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17.06.2014 13:00:31
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Ausblick: Fed steht vor dem Zinsdilemma
Diese Frage ist besonders wichtig, weil sie zeigt, wie die Währungshüter das Wachstumspotenzial der US-Wirtschaft einschätzen. Schnelleres Wachstum geht üblicherweise mit höheren inflationsbereinigten Zinsen einher. Wenn die Fed ihren langfristigen Zinsausblick senkt, wäre das zum Teil ein Eingeständnis, dass die Wachstumserwartungen begrenzt sind - ein Misstrauensvotum für die Wirtschaft. Es könnte derzeit auch die Verschuldungskosten drücken.
Es sind mehrere Faktoren, die diese Diskussion befeuern. Einer davon ist die maue Erholung der US-Wirtschaft. Diese ist in den vergangenen fünf Jahren im Schnitt um 2,2 Prozent gewachsen, unterhalb der Erwartungen der Fed. Zwischen dem Zweitem Weltkrieg und der Rezession lag der Schnitt bei 3,5 Prozent. Die Fed hat die kurzfristigen Zinsen seit Ende 2008 nahe bei null gehalten, um das Wachstum zu stärken.
Im November erklärte Larry Summers, früher Wirtschaftsberater der Obama-Regierung, die USA könnten in eine Phase "lang anhaltender Stagnation" eingetreten sein. Diese sei durch langsames Wachstum, nur schwache Zunahme der Arbeitsbevölkerung und kleine Produktivitätsgewinne gekennzeichnet.
Summers schreibt in einem E-Mail-Austausch, es gebe eine ganze Reihe von Faktoren, die die Zinsen in den kommenden Jahren niedrig halten werden. Weltweit sparen Verbraucher (besonders die Reichen und die Älteren), Unternehmen und Staaten immer mehr. Sie bündeln ihr Kapital in Anleihen und drücken damit die Zinsen.
"Ich vermute, wenn die Umstände sich nicht ändern, wird die Fed-Funds-Rate im kommenden Jahrzehnt im Schnitt unter 3 Prozent betragen", sagte Summers. Damit bleibe die Gefahr von Blasen an den Finanzmärkten weiter hoch. Denn die Investoren steckten ihr Geld auf der Jagd nach Rendite vor allem in Aktien oder Immobilien. Das Geld dafür könnten sie sich derzeit günstig leihen.
Die Fed schien sich bei ihrem Zinsausblick im März in eine ähnliche Richtung zu bewegen. In ihrer geldpolitischen Erklärung heißt es, dass sie in den kommenden Jahren mit Zinsen unter 4 Prozent rechne, auch wenn sich Inflation und Arbeitslosigkeit normalisiert haben. Doch vieles blieb unausgesprochen - vor allem, ob sie diesen Abwärtstrend als vorübergehend oder dauerhaft betrachtet.
Zunächst deuteten die Währungshüter an, dass sie diese Entwicklung nur für temporär halten. Die Fed-Chefin Janet Yellen und andere Fed-Vertreter betonten immer wieder, dass die Wirtschaft noch die Auswirkungen der Finanzkrise spürt. So seien die Banken noch immer sehr zögerlich bei der Kreditvergabe, was die Zinsen tendenziell niedrig hält. Sobald diese Nachwirkungen überwunden seien, würden die Zinsen wieder auf ihr langfristiges Durchschnittsniveau zurückkehren.
In jüngster Zeit haben einige Notenbanker der Fed aber eingeräumt, dass die Zinsen niedrig bleiben könnten. Ein Leitzins von 4 Prozent sei "viel zu hoch im gegenwärtigen wirtschaftlichen Umfeld, wo der Gegenwind anhält, aber auch etwas zu hoch, selbst wenn dieser Gegenwind vollständig wegfällt", sagte William Dudley, Chef der New Yorker Fed, im Mai in einer Rede.
Auch die offizielle Prognose der Fed für die langfristigen Zinsaussichten zeigt eine leicht abnehmende Tendenz. Vor zwei Jahren schätzten nur zwei Fed-Vertreter, dass die Zinsen langfristig unter 4 Prozent bleiben werden. Im März vertraten bereits sechs Notenbanker diese Ansicht, auch wenn die Durchschnittsprognose bei 4 Prozent verblieb.
Die Erwartungen der Fed für die wirtschaftliche Entwicklung der USA gehen deutlicher zurück. 2009 glaubte sie im Schnitt noch an ein langfristiges Wachstum von 2,65 Prozent. In diesem März waren es nur noch 2,25 Prozent.
"Sie scheinen diesen wirklich düsteren Ausblick zu haben, aber er schlägt nicht auf die Zinsen durch", sagte Jonathan Wright, früherer Fed-Berater und Professor an der Johns Hopkins University in Baltimore. Die Fed solle ihren langfristigen Ausblick korrigieren und ihn der gesenkten Wachstumsprognose anpassen, sagte er.
Nach Ende des Treffens am Mittwoch werden die Fed-Offiziellen ihre neuen Ausblicke für Zinsen, Wachstum, Inflation und Arbeitslosigkeit veröffentlichen. Zudem dürften sie ihre Anleihekäufe um zusätzlich 10 Milliarden Dollar im Monat drosseln. Angesichts der jüngsten Verbesserungen auf dem Arbeitsmarkt könnte der kurzfristige Zinsausblick ein kleines bisschen nach oben gehen. Langfristig bewegt er sich aber im Schneckentempo abwärts - und das dürfte auch so bleiben.
DJG/WSJ/apo
Dow Jones Newswires
Von Jon Hilsenrath
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