Rally bei Industriemetallen 02.08.2014 03:00:00

Heißer Sommer auf den Rohstoffmärkten

von Julia Groß, Euro am Sonntag

Bei Regelverstößen greift die Londoner Metallbörse hart durch. An ihr werden seit über 130 Jahren Rohstoffe wie Kupfer, Nickel, Zinn und Blei gehandelt. Erst vor gut einer Woche verhängten die Briten Strafzahlungen in Höhe von insgesamt nahezu 30.000 Euro gegen neun der elf zugelassenen Händler auf dem Parkett. Deren Vergehen: Sie waren von dem ringförmigen roten Ledersofa, auf dem die Handelssitzungen stattfinden, aufgesprungen.

Täglich stoßen hier Welten aufeinander: Auf der einen Seite die letzte Börse Europas, die Preise noch durch das traditionell laute Ausrufen der Trader auf der Ring-Couch festsetzt - nach archaisch anmutenden Regeln, mit strengen Verhaltens- und Kleidervorschriften. Auf der anderen Seite geht es um Metalle, die wie keine andere Rohstoffklasse mit der Globalisierung und der weltweiten Konjunktur verbunden sind. Kupfer, Nickel, Aluminium und Co sind die Seismografen für die Auslastung von Autoherstellern, Baukonzernen und der Stahlindustrie. Die Gruppe der Industriemetalle reagiert auf jede Wachstumsschwäche - und ebenso auf Indikatoren für eine steigende Nachfrage.

Überraschend gute Zahlen
Letztere haben die Rohstoffhändler in den vergangenen Wochen überrascht: Nicht nur das Wachstum in China stabilisierte sich mit 7,5 Prozent im zweiten Quartal. Auch die westlichen Industriestaaten, besonders die USA, punkteten mit erstaunlich robusten Zahlen. So kletterte der Einkaufsmanagerindex für die verarbeitende Industrie im Juni auf 57,3 - der höchste Wert seit über vier Jahren.

Die Investoren reagierten prompt: Der Preis für Zink erreichte vorige Woche ein 35-Monats-Hoch, Aluminium stieg auf den höchsten Stand seit 16 Monaten. Der Index S & P GSCI Industrial Metals ist seit seinem Tief im März mit 13 Prozent im Plus.

Was die Rally der für ihre starken Schwankungen bekannten Industriemetalle aber für Anleger besonders interessant macht: Neben den positiven Überraschungen auf der Nachfrageseite sorgen je nach Rohstoff individuelle, voneinander unabhängige Umstände für ein knappes Angebot. "Im Industriemetallsektor gibt es einige sehr spezifische Bedingungen, die sich mit der langsamen Konjunkturerholung sehr gut ergänzen", sagt Paul Horsnell, Leiter der Rohstoffanalyse bei der britischen Standard Chartered Bank. "Deshalb denken wir, dass die Preise weiter steigen werden."

Beispiel Nickel: Das für die Stahlherstellung unverzichtbare Metall hat sich seit Anfang Januar um ­ 40 Prozent verteuert. Hauptgrund ist ein Exportverbot für unverarbeitetes Nickelerz in Indonesien, einem der größten Nickelerzförderer der Welt. Inzwischen sind die Lager­bestände hoch, ein weiterer Preisanstieg ist fraglich. Das Niveau könnte aber erhalten bleiben. Außerhalb Indonesiens gehen derzeit keine neuen Minenprojekte in Produktion.

Außerdem besteht das Risiko, dass der weltgrößte Nickelproduzent, der russische Konzern Norilsk Nickel, in den Russland-/Ukraine-Konflikt hineingezogen wird (siehe Investor-Info). "Geopolitische Risiken haben bislang keinen nennenswerten Einfluss auf die Rohstoffmärkte", sagt Eugen Weinberg, Rohstoffspezialist der Commerzbank. "Das könnte sich in den kommenden Wochen und Monaten ändern. Mit dem Abschuss der malaysischen Passagiermaschine ist die Empfindlichkeit des Westens auf eine ganz andere Stufe gestiegen."

