Leitzinsanpassungen 05.07.2019 16:28:00

RCB erwartet kräftige Zinssenkungen von EZB und Fed

RCB erwartet kräftige Zinssenkungen von EZB und Fed

Die EZB werde den Einlagensatz von minus 0,4 auf minus 0,6 Prozent senken - später vielleicht noch weiter - und die Fed den Leitzins in mehreren Schritten ab September um 100 Basispunkte.

Die EZB wolle mit dieser Maßnahme die Finanzierungsbedingungen in der Eurozone speziell in der Mitte der Zinskurve weiter lockern und die Markterwartung zur Inflation nach oben bringen, erklärte RCB-Analyst Gunter Deuber am Freitag vor Journalisten. Möglicherweise lege die EZB einen zu starken Fokus auf die Inflation, doch werde das auch dort diskutiert.

Durch die zu erwartende Berufung von IWF-Chefin Christine Lagarde zur neuen EZB-Chefin - als Nachfolgerin von Mario Draghi - werde sich an der Geldpolitik im Euroraum "nichts ändern", glaubt Deuber. Sie werde aber etwas "konsensorientierter" auftreten als der Italiener. Viele Länder hätten sich angesichts der internationalen Unsicherheiten nach Draghi jemanden "pragmatischen" gewünscht, das sei in Hintergrundgesprächen deutlich geworden. Damit sei auch "klar" gewesen, dass der Präsident der Deutschen Bundesbank, Jens Weidmann, der lang als Favorit galt, "nicht in den engeren Kandidatenkreis kommt". Lagarde werde mehr auf die "Hausmeinung" setzen, Draghi habe wiederholt versucht, den EZB-Rat in bestimmte Richtungen zu lenken.

Grund für "geldpolitische Hektik" oder "eine neue Lockerung" gebe es konjunkturell nicht, meinte Deuber. Für unmittelbare Konjunktur- oder gar Rezessions-Ängste gebe es keinen Grund: Als RCB sehe man lediglich eine konjunkturelle Abschwächung, sowohl in der Eurozone als auch, etwas stärker, in den USA. Besonders für 2020 würden die BIP-Prognosen der Experten für die USA weit auseinanderklaffen, eine so hohe Konjunkturunsicherheit am Markt sei selten. Im Konsens-Tief würden manche nur 0,5 Prozent Wirtschaftswachstum in den USA im Jahr 2020 sehen. Eine Überhitzung oder wirtschaftliche Ungleichgewichte in den USA "sehen wir nicht", betonte Deuber: "Daher sehen wir keine Rezession in den USA, sondern nur eine wirtschaftliche Abschwächung."

Die EZB werde 2019/20 sicher wieder ihr Anleihen-Kaufprogramm aufnehmen, voraussichtlich rund um den Jahreswechsel und mit einem geringen Kaufvolumen von vielleicht 30 Mrd. Euro pro Monat, so der Experte. Das habe mit den Inflationserwartungen zu tun, um die wieder langfristig auf ein höheres Niveau zu schleusen. Trete die EZB wieder in den Markt ein, sollte Italien auf absehbare Zeit kein Problem haben, sich zu refinanzieren. Die Senkung der Einlagenzinsen um 20 Basispunkte auf minus 60 ab Herbst - allenfalls mit einer Staffelung, um den Bankensektor nicht zu stark zu treffen - werde dann "sehr lang so bleiben". Und es gebe auch das Risiko, dass er später nochmals weiter abgesenkt werde. Dabei habe der Markt vergangenen Herbst noch mit einem Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik gerechnet, erinnerte Deuber. Nun würden die Geldmarktzinsen lange negativ bleiben, die Renditen der deutschen Bundesanleihen bis 2036 im negativen Bereich, die japanischen "nur" bis zum Jahr 2032.

Die US-Notenbank Fed werde wohl ihr Zinsniveau um 100 Basispunkte, also einen ganzen Prozentpunkt, absenken, erstmals aber noch nicht im Juli, sondern eher erst im September - um 25 Basispunkte -, nimmt man bei der RCB an. Am Markt insgesamt wird mehrheitlich mit einem Start im Juli und einer sehr schnellen Vorgangsweise der Fed gerechnet. Noch vor der US-Präsidentenwahl sollte der Zinssenkungszyklus abgeschlossen sein. In den USA habe sich die Situation ebenfalls stark geändert, denn auch die Fed selbst habe noch im heurigen Jahr über Zinsanhebungen gesprochen, so Deuber.

(Forts. mögl.) sp/bel

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