Zukunftsthemen im Fokus |
01.05.2018 20:13:43
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Neuer BASF-Chef sieht die Zukunft des Konzerns in Innovationen
"Wir können nicht ändern, was sich um uns herum verändert", äußerte der 56-Jährige mit Blick auf die technologischen Sprünge, die von der Digitalisierung ausgehen. "Aber wir können uns selbst so gut wie möglich aufstellen, um dem zu begegnen."
Große Zukunftschancen für BASF sieht Brudermüller etwa im Geschäft mit Elektroautos. "Der Erfolg der Elektromobilität ist zu einem großen Teil ein Chemie-Thema", sagte er. Es müsse gelingen, die Batterien leistungsfähiger, günstiger und schneller aufladbar zu machen. "Da haben wir uns Ziele gesteckt, dass wir etwa den Preis halbieren und die Kapazität verdoppeln wollen." BASF will als Lieferant des in Batterien verbauten Kathodenmaterials profitieren.
Am Freitag nach der Hauptversammlung übernimmt Brudermüller das Ruder von Kurt Bock. Der Schritt ist Teil einer langfristigen Nachfolgeplanung bei dem zweitgrößten Chemieunternehmen der Welt nach Dow Dupont. Gedacht wird diese Planung vom Aufsichtsratschef aus. Bock verkürzt seine Amtszeit, damit er in zwei Jahren den Vorsitz im Kontrollgremium von Jürgen Hambrecht übernehmen kann, der aus Altersgründen ausscheidet. Im zweiten Anlauf hat es damit für Brudermüller doch noch geklappt. 2011 noch war er dem damaligen Finanzvorstand Bock bei der Auswahl als neuer Konzernchef unterlegen.
Mit Brudermüller bekommt BASF erneut einen Chemiker als Chef. Das wird man merken. Technologie und Innovationen bezeichnet der gebürtige Schwabe als Herzensangelegenheit. Während die meisten Menschen glaubten, alles Wichtige sei schon erfunden, hält er auch heute noch "radikal größere Innovationen" für möglich.
Dafür brauche es allerdings echte Begeisterung in der Konzernführung: "Und deswegen war es auch mein Wunsch, dass ich die Position des Chief Technology Officers behalte, wenn ich jetzt den Vorstandsvorsitz übernehme." Der Mann sieht sich als Antreiber. Mit dem von ihm angeschafften Supercomputer verfügen die Forscher von BASF über so viel Rechenleistung wie in keinem anderen Unternehmen der Branche.
Brudermüller kennt sich bestens aus bei BASF. Er ist seit dreißig Jahren bei dem DAX-Konzern. Hier hat er seine komplette berufliche Laufbahn verbracht, zunächst in der Forschung, dann mit Stationen in der Produktentwicklung, im Vertrieb, in der Produktion und in der strategischen Planung. Bald zehn Jahre führte er das Asiengeschäft und zeichnete zuletzt für die Digitalisierung verantwortlich. "Ich kenne das Unternehmen aus vielen verschiedenen Perspektiven, und wenn man sich meinen Werdegang ansieht, dann muss man eigentlich sagen, der ist ideal für das, was jetzt vor mir liegt", resümiert der neue Chef selbstbewusst.
Schnelle und radikale Veränderungen im Konzern sind von ihm gleichwohl nicht zu erwarten, aber das ist bei BASF auch nicht Firmenkultur. Wie bei früheren Führungswechseln will Brudermüller den Start für eine Bestandsaufnahme nutzen, Marktrends ausmachen und Wettbewerber anschauen. Gegen Ende des Jahres soll dann die Marschrichtung stehen und verkündet werden.
Einer Aufspaltung wie sie andere große Industriekonglomerate wie Siemens und Thyssenkrupp verfolgen, erteilt der Vater zweier erwachsener Kinder allerdings eine Absage. Das gilt vor allem für die großen chemischen Produktionsverbünde, von denen BASF weltweit sechs betreibt. Brudermüller nennt sie "modern und auch zukunftsorientiert". Das Bild vom schwerfälligen Tanker hält er dagegen für falsch. Attraktive Geschäfte mit Wachstumspotenzial "würden wir in der Regel nicht verkaufen".
Allerdings will er einzelnen Geschäftsbereichen nach dem Muster von Chemetall oder dem eigenständig gemachten Pigmentgeschäft mehr Freiheit im Konzern geben, wenn dies im Sinne der Kundenorientierung oder mit Blick auf die Veränderungen am Markt sinnvoll sein sollte. Der Führungsansatz "One size fits all" passt aus seiner Sicht nicht mehr. "Sie müssen individuell die richtigen Konzepte für die Geschäfte finden."
In nächster Zeit wird sich Brudermüller mit Milliardenübernahmen zu beschäftigen haben, die sein Vorgänger ausgehandelt hat - zum einen die Übernahme des Polymergeschäfts von Solvay und zum anderen die Agrargeschäfte von Bayer, von denen sich der Konkurrent aus Leverkusen bei seiner Monsanto-Übernahme aus wettbewerbsrechtlichen Gründen trennen muss. Brudermüller spricht von einem "sehr smarten Deal". Es sei "eine richtig schöne Kräftigung und Vergrößerung unseres Geschäfts."
