12.12.2012 13:53:00
|
Wifo mahnt zu Strategieänderung in Südeuropa
Bisher wurden die Budgetausgaben in den Krisenländern nicht in Zukunftsbereiche wie etwa Bildung umgeschichtet, kritisierte Aiginger. Beispielsweise seien die Militärausgaben in Griechenland weiterhin hoch. Die Steuern auf den Faktor Arbeit müssten gesenkt und allgemein Steuern systematisch eingehoben werden, auch unter Einbeziehung von im Ausland gebunkerten Vermögen in Österreich, Deutschland und der Schweiz.
Für den Wifo-Chef ist die triste wirtschaftliche Lage in Griechenland, Spanien und Portugal ein Problem für die gesamte Europäische Union. Südeuropa sei ein "essenzieller Baustein" für die EU, weil diese eine Brücke zu den rasch wachsenden Regionen in Nordafrika, der Schwarzmeerregion und dem Nahen Osten darstellen. Die Konsolidierungsstrategien für Südeuropa hätten ihr Ziel verfehlt, betonte Aiginger. Vier Jahre nach der weltweiten Wirtschaftskrise gebe es in diesen Länder ein Budgetdefizit von durchschnittlich 6 Prozent und die Verschuldung sei von 75 auf 118 Prozent des BIP gestiegen. Es herrsche weiterhin Rezession und die Arbeitslosenquote steige enorm.
Das Wifo hat im Rahmen des von der EU-Kommission geförderten vierjährigen Forschungsprojektes "Welfare, Wealth and Work for Europe - WWWforEurope" ein Forschungspapier zur Krisenbewältigung in Südeuropa erarbeitet. Aiginger ist Koordinator des Projektes an dem 33 Forschungsinstitutionen teilnehmen.
Im Zuge des Forschungsprojekts hat das Wifo Regionen in Europa analysiert, die zwischen 1991 und 2009 ihre Produktivität deutlich verbessert haben. Nur sieben Regionen - darunter Westrumänien, Umgebung Madrid, Niederösterreich Mittelböhmen - schafften es im Landesvergleich aus dem untersten Viertel im Jahr 1991 herauszukommen und in den vergangenen 18 Jahren eine überdurchschnittlich Produktivität zu erreichen. Man müsse den Euro-Währungsraum als Regionen eines Landes sehen, weil den Euro-Staaten durch eine gemeinsame Währung ihre eigenständige Geldpolitik verloren gegangen sei, erklärte Wifo-Ökonom Peter Huber. Er sieht in der schwachen Produktivitätsentwicklung die Hauptursache für den Verlust an Wettbewerbsfähigkeit in Südeuropa. Eine Niedriglohnstrategie für Griechenland, Spanien und Portugal funktioniere langfristig nicht, warnte Huber.
Die Volkswirtschaften Südeuropas hätten in den vergangenen Jahren durch stagnierende Produktivität den Anschluss innerhalb Europas verloren und seien von den Schwellenländern überholt worden. Auf Grundlage der Regionalanalyse empfiehlt das Wifo neben der Budgetkonsolidierung eine künftige Spezialisierung der Wirtschaft festzulegen. Diese Strategie müsse von regionalen Akteuren wie etwa Entwicklungsagenturen, Sozialpartner und Wissenstransfer-Institutionen getragen werden. Der Wiederaufbau der Produktionsbasis habe oberste Priorität und dafür brauche es Anreize für private Investitionen und Innovationsmaßnahmen sowie eine verbesserte Kooperation unter den Unternehmen. In Griechenland könnte etwa versucht werden, Auslandsgriechen oder Chinesen zu Investments in neue Industriestandorte zu motivieren, so der Wifo-Chef.
Die Europäische Union müsse den Ländern aber auch durch längere Fristen für die Budgetkonsolidierung entgegenkommen. Auch in den Hocheinkommensländern sollten Lohnerhöhungen nicht unter der Produktivitätsentwicklung ausfallen und damit die Binnennachfrage in Europa stärken. Um wie viel die Löhne in Österreich steigen müssten, wollte Aiginger nicht konkret beziffern.
(Schluss) cri
Wenn Sie mehr über das Thema Aktien erfahren wollen, finden Sie in unserem Ratgeber viele interessante Artikel dazu!
Jetzt informieren!