Perspektivwerkstatt |
02.09.2024 17:51:00
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Volkswagen-Aktie steigt: VW schließt Werksschließungen und Entlassungen im Rahmen des Sparprogramms nicht länger aus
Aus Sicht des Vorstands müssen die Kernmarken VW umfassend restrukturiert werden, hieß es. "Auch Werkschließungen von fahrzeugproduzierenden und Komponenten-Standorten können in der aktuellen Situation ohne ein schnelles Gegensteuern nicht mehr ausgeschlossen werden." Zudem reiche der bisher geplante Stellenabbau durch Altersteilzeit und Abfindungen nicht mehr aus, um die angepeilte Einsparziele zu erreichen.
IG Metall und Betriebsrat machen gegen Pläne mobil
Gewerkschaft und Betriebsrat kündigten umgehend massiven Widerstand an. Die Pläne seien "ein Angriff auf unsere Beschäftigung, Standorte und Tarifverträge", erklärte sie in einer Sonderausgabe der Betriebsratszeitung "Mitbestimmen". Dagegen werden wir uns erbittert zur Wehr setzen", so Cavallo. "Mit mir wird es keine VW-Standortschließungen geben!" Niedersachsens IG-Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger sprach von einem "unverantwortlichen Plan", der die "Grundfesten von Volkswagen erschüttert".
Konkreten Zahlen, wie viele der rund 120.000 Stellen in Deutschland wegfallen könnte, nannte VW auf Nachfrage bisher nicht. Auch zu möglichen Standorten, die geschlossen werden könnten, gab es noch keine Angaben. Nach Angaben des Betriebsrats hält der Markenvorstand aber mindestens ein Fahrzeugwerk und eine Komponentenfabrik in Deutschland für entbehrlich.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil forderte VW auf, Standortschließungen zu vermeiden. Dass bei VW Handlungsbedarf bestehe, sei unstreitig, sagte der SPD-Politiker, der auch im VW-Aufsichtsrat sitzt, laut Mitteilung. VW müsse aber zunächst alle anderen Möglichkeiten zur Kostensenkung prüfen. "Dabei erwarten wir, dass sich die Frage einer Schließung von Standorten durch die erfolgreiche Nutzung von Alternativen schlichtweg nicht stellt. Die Landesregierung wird darauf ein besonderes Augenmerk legen."
Erste Werksschließung seit mehr als 30 Jahren
Die letzte Schließung eines Produktionsstandorts liegt bei VW mehr als 30 Jahre zurück: 1988 hatte VW seine Fabrik in Westmoreland in den USA dicht gemacht. In Deutschland wurde noch nie ein VW-Werk geschlossen. Neben dem Stammwerk in Wolfsburg unterhält VW Fabriken in Hannover, Emden, Osnabrück, Braunschweig, Salzgitter, Kassel, Zwickau, Dresden und Chemnitz. Die Tochter Audi hatte jüngst bereits ihr Werk in Brüssel auf den Prüfstand gestellt.
Konzernchef Oliver Blume begründete den Kurs mit der sich zuspitzenden Lage. "Die europäische Automobilindustrie befindet sich in einer sehr anspruchsvollen und ernsten Lage. Das wirtschaftliche Umfeld hat sich nochmals verschärft", sagte er laut Mitteilung. Um die angepeilten Ergebnisverbesserungen von zehn Milliarden Euro bis 2026 zu erreichen, müssten die Kosten nun stärker als bisher geplant sinken. "Der Gegenwind ist deutlich stärker geworden", sagte Markenchef Thomas Schäfer laut Mitteilung. "Wir müssen deshalb jetzt noch mal nachlegen und die Voraussetzungen schaffen, um langfristig erfolgreich zu sein." Laut "Handelsblatt" geht es um bis zu vier Milliarden Euro, die zusätzlich eingespart werden müssen.
Konflikt zwischen Blume und Betriebsrat
Erstmals seit dem Amtsantritt von Olive Blume vor fast genau zwei Jahren steuert VW auf einen massiven Konflikt mit der Arbeitnehmerseite zu. Anders als sein Vorgänger Herbert Diess, der regelmäßig mit dem mächtigen Betriebsrat aneinander geraten war, hatte Blume sich bisher weitgehend geräuschlos mit dem Betriebsrat abgestimmt. Die konkreten Sparmaßnahmen überließ er seinen Markenvorständen. Jetzt forderte Cavallo ihn auf, sich direkt in die Diskussion um die Marke einzubringen. Das Problem der Kernmarke sei am Ende auch das Problem des Konzernchefs.
