Krisentreff bereits 2012 |
16.04.2015 16:20:00
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7.000 Raiffeisen-Kunden investierten in MPC-Schiffsfonds
Deutsche Emissionshäuser wie MPC haben nicht nur in ihrem Heimatland Geschäfte mit Kleinanlegern gemacht, sondern auch in Österreich. Raiffeisen Niederösterreich-Wien hat sogar sechs MPC-Fonds exklusiv vertrieben. Das geht aus dem Protokoll über eine interne Sitzung zum Thema MPC am 26. November 2012 im Wiener Looshaus hervor, das der APA vorliegt. Anwesend waren u. a. hochrangige Bankmanager sowie Kundenberater.
Raiffeisen hat die MPC-Fonds demnach auch an 165 eigene Mitarbeiter vertrieben. Von den 7.011 betroffenen Kunden (Datenstand: 19. September 2012) waren 1.594 direkte Kunden der Raiffeisenlandesbank, 5.417 Kunden von Raiffeisenbanken in Niederösterreich. Das gezeichnete Kundenvolumen von 266,8 Mio. Euro teilte sich folgendermaßen auf: 99,4 Mio. RLB NÖ-Wien, 167,4 Mio. Euro Raiffeisen Niederösterreich.
Raiffeisen hat schon damals eine "Task Force" zu MPC eingesetzt, das Thema wurde zur Chefsache erklärt: "Die Gespräche mit MPC laufen auf Vorstandsebene", heißt es in dem Protokoll.
Den Bankern waren die Probleme bei der MPC Capital AG, die sich seit 2009 in einer "Restrukturierungsphase" befand, durchaus bekannt. Als problematisch würden vor allem "umfangreiche Eventualverbindlichkeiten gesehen, vor allem bei Schiffen. Die ursprüngliche Höhe betrug 2,5 Mrd. Euro - mittlerweile sind jedoch nur mehr 900 Mio. Euro übrig. Auch sind viele Bankgarantien platziert", konstatierten die Teilnehmer der Raiffeisensitzung.
Die Bank erstellte sogar eine "Ampelliste" mit Holland- und Schiffsfonds. Bei einigen wurde das Risiko als "hoch bis sehr hoch" eingestuft. Der seit Ende März 2015 insolvente, von Raiffeisen exklusiv vertriebene Hollandfonds 51 ist auch darunter, in der Liste hat er die Farbe orange. Die 2012 pleitegegangene Schiffsfonds MS Merkur Sky war rot.
Bei der Informationsveranstaltung ging es auch darum, wie man mit Kundenbeschwerden umgehen soll. Intern gab man Fehler freimütig zu. Was MPC-Fonds betrifft, die Kunden gleichzeitig mit einem Kredit gezeichnet haben ("Tilgungsträgermodell", Volumen: 12 Mio. Euro), "hätte RLB dem Kunden schriftlich dringend abraten müssen", um "hier rechtlich agieren zu können". Augenscheinlich befürchtete Raiffeisen schon damals Anlegerklagen: "Weiters müsste bei uns ein vom Kunden unterschriebenes Schreiben vorliegen, dass der Kunde dennoch in so ein Modell investieren möchte. Für diese Fälle wird überlegt, eine Rückstellung zu bilden." Auch die Verjährung "wird als Möglichkeit geprüft, da dann unsere Position eine andere ist." Das solle aber nicht heißen, "dass wir uns dann unserer Verantwortung entziehen".
Besorgten Kundenbetreuer konnten die anwesenden Prokuristen und Experten keinen expliziten Rat geben - weder, was man den Kunden empfehlen, noch wie man sich im Falle einer Gerichtsverhandlung verhalten soll. "Wie soll ich mich als Kundenbetreuer an ein Gespräch erinnern, das vor acht Jahren stattgefunden hat?", fragte einer. Antwort laut Protokoll: "Dieses Problem ist bis zu einem gewissen Grad da, der KB (Kundenbetreuer, Anm.) wird aber bei der glaubwürdigen Rekonstruktion durch die Rechtsabteilung entsprechend unterstützt."
