Führungswechsel 31.10.2020 22:55:00

Warnung vor "Blauer Welle": Morgan Stanley sieht US-Wirtschaft gefährdet

Warnung vor "Blauer Welle": Morgan Stanley sieht US-Wirtschaft gefährdet

• Wall Street stellt sich auf Wechsel im Weißen Haus ein
• Demokraten dürften neues Konjunkturpaket verabschieden
• Jim Caron befürchtet straffere Geldpolitik

Wenn die US-Amerikaner am 3. November 2020 zur Wahlurne gehen, entscheiden sie nicht nur darüber, ob künftig Donald Trump oder Joe Biden im Oval Office sitzen wird, sondern auch über die weitere Zusammensetzung von Repräsentantenhaus und Senat. Dies ist von großer Bedeutung, schließlich sind die beiden Kammern des US-Kongresses maßgeblich an der Gesetzgebung beteiligt und üben wichtige Kontrollfunktionen gegenüber dem Präsidenten aus.

Blaue Welle

Politologen halten es derzeit für sehr unwahrscheinlich, dass die Demokraten ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus verlieren werden. Nach einem spannenden Kopf-an-Kopf-Rennen sieht es hingegen beim Senat aus, der seit 2014 von den Republikanern dominiert wird. Den Umfragen zufolge können sich die Demokraten sogar Hoffnungen auf eine so genannte "Blauen Welle" machen. In diesem Szenario wird ihr Kandidat Joe Biden Präsident und gleichzeitig gewinnen sie die Mehrheit im Senat, während sie die Kontrolle über das US-Repräsentantenhaus behalten. Nach einer solchen "blue wave" lägen also Legislative und Exekutive komplett in den Händen der Demokraten.

Auch die Wall Street, die lange den unternehmensfreundlicheren Donald Trump favorisiert hat, freundet sich inzwischen mit der Vorstellung eines Machtwechsels an. So gehen die Börsianer davon aus, dass Joe Biden ein neues billionenschweres Hilfspakets gegen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie auf den Weg bringen dürfte. Zudem hoffen sie, dass der Demokrat die Handelsstreitigkeiten nicht weiter eskalieren lässt.

Zinserhöhung befürchtet

Doch Jim Caron, Investmentmanager bei Morgan Stanley, warnte auch vor möglichen Risiken einer "Blauen Welle": Wie er gegenüber dem US-Sender "CNBC" erklärte, könnten die von den Demokraten geplanten Konjunktur-Stimuli nämlich die US-Notenbank dazu veranlassen, ihren Leitzins früher als bisher angenommen zu erhöhen.

Das von ihm befürchtete Szenario sieht folgendermaßen aus: Die US-Wirtschaft, von der angenommen werde, dass sie sich ohnehin in 2021 erholen wird, könnte durch ein zusätzliches Hilfspaket, das die Demokraten wahrscheinlich beschließen werden, noch weiter angetrieben werden. "Das bedeutet, die Auswirkungen auf das Wachstum wären nicht nur in 2021, sondern auch noch 2022 zu spüren", so Caron. Er warnte, dieser zusätzliche Wachstumsschub könnte zur Folge haben, dass die Fed den Leitzins schon 2023/24 anhebt, während dieser Schritt bisher erst für 2024/25 erwartet wird.

Auch wenn jetzt niemand über Zinserhöhungen reden möchte, so müsse man sich im Fall einer "Blauen Welle" doch davor vorsehen, warnte der Investmentmanager. Ob es zu dieser früheren Straffung der Geldpolitik kommt, hänge auch davon ab, was die Demokarten sonst noch, z.B. bei der Steuer, beschließen werden, sollten sie die Wahlen gewinnen.

Fed-Chef fordert weitere Hilfen für Wirtschaft

Notenbank-Chef Jerome Powell hatte die Politik kürzlich zu mehr Unterstützung aufgefordert: "Zu wenig Hilfen würden zu einer schwachen Erholung führen, was unnötige Härten für Haushalte und Unternehmen erzeugt", warnte er. Selbst wenn die Schritte am Ende größer als nötig sein sollten, wären sie nicht verschwendet gewesen, denn die Erholung wird dann "stärker sein und schneller voranschreiten".

Als eigenen Beitrag zur Konjunkturförderung hat die Fed eine Beibehaltung ihres sehr lockeren geldpolitischen Kurses in Aussicht gestellt. Wie aus dem Protokoll der Sitzung des Fed-Offenmarktausschusses vom 15. bis 16. September hervorgeht, erwarten die Mitglieder des geldpolitischen Ausschusses überwiegend, dass sich an der gegenwärtigen Zinsspanne von null bis 0,25 Prozent bis ins Jahr 2023 nichts Wesentliches ändern wird.

Viele offene Fragen

Sollte es zu einem Machtwechsel in Washington kommen, so könnte dies einen dramatischen Umschwung in der Wirtschaftspolitik zur Folge haben, dessen sind sich die Börsianer bewusst. Im Raum stehen beispielsweise eine Anhebung der Körperschaftsteuer, gravierende Änderungen am Gesundheitssystem, die stärkere Regulierung großer Technologieunternehmen sowie strengere Auflagen vor allem für die Energie- und die Bankenbranche.

Wie Jim Caron gegenüber "CNBC" kritisierte, hat sich aber seiner Meinung nach in diesem Zusammenhang "Selbstzufriedenheit" am Markt breit gemacht. Die Grundhaltung derzeit wäre, dass der Wahltag 3. November alle Antworten liefern und sich von da an alles fantastisch entwickeln werde. Caron warnte jedoch, dass es nach der Wahl "mehr Fragen als Antworten" geben wird. Dies würde die Unsicherheit am Markt erhöhen.

Redaktion finanzen.at

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