Russland ist führend bei Nickel, Palladium und Aluminium. Inwieweit die Produzenten von künftigen Sanktionen getroffen werden könnten, ist unklar, wobei die Handelsströme zwischen Russland und China vermutlich nicht beeinträchtigt würden.

"Fakt ist aber, dass Russland bereits jetzt einen erheblichen Reputationsschaden erleidet", sagt Joachim Rädler vom Rohstoffportfoliomanagement bei Pioneer. "Westliche Investoren werden in Zukunft tendenziell ihr Geld aus russischen Unternehmen abziehen, beziehungsweise vorsichtiger investieren." Die gestrichenen Exportzölle auf Nickel und Kupfer könnten ein Anzeichen dafür sein, dass die Konzerne bereits Auswirkungen spüren. Joachim Berlenbach, Fondsmanager des Earth Exploration UI, meidet russische Aktien nach Möglichkeit ganz: "Selbst Minen in Burkina Faso sind transparenter als die russischen Firmen." Die Rohstoffpreise sollten Sanktionen jedoch stützen.

Abbau von Überkapazitäten
Keine Politik, sondern ein "echtes" Angebotsdefizit treibt den Preis für Zink. Die Nachfrage übersteige das Angebot im laufenden Jahr um 339.000 Tonnen, schätzt die Credit Suisse. Für das kommende Jahr haben Produzenten die Schließung mehrerer Minen angekündigt. Dann soll sich das Defizit auf 438.000 Tonnen ausweiten.

Auch die Aluminiumproduzenten schließen zahlreiche Schmelzen, sodass eine Ausweitung des Angebots unwahrscheinlich ist - obwohl die Nachfrage steigt. Der größte amerikanische Alu-Hersteller Alcoa macht gleich mehrere Fabriken in Brasilien, den USA und Australien dicht, die zu teuer produzieren, und wird vom Leichtmetall 1,1 Millionen Tonnen weniger liefern. "Minenunternehmen und Industriemetallproduzenten standen in den vergangenen Jahren extrem unter Druck." So erklärt Rädler von Pioneer die Stilllegungen. "Diese waren auch zwingend notwendig, um der enormen Überkapazität dieser Branche zu ­entgegnen. Die ersten Resultate sind bereits zu spüren. Wir sind aber bei Weitem noch nicht am Ende dieses Prozesses angelangt."

Welche Firmen von der aktuellen Rally am stärksten profitieren, ist wegen der eher desolaten Lage der Branche für Anleger schwer zu beurteilen. Bei den direkten Rohstoffinvestments ist die Situation eindeutiger. Doch auch hier gab es Überraschungen. So hatte die International Copper Study Group, der Verband der wichtigsten Kupfer produzierenden und konsumierenden Staaten, für 2013 und 2014 einen Angebotsüberschuss prognostiziert. "Stattdessen gab es ein Defizit, die Lagerbestände an der London Metal Exchange sind auf den niedrigsten Stand seit 2011 gefallen", sagt Commerzbank-Analyst Weinberg.

Als Grund gilt vor allem die erstaunlich robuste Nachfrage aus China. Die Kupfernachfrage hängt wie bei keinem anderen Rohstoff direkt mit dem Wirtschaftswachstum zusammen. Die jüngsten Aussagen von Chinas Ministerpräsident Le Keqiang deuten stark darauf hin, dass die Regierung in Peking ein jährliches Wachstum unter 7,5 Prozent nicht tolerieren will und bereit ist, dieses Ziel auch mit weiteren Konjunkturspritzen zu stützen. Eine Kehrtwende zu früheren Äußerungen, nach denen China fortan einen weniger staatsgesteuerten Konjunkturverlauf anstreben und in diesem Sinn auch kleinere Wachstumsdellen hinnehmen würde.

"Die Nachfrage in China wird weiter wachsen", Joachim Berlenbach vom Earth Exploration Fund UI ist sich sicher. Infrastrukturprojekte wie die vollständige Elektrifizierung würden noch viel Zeit in Anspruch nehmen. "Man muss sich auch darüber im Klaren sein, dass sieben Prozent BIP-Wachstum heute letztlich eine höhere Kupfernachfrage bedeutet als vor ein paar Jahren, wo China noch mit über zehn Prozent wuchs. Die Ausgangsbasis hat sich ja vergrößert", sagt Berlenbach.

