürfte, drohte dem Konzern das Geld auszugehen.
Nachdem die Corona-Krise die Finanzmärkte im Februar voll erfasst hatte, rutschte der Kurs bis Ende April um mehr als die Hälfte auf nur noch gut 7 Euro ab. Bis Anfang Juni ging es bis auf gut 12,50 Euro wieder nach oben. Zuletzt pendelte die Aktie zwischen neun und zehn Euro. Damit war der Konzern stellenweise an der Börse gerade noch um die 4,5 Milliarden Euro wert - weniger als die Hälfte des geplanten Hilfspakets und weniger als das, was der Staat dem Konzern über neue Aktien und stille Einlagen an Eigenkapital zuschießen will.
FRANKFURT (dpa-AFX)
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