Versorgungssicherheit 12.07.2022 17:55:00

Regierung gibt nach Raffinerie-Unfall weitere Ölreserven frei

Regierung gibt nach Raffinerie-Unfall weitere Ölreserven frei

Am Montagabend beschloss der Hauptausschuss des Nationalrats, weitere 100.000 Tonnen Diesel und 45.000 Tonnen an Halbfertigfabrikaten freizugeben."Die Versorgungssicherheit der Menschen in Österreich hat absolute Priorität", so Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne).

Mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS genehmigte der Hauptausschuss die Verordnung der Energieministerin zur Freigabe von Pflichtnotstandsreserven, berichtete die Parlamentskorrespondenz am späten Montagabend. Die Erdöl-Pflichtnotstandsreserven reduziere sich damit um weitere 5,8 Tage. Es sei klar, dass man mit den Ölreserven in so schwierigen Zeiten äußerst vorsichtig umgehen müsse, so Gewessler im Ausschuss. Aufgrund unvorhergesehener Ereignisse könne die OMV aber die kontinuierliche Versorgung des Treibstoffmarktes in den kommenden Monaten nicht gewährleisten.

Eine Expertin der OMV berichtete im Hauptausschuss über den Unfall in der Raffinerie Schwechat und die Folgen für den heimischen Mineralölkonzern. Es handle sich um die größte Krise in der Geschichte der Raffinerie Schwechat, sagte sie laut Parlamentskorrespondenz. Die Reparatur der Anlage laufe derzeit in einem Drei-Schichtbetrieb. Man sei zuversichtlich, dass spätestens Ende September mit dem Hochfahren der Anlage begonnen werden könne. Ein Vertreter der Erdöl-Lagergesellschaft erklärte im Ausschuss, dass die freizugebende Menge sehr schnell in den Markt gebracht werden könne, weil sie zu großen Teilen bereits in den Tanklagern der OMV bzw. der anderen Vertragspartner lagere.

Die OMV kämpft mit weiteren Problemen bei der Öl-Beschaffung. Die Deutsche Bahn habe zugesicherte Zugtransporte kurzfristig storniert und noch nicht neu geplant und aufgrund eines Blitzschlags falle eine Dieselquelle in Deutschland aus, so das Energieministerium. 200.000 Tonnen Halbfabrikate könnten aufgrund ihrer Qualität nicht verpumpt werden und im Hafen Koper (Slowenien) komme es zu Personalausfällen.

Die FPÖ fordert von der Regierung bzw. Gewessler, eine Garantieerklärung für die rasche Wiederbefüllung von Österreichs Treibstoff- und Heizölreserven abzugeben sowie die "Garantie einer Abkehr von der für Österreich ruinösen Sanktionspolitik gegen Russland", so FPÖ-Chef Herbert Kickl laut einer Aussendung. Andernfalls werde die FPÖ einer weiteren Auflösung von Pflichtnotstandsreserven nicht zustimmen. NEOS-Energiesprecherin Karin Doppelbauer kritisierte, dass mit der Verordnung im heutigen Hauptausschuss nur der Ausfall der OMV-Raffinerie behoben werde, es würden aber die wesentlichen Fragen unbeantwortet bleiben. "Wie können wir die Abhängigkeit von russischem Gas möglichst rasch reduzieren und was wird unternommen, wenn Putin den Gashahn von heute auf morgen zudreht? Was ist der Plan?", fragt Doppelbauer.

Die SPÖ hatte heute in einer eilig einberufenen Pressekonferenz gewarnt, dass Diesel knapp würde und sich dabei auf ein ihr vorliegendes Schreiben des OMV-Vorstands an Gewessler vom 23. Juni 2022 berufen. Darin ist von "ernsthaften Versorgungsengpässen" die Rede, wenn nicht weitere Reserven freigegeben werden. "Basierend auf der aktuellen Planung, die bis einschließlich September 2022 reicht, können wir Vertragskunden und eigene OMV-Tankstellen in immer geringer werdendem Ausmaß versorgen", heißt es in dem Schreiben. Konkret ersuchte die OMV Gewessler um die Freigabe von 100.000 Tonnen an Diesel und 90.000 Tonnen an Halbfertigfabrikaten.