Betrugsverdacht in China
Unter Druck geriet der Kupferpreis im Frühjahr vor allem aufgrund von möglichen Betrugsfällen im Zusammenhang mit Metalllagern in Qingdao. In der Hafenstadt im ­Osten Chinas dienten Kupferbestände als Sicherheit für Kreditkunden - und wurden dem Vernehmen nach mehrfach vergeben. Davon sollen Rohstoffbestände im Wert von einer Milliarde Dollar betroffen sein. Inzwischen hat sich die Situation allerdings geklärt; dass die Behörden überhaupt ermitteln, gilt als positives Zeichen. "Kurzfristig könnte es noch zu einem Rücksetzer kommen, aber ich halte einen Anstieg des Kupferpreises Richtung 7.500 oder sogar 8.000 US-Dollar pro Tonne für möglich", erklärt Weinberg.

Den Londoner Metallhändlern steht also ein heißer Sommer bevor. Einfacher wird es für sie in den kommenden Wochen nicht, weitere Strafzahlungen zu vermeiden. Denn egal ob wegen steigender Temperaturen oder hitziger Handelsrunden: Genauso wie das Aufstehen vom ringförmigen Sofa ist auch das Ausziehen des Jacketts strengstens verboten.

Investor-Info

S & P GSCI Industrial Metals
Auf Erholungskurs

Der Index bildet die Preisentwicklung von Kupfer, Nickel, Aluminium, Zink und Blei ab, wobei Kupfer und Aluminium aufgrund ihrer stärkeren Bedeu-tung auf dem Weltmarkt ein größeres Gewicht ­haben. Anleger können mit einem Zertifikat (ISIN: XS0417130381) in den Rohstoffkorb investieren.

Einzelne Industriemetalle
Auf steigende Preise setzen

Investments in einzelne Rohstoffe eignen sich nicht für konservative Anleger. Die Rohstoffpreise schwanken stark, der Investmenthorizont liegt eher bei Tagen und Wochen als bei Jahren. Die stärksten Argumente für einen Preisanstieg gibt es bei Zink. Die physisch hinterlegte Inhaberschuldverschreibung ETFS Zink (JE 00B 41L 4M9 9) vollzieht die Preisentwicklung 1 : 1 nach, der gehebelte ETFS Leveraged Zink (DE000A0V9ZA7) im Verhältnis 2 : 1. An Aluminium- und Kupferpreisen können Anleger über folgende Produkte partizipieren: ETFS Physical Aluminium (JE00B4MG1D30) und das Kupfer-Zertifikat der Deutschen Bank (DE000DB5KUP7).

Alcoa
Teurer Vorreiter

Mit Standortschließungen und einem Umbau hin zu einer höherwertigen Produktpalette reagiert Alcoa-Chef Klaus Kleinfeld auf das schwache Aluminiumgeschäft. Die Aktie ist zwar teuer, mit einer starken Position im Auto- und Flugzeuggeschäft ist Alcoa ­jedoch bestens für die Zukunft positioniert.

Norilsk Nickel
Hohes Risiko

Der Chart: ein Traum. Die Dividendenrendite von acht Prozent auch. Bewertung - okay. Trotzdem sollten Anleger die Aktie des weltgrößten Nickelproduzenten lieber meiden. Das indonesische Exportverbot dürfte eingepreist sein. Viel wichtiger: Die Entwicklung in Russland ist einfach intransparent.

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Rohstoffe in diesem Artikel

Aluminiumpreis 2 538,85 40,10 1,60
Bleipreis 1 906,50 -12,50 -0,65
Kupferpreis 8 971,40 54,06 0,61
Nickelpreis 15 271,08 96,08 0,63
Palladiumpreis 928,50 0,00 0,00
Zinkpreis 2 820,75 23,25 0,83
Zinnpreis 29 941,50 -108,50 -0,36

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