Ein anderer wollte wissen, ob es bei allen Fonds so gewesen sei, dass Teile der Ausschüttung nicht gewinngedeckt waren. "Ja. Es wurden jene Mittel entnommen, die nicht für laufende Kosten oder Reserven rückgestellt werden mussten."
In welchem Ausmaß die Kunden über Paragraf 172 des deutschen Handelsgesetzbuchs (HGB ) informiert wurden? "Dies war auf der Rückseite des Anlegerprofils vermerkt. Der Vertrieb weist darauf hin, dass dies weder beim Kunden noch intern kommuniziert worden ist." ? 172 regelt die Rückforderbarkeit von Ausschüttungen. Wenn diese nicht durch den Gewinn gedeckt sind, haften die Kommanditisten - im Fall der Holland- und Schiffsfonds also die Anleger. Die Gläubiger könnten daher jeden Anleger klagen.
Bei Raiffeisen wollte man das Papier auf APA-Anfrage nicht kommentieren. "Die Protokolle bilden den Informationsstand aus dem Jahr 2012 ab", so Sprecher Peter Wesely. Zahlen und Aussagen in internen Papieren kommentiere die Bank grundsätzlich nicht.
Anwalt Max Leitner, der ein paar Dutzend geschädigte Anleger vertritt, glaubt, dass viele Raiffeisen-Kunden von ihrem Schaden noch gar nichts wissen. Obwohl sie seit 2008 kaum mehr Ausschüttungen bekämen, sei ihnen womöglich nicht bewusst, dass das ganze investierte Kapital futsch sein könnte. In den vergangenen Jahren hätten sie immer wieder beschwichtigende Schreiben bekommen. Erst jetzt, da sie von Gläubigern angeschrieben werden, würden sie nervös, so Leitner zur APA.
Der Rechtsvertreter richtet seine Klagen ausschließlich gegen Vermittler der Fonds, nicht gegen das Emissionshaus, wie das etwa der Verein für Konsumenteninformation (VKI) tut. "Wir werfen den Vermittlern vor, dass sie ihre Kunden nicht über die Risiken aufgeklärt haben. Außerdem machen wir Kick-back-Zahlungen geltend." Die heimischen Banken, die deutsche Schiffsfonds verkauft haben, hätten zusätzlich zum Ausgabeaufschlag (Agio) Provisionen von bis zu 7 Prozent kassiert - "hinter dem Rücken der Kunden". Nach Rechtsansicht Leitners sind solche Kick-back-Zahlungen illegal.
Mit diesem Argument ist Leitner vor Gericht schon durchgekommen. Das Handelsgericht (HG) Wien hat Raiffeisen bereits zweimal - nicht rechtskräftig - zu Schadenersatz verurteilt. Im jüngsten Urteil, das der APA vorliegt, hält die Richterin fest, dass es "nachvollziehbar wohl von entscheidender Bedeutung für einen Anleger (ist), ob er 3,5 Prozent oder gar 6 oder 7 Prozent an reinen Spesen - die noch nicht das geringste mit der Veranlagung selbst, nämlich Kosten des Erwerbs einer Liegenschaft, Schiffen etc. zu tun haben - zu tragen hat." Die Bank hätte die Klägerin über die Zusatzprovisionen aufklären müssen - schon deshalb, weil Provisionen leicht zu Interessenkonflikten führen können, so das Gericht.
Auch über die Gefahr, die erhaltenen Auszahlungen wieder zurückzahlen zu müssen, hätte die Bank die Kunden informieren müssen. Weil sie das nicht getan hat, muss sie für den Schaden aufkommen.
Mit dem Verjährungsargument ist Raiffeisen nicht durchgekommen. Die Klägerin hat die ersten Fonds schon 2005 gezeichnet. Sie erlangte dem HG zufolge aber erst 2012 erstmals Kenntnis davon, dass Raiffeisen neben dem Agio noch weitere Provisionen erhielt und dass sie ihre Ausschüttungen schlimmstenfalls zurückzahlen muss. Daher sind ihre Ansprüche nicht verjährt.
Raiffeisen hat gegen das Urteil bereits Berufung eingelegt, wie Sprecher Wesely sagte.
snu/ivn
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