Abgasskandal |
15.05.2023 17:53:00
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VW-Aktie gibt ab: OGH für Rückabwicklung des Kaufs
"Diese Entscheidung ist der 'Löser' für sämtliche Verfahren, die wegen dem ursprünglichen Skandalmotor (EA189) geführt werden. Die Ansprüche sind auch noch nicht verjährt", betont Anwalt Michael Poduschka, der in diesem Fall den klagenden Autokäufer vertritt. Auch die Auswirkungen auf alle anderen vom Abgasskandal betroffenen Automarken seien enorm. Das hebt auch Rechtsanwalt Claus Goldenstein, dessen Kanzlei über 50.000 deutsche und österreichische Mandanten im Abgasskandal vertritt, hervor.
"Von dem Urteil der obersten Zivilrichter Österreichs profitieren nicht nur betroffene VW-Halter, sondern auch die Besitzer von Diesel-Fahrzeugen von Herstellern wie Mercedes-Benz, Audi, Opel oder Fiat", schreibt Goldenstein in einer Aussendung. Er ordnet das Urteil als "konsumentenfreundlich" ein. "Hunderttausende Österreicher können von dieser Entscheidung profitieren und nun Entschädigungsansprüche durchsetzen", schreibt er in einer Aussendung. Er rechne nun mit einer Klagswelle in Österreich.
VW hingegen kritisiert, dass der OGH seiner Entscheidung falsche Tatsachen über das Thermofenster in der neuen Software zugrundegelegt habe. Sonst hätte das Höchstgericht anerkennen müssen, dass der ursprüngliche Mangel mit dem Software-Update behoben wurde, meint der Fahrzeughersteller. VW hat, wie andere Fahrzeugfirmen auch, beim strittigen Dieselmotor die Abgasreinigung auf einen Temperaturbereich von etwa 15 bis 30 Grad eingeschränkt. Ist es wärmer oder kälter, wird das System zum Schutz des Motors abgeschaltet. Nach einem Update der Software sei dieses "Thermofenster" nun aber viel größer, das habe der OGH nicht berücksichtigt, sagt VW.
Wichtig ist, dass Autokäufer laut diesem OGH-Urteil wegen der illegalen Abschaltvorrichtung für die Abgasreinigung ihr Auto dem Hersteller zurückgeben können und nicht nur dem Händler. Damit haftet VW für die Autos und muss den Kaufpreis abzüglich einer Gebühr für die zwischenzeitliche Nutzung zuzüglich Zinsen ab der Zustellung der Klage zahlen. Im konkreten Fall bekommt der Käufer für einen VW Tiguan, der um 26.900 Euro erstanden wurde, 23.400 Euro zurück.
In Anlehnung an ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hält der OGH auch fest, dass die Abschaltung der Abgasreinigung außerhalb eines definierten Temperaturbereichs (Thermofenster) für den Käufer einen Schaden darstellt, da die weitere Nutzung des Fahrzeugs damit ungewiss wird. Und das Höchstgericht spricht dem Käufer einen Schadensersatz zu.
Poduschka und Goldberg heben hervor, dass der OGH nun Schadensersatzansprüche zugesteht, statt Gewährleistungsansprüchen. Was wie eine juristische Finesse aussieht, hat handfeste Folgen: Denn Schadensersatzansprüche richten sich an den Hersteller und verjähren erst nach 30 Jahren, Gewährleistungsansprüche schon nach zwei Jahren.
Der OGH hat in dem soeben zugestellten Urteil auch festgestellt, dass VW nachweisen müsste, im Zusammenhang mit der Abschaltvorrichtung für die Abgasreinigung nicht einmal fahrlässig gehandelt zu haben. Da die Abgasnormen eine Schutznorm darstellen, gelte hier eine Beweislastumkehr.
"Die Fahrzeughersteller müssen beweisen, dass sie nichts davon gewusst haben, dass die Thermofenster gegen geltendes Recht verstoßen - das wird keinem gelingen", erwartet Poduschka. Auch Goldberg hält diesen Nachweis für "kaum möglich".
Hintergrund des aktuellen Urteils ist der 2015 bekanntgewordene VW-Abgasskandal. Das Unternehmen hat zugegeben, dass zumindest bei einem weit verbreiteten Motorentyp (EA189) die Abgasreinigung nur auf dem Prüfstand umfassend funktioniert hat, im Realbetrieb aber häufig abgeschaltet wurde, vor allem bei Kälte und Hitze. Seither laufen zahllose Prozesse für Schadenersatz, nicht nur in Österreich. Auch andere Autohersteller sind mit Klagen konfrontiert, weil die Abgasreinigung nur in einem eingeschränkten Temperaturbereich funktioniere.
VW hatte versucht, mit einem Software-Update den Motor zu sanieren. Da aber auch die neue Software ein Thermofenster enthält, sei damit der Schaden nicht saniert worden, stellte nun der OGH fest.
VW hält dem entgegen, dass das Erstgericht, dessen Urteil der OGH nun im wesentlichen bestätigt, das Thermofenster zu eng angenommen habe. In Wahrheit sei das Thermofenster weiter, die Abgasreinigung funktioniere also auch bei höheren und tieferen Temperaturen als im Urteil angenommen. VW geht daher davon aus, dass der Mangel bei der Abgasreinigung durch die neue Software doch saniert wurde. Der OGH habe seine Entscheidung auf Basis falscher Tatsachen getroffen, meint VW. Diese hätten aber in diesem Verfahren nicht mehr korrigiert werden können. Daher habe das Urteil auch nur Auswirkungen auf "eine zweistellige Anzahl an Verfahren" mit vergleichbaren "unzutreffenden und nicht mehr korrigierbaren Tatsachenfeststellungen" in der ersten Instanz, so VW. Das Unternehmen glaubt, dass das aktuelle OGH-Urteil keine Auswirkungen auf die übrigen Verfahren - fast 1.500 - hat.
Poduschka sieht das anders. Aus seiner Sicht müsste VW für jedes Fahrzeug nun nachweisen, wo genau das Thermofenster liegt, was umständlich und teuer wäre.
Der OGH hat in diesem Urteil auch ausdrücklich festgestellt, dass der Fahrzeughersteller auch ohne direktes Vertragsverhältnis mit dem Käufer schadensersatzpflichtig ist, also auch, wenn der Kauf über einen Händler abgewickelt wurde.
Das Urteil sei "insbesondere für die vom Verbraucherschutzverein (VSV) in Deutschland geführten über 400 Einzelklagen gegen VW ein Meilenstein, weil da österreichisches Recht anzuwenden ist und nun klar ist, dass auch bei uns Schadenersatz gegen VW zusteht," freut sich Peter Kolba, Chefjurist des VSV. "Wir hoffen nun auf rasche Urteile in jahrelangen Verfahren."
Via XETRA verloren die Volkswagen-Vorzugsaktien bis Handelsende 0,42 Prozent auf 118,74 Euro.
APA
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