"Made in Austria" 19.03.2021 20:56:00

Lenzing-Aktie verliert: VKI klagt Hygiene Austria wegen Irreführung bei China-Masken

Lenzing-Aktie verliert: VKI klagt Hygiene Austria wegen Irreführung bei China-Masken

Das Handelsgericht Wien soll klären, ob zugekaufte Masken aus China als "Made in Austria" vertrieben werden dürfen. Hygiene Austria hatte die Maskenproduktion teilweise nach China ausgelagert, aber mit der Herstellung in Österreich beworben.

Konsumentinnen und Konsumenten müssen sich in allen Bereichen auf Kennzeichnungen verlassen können, betont Konsumentenschutz- und Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) am Freitag in einer Aussendung. "Sie sollten sich auch beim Kauf von COVID-Schutzprodukten darauf verlassen können, dass das, was die Werbung verspricht, auch tatsächlich eingehalten wird." Der VKI gehe seit Beginn der Pandemie im Auftrag des Ministeriums gegen irreführende Maßnahmen in allen Bereichen der Pandemie vor und führe auch zahlreiche Musterverfahren zur Klärung offener Fragen im Verbraucherrecht.

Mit einer Unterlassungsklage nach UWG (Gesetz gegen Unlauteren Wettbewerb) solle eine Klarstellung des Gerichts erreicht werden, wann mit "Made in Austria" geworben werden darf und wann nicht, erläutert der Leiter des Rechtsbereichs im VKI, Thomas Hirmke, gegenüber der APA. Nach Ansicht des VKI dürfen in China hergestellte Masken nicht als "Made in Austria" bezeichnet und vertrieben werden.

Rechtlich komme es dabei auf die Erwartung des Durchschnittsverbrauchers an. Diesbezüglich gebe es zwar keine klare gesetzliche Vorgabe. Ein Baumuster allein reiche allerdings nicht aus, um ein Produkt als einheimisch darstellen zu können, so zumindest die bisherige Rechtsprechung in Deutschland. Dementsprechend wäre eine in China nach österreichischem Baumuster hergestellte FFP2-Maske keine Maske "Made in Austria".

In der Öffentlichkeit wurde von der Hygiene Austria, ein Joint Venture von Palmers und Lenzing, die heimische Produktion der FFP2-Masken als besonderes Qualitätsmerkmal hervorgehoben und dabei betont, dass die Versorgungssicherheit, aber auch die Unabhängigkeit Österreichs durch den Bezug von hochqualitativen Masken im Fokus der Tätigkeit liege. Außerdem wurde auf heimische Wertschöpfung und das Bestehen von 200 Arbeitsplätzen in Österreich hingewiesen, so der VKI.

Es wurde also in besonderer Weise darauf abgestellt, dass es sich bei den Masken der Hygiene Austria um "Made in Austria"-Produkte handeln würde. Damit wurde aus Sicht des VKI eine besondere Erwartungshaltung der Verbraucherinnen und Verbraucher geweckt. Tatsächlich wurde, wie auch Hygiene Austria in späterer Folge kundtat, teilweise ein chinesischer Lohnfabrikant mit der Produktion von FFP2-Masken nach dem Baumuster der Hygiene Austria beauftragt, um einen Nachfrageanstieg zu bewältigen.

"Konsumentinnen und Konsumenten haben in besonderer Weise darauf vertraut, dass sie mit ihrem Kauf österreichische Produktion unterstützen und heimische Ware erhalten. Dieses Vertrauen ist massiv enttäuscht worden, wie zahlreiche Beschwerden deutlich machen. Aus unserer Sicht ist es irreführend, eine in China nach österreichischem Baumuster gefertigte Maske als 'Made in Austria'-Maske zu bezeichnen. Es muss gerichtlich geklärt werden, ob eine derartige Vorgangsweise rechtens ist", sagt Hirmke. Der VKI prüfe auch Beschwerden, wonach Palmers und Hygiene Austria bereits verkaufte FFP2-Masken nicht zurücknehmen würden. Diesbezüglich gebe es aber noch keine Klage.

FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch wirft in einer Aussendung der Hygiene Austria "unhaltbare Arbeitsbedingungen" vor. In einem Bericht von "Puls 4" würde heute Abend ab 19 Uhr ein ehemaliger Hygiene-Austria-Mitarbeiter die Zustände bei der Maskenproduktionsfirma darstellen. Der ÖVP-Abgeordnete Klaus Fürlinger habe aber im Sozialausschuss des Nationalrats behauptet, dass arbeitnehmerschutzrechtlich alles in Ordnung gewesen sei, Überprüfungen des Arbeitsinspektorats hätten alles für korrekt befunden. Belakowitsch ortet ein in sich zusammenbrechendes "ÖVP-Vertuschungskartell" im Hygiene-Austria-Skandal. Und Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) solle seine Verantwortung wahrnehmen, appelliert sie.

Das Verwandtschaftsverhältnis der Büroleiterin des Bundeskanzlers Sebastian Kurz (ÖVP) mit dem Hygiene-Austria-Geschäftsführer (sie ist mit Palmers-Vorstand Luca Wieser verheiratet und mit Hygiene-Geschäftsführer Tino Wieser verschwägert) hat die Oppositionskritik an dem Masken-Skandal seit Wochen befeuert.

Massive Vorwürfe von Informanten auf Puls4

Ein anonymisierter Informant erhebt auf Puls4 indes Vorwürfe gegen die Maskenproduktion von Hygiene Austria. Mitarbeiter hätten ihren Lohn nicht erhalten, nach Verletzungen an Maschinen sei der Unfallort als "zu Hause" angegeben worden und in einer eigenen Halle seien Masken aus China gelegen und dann gemeinsam mit der Eigenproduktion in Kartons verpackt worden, sagte der Informant. Hygiene Austria will laut dem Sender "zu diesem Zeitpunkt keine weiteren Presse-Statements abgeben".

Der Informant, ein ehemaliger Mitarbeiter, sprach davon, dass nur 15 Prozent der Masken von Hygiene Austria selber stammten, der Rest aus China. Die hygienischen Bedingungen seien mangelhaft gewesen. Handschuhe und Haarnetze seien nur getragen worden, wenn die Presse oder Politiker anwesend waren, auch Coronatests habe es nicht gegeben. In einer eigenen Halle hätten 40 Mitarbeiter völlig abgetrennt Masken umetikettiert. Das Umetikettieren dementiert Hygiene-Austria-Chef Tino Wieser in einem schon früher aufgenommenen Interview mit dem Sender, er spricht von Lohnfertigung im Auftrag des Unternehmens.

Wichtig sei gewesen, dass die Maschinen 24 Stunden am Tag laufen, dafür habe es sehr viel Druck gegeben. In drei oder vier Fällen habe es schwere Fingerverletzungen an den Maschinen gegeben, die Betroffenen hätten aber angeben müssen, dass sie sich daheim verletzt haben, so der Informant. In einem Fall sei die Polizei gekommen, es habe Zeugenaussagen gegeben, aber das Verfahren sei eingestellt worden. Die Firma selber dementiert, dass Unfälle vertuscht worden seien und spricht von einem Arbeitsunfall, nach dem von der Firma das Arbeitsinspektorat gerufen worden sei.

Ähnliche Kritik war auch von anderen Medien bereits unter Berufung auf frühere Mitarbeiter der Hygiene Austria berichtet worden. Der Informant von Puls4 sieht den Fehler jedenfalls vor allem bei den Leiharbeitsfirmen. Der von Palmers kommende Wieser sei hingegen "ein super Mensch" mit einem guten Herzen, mit ihm habe man reden können.

Die Lenzing-Aktie gab in Wien zum Handelsschluss um 3,22 Prozent auf 99,30 Euro nach.

(Schluss) gru/phs

APA

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Bildquelle: Markus Kirchgatterer / Lenzing AG

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