Noch vor einem Jahr schien BASF angesichts der jüngsten Großfusionen als Verlierer in der Agrochemie dazustehen: Neben Bayer und Monsanto taten sich die US-Konzerne Dow und Dupont zusammen, Syngenta aus der Schweiz wurde von Chinas Staatskonzern Chemchina geschluckt. Nun fällt BASF ein komplettes Saatgutgeschäft zu, während der Konzern bislang nur bei der Erforschung von Genen und Pflanzenmerkmalen unterwegs war.
Möglicherweise werden BASF und Bayer sogar künftige Partner in der Forschung. Brudermüller hält es nämlich nicht für ausgemacht, dass die bestehende Forschungskooperation von BASF und Monsanto endet, wenn der US-Konzern in neue Hände übergeht. "Bislang war das eine fruchtbare Zusammenarbeit", sagte Brudermüller. "Da sind jetzt die neuen Pflanzen in der Entwicklung. Das müssen wir jetzt mit den neuen Eigentümern ansehen, ob wir das fortsetzen wollen."
Ob Brudermüller das Agrar-Portfolio nach dem Bayer-Deal noch weiter ausbauen will, lässt er sich nicht entlocken. Zunächst müsse das neue Geschäft von Bayer integriert werden. Weil es sehr forschungsorientiert sei und damit gut zu BASF passe, sieht der neue Chef hier keine Probleme.
Große Deals schätzt der neue Konzernchef ohnehin weniger. Mit dem Verbund habe BASF ein sehr breites Portfolio. Der Konzern wolle alle Bereiche entwickeln. Das soll so bleiben. Eine große Mega-Übernahme wie bei Bayer ist unter diesen Umständen nicht sinnvoll. Und dann wird Brudermüller grundsätzlich: "Das Beste, was eine Firma haben kann, sind eigene Verfahren und eigene Produkte für den Markt: Das ist rein organisches Wachstum auf Basis von Innovationen."
Zukäufe sind aus seiner Sicht dann sinnvoll, wenn man sich in Geschäften verstärkt, die schnelles Wachstum versprechen und wo man sich mit dem Zukauf vom Wettbewerb abheben kann. "Wir analysieren das, und wenn es keinen Sinn macht, machen wir es nicht, wenn es zu teuer ist, machen wir es auch nicht." Umgekehrt müsse man sich von Geschäften trennen, denen die Innovationskraft abhanden kommt.
Die geplante Fusion der Öl-Tochter Wintershall mit dem DEA-Konzern folgt einer anderen Logik. Hier verspricht sich BASF Synergien aus der erneuten Zusammenführung des vor zwanzig Jahren geteilten Explorationsunternehmens Deminex. Mittelfristig soll Wintershall-DEA dann an die Börse, wobei laut Brudermüller nicht ausgemacht ist, ob BASF eines Tages komplett aussteigen wird.
Zunächst müssen beide Eigentümer - BASF und die Investmentgesellschaft Letterone des russischen Oligarchen Michail Fridman - sich aber nach der Grundsatzvereinbarung auf einen detaillierten Fusionsvertrag einigen. Im zweiten Halbjahr soll er stehen. Dazu müssten aber noch bestimmte Kompromisse gefunden werden, sagt Brudermüller. Es gebe hier noch keine Gewissheit, dass es zu einem Abschluss komme. Sorgen vor einem Scheitern habe er aber nicht. Auch die Russland-Sanktionen beeinflussten das Vorhaben nicht.
Das gilt nach Brudermüllers Worten auch für die geplante Kooperation mit dem russischen Bergbaukonzern Norilsk Nickel. Schon bald seien hier die nächsten Schritte zu erwarten. BASF will sich vom weltweit führenden Nickelförderer exklusiv mit Rohstoffen für Batterien beliefern lassen. Wenn der Verkauf von Elektroautos weltweit Fahrt aufnimmt, so das Kalkül, und in großen Mengen Batterien gebraucht werden, würde BASF als Lieferant von Kathodenmaterialien einer der Gewinner.
"Beim E-Antrieb, da verlieren sie das Material für den Katalysator", sagte Brudermüller. "Dafür gewinnen sie aber die Batteriematerialien. Und ich darf ihnen sagen, der Wert an Chemieprodukten im Auto insgesamt steigt. Wir wachsen dabei zweifach: Einerseits bei der Zahl der Autos, wir wachsen aber auch über den Anteil von Chemie im Auto."
400 Millionen Euro wollen die Ludwigshafener in eine neue Produktionsstätte in Europa investieren - eine teure Wette auf einen Zukunftsmarkt, der in erheblichem Maße von der technologischen Entwicklung bei den Batterien abhängt. "Das dürfte derzeit das größte Innovationsgebiet sein, das die BASF hat", sagt der künftige Konzernchef. "Und bei diesem Thema haben wir auch den Willen, ein ganz wichtiger Spieler zu werden und damit auch zu helfen, dass die Elektromobilität ihren Weg macht."
Elektroauto-Batterien auf Basis von Nickel und Kobalt verfügen über eine besonders hohe Energiedichte. Bei Sicherheit und Lebensdauer müssen keine allzu großen Abstriche gemacht werden. Die Batterietechnik könnte der Elektromobilität den nötigen Schub für eine massenhafte Verbreitung geben. Und BASF würde sein Geschäft mit den Autokonzernen weiter ausbauen. Schon jetzt macht der Chemiekonzern 15 Prozent seines Umsatzes mit der Branche.
FRANKFURT (Dow Jones)
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