Die Kernmarke Volkswagen hat seit Jahren mit hohen Kosten zu kämpfen und liegt bei der Rendite weit hinter Konzernschwestern wie Skoda, Seat und Audi zurück. Ein 2023 aufgelegte Sparprogramm sollte hier die Wende bringen, das Ergebnis bis 2026 um zehn Milliarden Euro verbessern. Unter anderem sollen die Personalkosten in der Verwaltung um 20 Prozent sinken. Beim Personalabbau setzte VW bisher auf Altersteilzeit und Abfindungen, entsprechende Programme wurden im Frühjahr noch einmal ausgeweitet und 900 Millionen Euro für Abfindungen von bis zu 474.000 Euro für besonders lang gediente Mitarbeiter zurückgelegt.
Sinkende Verkaufszahlen, der stockende Hochlauf der Elektromobilität und neue Konkurrenz aus China machen der Branche insgesamt zu schaffen. Bei VW brach der Konzerngewinn nach Steuern im ersten Halbjahr um 14 Prozent ein, bei Mercedes-Benz sogar um fast 16 Prozent. BMW verdiente im zweiten Quartal acht Prozent weniger. Der Zulieferer ZF kündigte nach einem Gewinnrückgang an, bis Ende 2028 in Deutschland zwischen 11.000 und 14.000 Stellen zu streichen. Continental will sein schwächelndes Autozuliefergeschäft womöglich komplett abspalten und an die Börse bringen.
Beratungsangebot beginnt im Oktober
Ein neues Beratungsangebot für Volkswagen-Mitarbeiter soll nach Zeitungsberichten von Oktober an beginnen. In der sogenannten Perspektivwerkstatt sollen Beschäftigte, deren Stelle durch Einsparungen und infolge der Digitalisierung wegfallen könnte, von externen Beratern begleitet werden, berichten die "Neue Presse" und "Hannoversche Allgemeine Zeitung". Das Programm wird den Angaben nach an allen deutschen Standorten angeboten.
Die Perspektivwerkstatt solle Beschäftigten nach einem Stellenentfall "individuelle Unterstützung bei der Entwicklung einer neuen internen oder externen beruflichen Perspektive" bieten, sagte eine VW-Sprecherin den Zeitungen. Sie würden umfassende Beratungs-, Vermittlungs- und Qualifizierungsangebote erhalten.
Sparpläne von Volkswagen kommen an der Börse gut an
Mit deutlichem Kurszuwachs haben am Montagnachmittag die im DAX notierten Vorzüge von Volkswagen auf den neuen Sparkurs des Autobauers reagiert. Zur Schlussglocke lagen die Papiere im XETRA-Handel bei einem Plus von 1,25 Prozent auf 97,38 Euro.
Die Aktien von Volkswagen sind in diesem Jahr schlecht gelaufen. Das Minus beläuft sich seit Jahresanfang auf gut zwölf Prozent, während der europäische Autosektor in dieser Zeit nur um 2,8 Prozent nachgegeben hat. Ein Analyst erinnerte daran, dass die operative Gewinnmarge (Ebit-Marge) von VW im zweiten Quartal auf nur noch 0,9 Prozent gesunken sei und das Management hier bis zum Jahr 2026 einen Wert von 6,5 Prozent anpeile.
Analyst Salah-Eddine Bouhmidi vom Broker IG sprach von einem krassen Sparprogramm von Volkswagen, das genau auf die künftigen Margen des Konzerns abziele. Er glaubt, dass andere Konzerne Volkswagen mit Sparprogrammen folgen werden. Die Erzeugerpreise blieben auf höherem Niveau, auch wenn die Inflation sinke. "Das bedeutet wiederum, dass Unternehmen ihre Kosten nicht mehr an die Kunden weitergeben können und somit die Margen in Zukunft sinken."
HANNOVER/WOLFSBURG/FRANKFURT (dpa-AFX)
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