Anhaltende Währungsstärke 20.09.2022 23:55:00

Darum belastet die Dollarstärke Weltwirtschaft und Wall Street

Darum belastet die Dollarstärke Weltwirtschaft und Wall Street

• Dollar zeitweise mehr wert als Euro
• Dollarstärke hat nicht nur Vorteile
• Weltwirtschaft und US-Exportwirtschaft mit Problemen


Jahrelang war der Euro mehr wert als die US-Währung Dollar. In der Spitze betrug der EUR/USD-Wechselkurs inmitten der Finanzkrise 2008 1:1,60. Seit einigen Monaten hat das Bild aber gedreht: Der Dollar wertet zum Euro deutlich auf.

Euroschwäche statt Dollarstärke

Die Gründe für die Aufholjagd der US-Währung sind vielfältig. Die US-Wirtschaft ist in einem robusteren Zustand als die der Eurozone, was nicht zuletzt durch den Krieg in der Ukraine befeuert wird, der Europa unter anderem in eine Gaskrise gestürzt hat. Die Vereinigten Staaten sind weitaus weniger abhängig von russischem Öl und Gas und damit auch weniger betroffen von dem massiven Anstieg der Öl- und Gaspreise.

Zwar belasten auch in Übersee hohe Inflationsraten, doch die Währungshüter des Landes haben deutlich früher reagiert und schon vor Monaten die Zinswende eingeleitet. Die Europäische Zentralbank (EZB) unterdessen hat die Inflationskrise zunächst aussitzen wollen und bezeichnete den starken Anstieg der Verbraucherpreise lange Zeit als vorübergehendes Phänomen. Am Finanzmarkt hatte dies drastische Folgen: US-Staatsanleihen gewannen nach dem Anstieg der Leitzinsen in den USA verglichen mit Staatsanleihen aus der Eurozone deutlich an Attraktivität - viele Anleger schichteten daher ihre Investments um und nahmen US-Dollar in die Hand, um sich mit US-Bonds einzudecken. Das stützte den Greenback zusätzlich und war einer der Gründe, wieso in den vergangenen Wochen sogar mehrfach die Parität unterschritten wurde und der Dollar mehr kostete als sein europäisches Pendant.

Für US-Konsumenten sind dies zunächst vordergründig gute Nachrichten, denn der starke Dollar sorgt für eine höhere Kaufkraft. Importierte Waren werden günstiger, die amerikanische Bevölkerung bekommt mehr für ihr Geld. Insbesondere bei Importwaren wie Fahrzeugen, Elektroartikeln oder Textilien macht sich der starke US-Dollar für die Bevölkerung im Land also positiv bemerkbar. Und auch Urlaub in Europa lohnt sich für US-Amerikaner so sehr wie seit Jahren nicht mehr - obwohl die Preise in der Eurozone inflationsbedingt einen deutlichen Anstieg verzeichnet haben, sorgt der starke Dollar dafür, dass US-Amerikaner in Euroland Schnäppchenpreise vorfinden.

Hinzu kommt: Aktuell stark nachgefragte US-Exportwaren wie Öl und Gas werden auf den Weltmärkten in US-Dollar gehandelt - das stärkt den Dollar und treibt die Preise für die begehrten Rohstoffe nach oben.

Doch der US-Dollar ist nicht nur das Zahlungsmittel in den Vereinigten Staaten, sondern hat auch eine wichtige Stellung im internationalen Finanz- und Wirtschaftsgefüge. Hier wirkt sich der aufgewertete Greenback aber nicht nur positiv aus.

Heimische Exportwirtschaft leidet

Für Unternehmen, die einen starken Exportfokus haben, sind die aktuellen Entwicklungen am Devisenmarkt ein starker Belastungsfaktor. Besonders für stark exportorientierte Unternehmen, die ihre Waren international vertreiben, wird der starke Dollar zunehmend zur Gefahr für ihre Bilanzen. So hatte etwa der Softwaregigant Microsoft seine Prognose für das vierte Geschäftsquartal nach unten korrigieren müssen, auch IBM warnte unlängst vor den Folgen der Dollarstärke für das eigene Geschäft. Der Techgigant Apple hat kürzlich reagiert und die Preise für sein neues iPhone 14 für viele Märkte außerhalb der USA deutlich angehoben. Lediglich in China und auf dem Heimatmarkt blieb das Preisniveau unangetastet. Mit den teils saftigen Preiserhöhungen will das Unternehmen sinkende Dollar-Basis-Einnahmen in Europa ausgleichen, riskiert damit aber auch einen Rückgang der Nachfrage nach Apple-Produkten in der Euro-Währungszone.

Weltwirtschaft in Turbulenzen

Auch für das globale Wirtschaftsgefüge ist der starke Dollar durchaus ein Belastungsfaktor, der insbesondere Zentralbanken ihre Arbeit erschwert. "Ein stärkerer Dollar macht es aus mehreren Gründen sehr schwierig, die Inflation in Europa zu bekämpfen.", zitiert das Wall Street Journal Keith DeCarlucci, Chief Investment Officer des in London ansässigen Hedgefonds Melqart KEAL Capital. "Die wichtigsten Waren, die sie handeln, einschließlich Energie, werden in Dollar abgerechnet.", so der Experte weiter. Die Währungshüter wandeln angesichts dieser Voraussetzungen auf einem schmalen Grat: Heben sie die Zinsen zu schnell und aggressiv an, riskieren sie eine Rezession.

Und auch für Schwellenländer birgt der starke Greenback enorme Risiken, denn ihre Schuldenlast bei Investoren wird häufig in US-Dollar beglichen, was wiederum die Landeswährungen zusätzlich schwächt und die Inflation im Land zusätzlich befeuert. Entsprechende Entwicklungen hatte es in den bereits in den 1980-er und 1990-er Jahren gegeben, als asiatische und lateinamerikanische Länder unter dem starken Dollar litten und Probleme bekamen, ihre Schulden angesichts schwacher Landeswährungen in US-Dollar zu bedienen.
Im schlimmsten Fall könnten sich Länder gezwungen sehen, Währungsinterventionen vorzunehmen und ihre Dollar-Reserven verkaufen, um heimische Devisen zu erwerben.

US-Regierung beobachtet den starken US-Dollar

Angesichts der Belastungen für die US-Exportwirtschaft, insbesondere im IT- und Konsumgütersegment, dürfte der amtierende US-Präsident Joe Biden die wachsende Dollar-Stärke mit Argusaugen beobachten. Anders als sein Amtsvorgänger Donald Trump, der insbesondere die defizitäre Leistungsbilanz der USA betonte, hat sich der aktuelle Amtsinhaber zwar offiziell noch nicht besorgt gezeigt, die Entwicklungen am Devisenmarkt dürften aber auch im Weißen Haus diskutiert worden sein.

Redaktion finanzen.at

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