Entwicklung unterschätzt |
20.03.2019 17:30:00
|
Experte: Öl-Nachfrage fällt frühestens ab Mitte der 2030-er Jahre
Die Entwicklung der Öl-Nachfrage sei selbst von führenden Energieagenturen, etwa der Internationalen Energieagentur (IEA) immer wieder unterschätzt worden, sagte Loacker. "Im November 2016 hat die IEA in ihrem Ölmarkt-Ausblick prognostiziert, dass die globale Ölnachfrage im Jahr 2025 bei 100,8 Millionen Fass liegen wird. Diese Marke werden wir schon dieses Jahr im dritten Quartal überschreiten."
Das anhaltende Nachfragewachstum habe mehrere Gründe. Einerseits wachse die Weltbevölkerung, andererseits nehme auch das BIP pro Kopf zu. "Der Ölkonsum pro Kopf steigt, wenn das BIP pro Kopf steigt." Wachsen werde in den nächsten drei Jahrzehnten vor allem der Plastik-Konsum, vor allem in den Emerging Markets, und auch der Flugverkehr. "Boeing prognostiziert, dass sich die Flugzeugflotte innerhalb der nächsten 17 Jahre von 22.500 auf 45.000 verdoppeln wird." Auch wenn man Effizienzverbesserungen berücksichtige und beim errechneten Kerosinverbrauch ein Fünftel abziehe, ergebe das einen zusätzlichen Bedarf von 4 bis 5 Mio. Fass pro Tag. "Die IEA schätzt, dass der Ölbedarf für Plastikprodukte bis 2050 von aktuell ungefähr 12 Mio. Fass pro Tag auf 18 Mio. Fass pro Tag steigen wird." Insgesamt sei das ein Mehrbedarf von gut 10 Mio. Fass pro Tag.
Die Elektromobilität werde die Ölnachfrage zwar dämpfen, vorerst aber nicht nennenswert. "Es kann schon sein, dass vom reinen Autoverkehr ein bisschen was aus dem Markt geht, aber es wäre naiv zu glauben, dass eine Welt ohne Öl auf absehbare Zeit möglich ist." Autoverkehr und Gütertransport würden rund 60 Prozent des Ölverbrauchs ausmachen, "das wird schon unterschätzt, darum werden E-Autos auch einen Effekt haben auf die globale Ölnachfrage". Ohne Elektroautos würde die Ölnachfrage bis 2050 Jahr für Jahr steigen, erklärte Loacker. Sollte der Anteil der E-Autos massiv zunehmen, käme es ab 2032 und 2033 zu einem Rückgang der Ölnachfrage, "aber 2050 hätten wir immer noch eine Ölnachfrage, die sich auf dem heutigen Niveau bewegt". 2040 würden die Elektroautos ungefähr 10 Mio. Barrel der Ölnachfrage substituieren.
Nach IEA-Berechnungen seien im Jahr 2015 rund 550.000 Elektroautos verkauft worden. "Das hatte den Effekt, dass die globale Ölnachfrage um 10.000 Fass pro Tag geschrumpft ist, das ist 0,01 Prozent des globalen Bedarfs." 2018 seien etwa 2 Mio. E-Autos verkauft worden, "dadurch ist der Ölbedarf um 30.000 bis 40.000 Fass pro Tag geschrumpft, das ist de facto nichts". Wenn man aber eine Milliarde E-Autos im Jahr 2050 annehme, dann entspreche das einer um 20 Mio. Fass verringerten Nachfrage. Spürbar werde der Effekt der Elektroautos ab 2025 mit 1 Mio. Fass pro Tag sein, das sei ein Prozent des Ölmarktes. "Man darf jetzt nicht glauben, dass die E-Autos den Ölpreis in den nächsten 10, 15 Jahren in den Keller treiben werden."
In den nächsten Monaten sollte sich der Ölpreis bei 70 Dollar bewegen, glaubt der Ölexperte der Raiffeisen Bank International. Für das kommende Jahr werde eine leichte Eintrübung erwartet, was mehr durch die Nachfrage als durch das Angebot begründet sei. "Unsere Volkswirte erwarten für nächstes Jahr in den USA eine konjunkturelle Eintrübung, eine ganz leichte US-Rezession für das erste und zweite Quartal." Weil in letzten Jahren von den Ölproduzenten zu wenig investiert worden sei, werde es aber mittelfristig auf der Angebotsseite zu einer Unterstützung der Ölpreise kommen, weshalb man für die Jahre 2021 bis 2023 steigende Ölpreise erwarte.
Die OPEC spielt weiterhin eine große Rolle. Derzeit betrage der Anteil der OPEC-Länder an der gesamten Ölproduktion ungefähr 35 Prozent, gleichzeitig betrage der Anteil der OPEC an den Ölreserven 70 Prozent. Die OPEC+ - also OPEC und andere Länder wie Russland, Mexiko, Aserbaidschan, Oman - hätten schon jetzt mehr als die Hälfte der Gesamtproduktion und 80 Prozent der Reserven.
Das Land mit den größten Ölreserven weltweit sei Venezuela, sagte Loacker, "seit drei Jahren hat Venezuela Saudi-Arabien als ölreichstes Land verdrängt". Dennoch produziere Saudi-Arabien zwischen 9 und 12 Mio. Fass pro Tag, Venezuela aber nur 1 Mio. Fass pro Tag.
Ein großer Player seien auch die USA, wo die Förderung sich in den letzten sieben Jahren durch das Hydraulic Fracking verdoppelt habe. "Das größte Schieferölfeld in den USA liegt in Texas, das ist das 'Permian'-Schieferölfeld. Wäre es ein Land, dann würde es nur fünf Länder geben, die mehr Öl produzieren als dieses eine Schieferölfeld."
(Schluss) ivn/sp
Weitere Links:
Analysen zu Raiffeisenmehr Analysen
01.08.24 | Raiffeisen neutral | Deutsche Bank AG | |
24.05.24 | Raiffeisen accumulate | Erste Group Bank | |
05.02.24 | Raiffeisen buy | Erste Group Bank | |
10.11.23 | Raiffeisen neutral | Deutsche Bank AG | |
06.11.23 | Raiffeisen Sell | Baader Bank |
Rohstoffe in diesem Artikel
Ölpreis (Brent) | 75,66 | -0,39 | -0,51 | |
Ölpreis (WTI) | 72,19 | -0,52 | -0,72 |
Aktien in diesem Artikel
Raiffeisen | 20,70 | -0,29% |