Die Situation sei zu ernst für Panikmache und Populismus, kritisierte Lukas Hammer, Energiesprecher der Grünen, zur heutigen Pressekonferenz der SPÖ. "Die aktuelle Situation ist viel zu ernst, um mit billigem Populismus parteipolitisches Kleingeld zu wechseln. Ich würde mir von einer ehemals staatstragenden Sozialdemokratischen Partei - die in großen Teilen mitverantwortlich an der jetzigen Misere ist - mehr Ernsthaftigkeit statt verantwortungsloser Panikmache erwarten", so Hammer laut einer Aussendung.

Der Brief habe es "in sich", sagte SPÖ-Energiesprecher Alois Schroll. Der Brief beweise das Gegenteil dessen, was die Regierung behaupte. Die Regierung habe das Parlament, die Medien und die 2,7 Millionen Diesel-Fahrer in Österreich belogen, so Schroll. Er frage sich, warum die Regierung erst jetzt auf die Forderung der OMV reagiere.

Die Regierung hatte vergangene Woche dementiert, dass der Diesel in Österreich knapp werden könnte. Man habe "derzeit keine Versorgungsknappheit", hatte Gewessler am Mittwoch nach dem Ministerrat gesagt. Bisher habe die OMV die Ausfälle nach dem Raffinerie-Unfall kompensiert, betonte auch Kanzler Karl Nehammer (ÖVP).

Die Erdölreserve, die sogenannte Pflichtnotstandsreserve (PNR), umfasst den durchschnittlichen österreichischen Ölverbrauch von 90 Tagen. Dabei ist nicht nur Rohöl, sondern auch fertiger Treibstoff wie Benzin und Diesel Teil dieser Reserve. Davon wurden nach dem Raffinerieunfall bisher 112.000 Tonnen Diesel und 56.000 Tonnen Benzin freigegeben. Damit verringerte sich die in Österreich gelagerte Reserve um den Verbrauch von sechs Tagen.

Mit der weiteren Freigabe reduziere sich der Vorrat auf 77 Tage, sagte SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter. "Wenn wir so weiter tun, sind wir im Herbst in der Situation von Sri Lanka", dort reichten die Erdölvorräte zwei Tage.

FPÖ fürchtet um Ölreserven

Die FPÖ hat am Dienstag ihre Kritik an der Freigabe weiterer Ölreserven nach dem OMV-Raffinerieunfall bekräftigt. Die Regierung gehe den einfachsten Weg und suche nicht nach Alternativen, beklagte die stellvertretende FPÖ-Klubchefin Dagmar Belakowitsch in einer Pressekonferenz. Der Hauptausschuss des Nationalrats hat am Montagabend die weitere Reduktion der Pflichtnotstandsreserven um 5,8 Tage genehmigt.

Der Unfall in der Raffinerie in Schwechat Anfang Juni legte Teile der Anlage lahm. Die FPÖ beklagt, dass die Auskünfte darüber bei der Sitzung gestern sehr spärlich ausgefallen seien. Von der OMV habe man wenig erfahren, außer, dass der Kessel kaputt sei, berichtete die FPÖ-Politikerin. Auf die Frage, warum dies geschehen sei, sei die Erklärung gefolgt: "Der Kessel hatte ein schönes Alter."

Nun seien aufgrund "widriger Umstände", wie es geheißen habe, noch einmal Reserven freigegeben worden - zum dritten Mal, wie die FPÖ bekrittelt. Nun habe man anders als die anderen Fraktionen nicht mehr zugestimmt. Denn 22,5 Tage der für 90 Tage angelegten Erdölreserven seien nun weg. An eine Wiederauffüllung vor dem Winter zweifeln die Freiheitlichen. Bei einem Großteil der freigegebenen Reserven werde man dies nicht schaffen, hieß es.

"Man greift auf die einfachste Lösung zurück", kritisierte Belakowitsch. Dies gefährde jedoch die Versorgung in Österreich vor einem äußerst ungewissen Winter. Die OMV sowie Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) sollten vielmehr schauen, wo sie Treibstoff am Weltmarkt beschaffen könnten. Gelinge dies nicht, sollten die "hochbezahlten Manager" des Konzerns ihre "Millionengagen" zurückgeben.

FPÖ-Verkehrssprecher Christian Hafenecker zeigte sich auch über weitere Probleme bei der Ölbeschaffung verwundert, die gestern bekanntgegeben wurden. So habe etwa die Deutsche Bahn Zugtransporte kurzfristig storniert, auch soll aufgrund eines Blitzschlags eine Dieselquelle in Deutschland ausgefallen sein. Im Hafen Koper (Slowenien) soll es wiederum zu Personalproblemen kommen. Die FPÖ stellte die Glaubwürdigkeit dieser Angaben in Frage.

(APA)

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