3.000 Arbeitsplätze 27.09.2017 16:55:00

voestalpine investiert bis zu 350 Millionen Euro in Kapfenberg

Die entsprechende Entscheidung hat der Aufsichtsrat heute, Mittwoch, gefällt. Das bisher erwartete Investitionsvolumen von 250 bis 300 Mio. Euro wird dabei sogar übertroffen: Jetzt sind dafür 330 bis 350 Millionen budgetiert.

Die Großinvestition sei "die Basis für die Erhaltung von rund 3.000 Arbeitsplätzen in der Steiermark", teilte der Konzern mit. Das neue Werk direkt neben dem bisherigen Werksgelände wird das derzeitige Böhler-Werk ersetzen, das zum Teil schon über 100 Jahre alt ist. Die baulichen Vorbereitungen starten noch vor dem Jahreswechsel. 2021 soll die neue Anlage zur vollautomatisierten Herstellung von Werkzeug- und Spezialstählen in Betrieb gehen.

"Die Entscheidung, die Anlage mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von 330 bis 350 Mio. Euro in einem Hochkostenland wie Österreich zu errichten, war alles andere als einfach", so Konzernchef Wolfgang Eder. Nach intensiver Abwägung aller relevanten Standortfaktoren sei die voestalpine jedoch letztlich zur Überzeugung gelangt, "dass sich das nicht nur für Österreich, sondern auch für Europa außergewöhnliche Investitionsvorhaben hier langfristig rechnen wird". Den entscheidenden Ausschlag hätten dabei die Menschen gegeben: "Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ihr profundes Wissen und ihre Einsatzbereitschaft wiegen letztlich stärker als alle kritischen Aspekte."

Mit ausschlaggebend für die Standortentscheidung zugunsten Kapfenbergs waren den Angaben zufolge letztlich auch "das hervorragende Forschungsumfeld im Bereich der Metallurgie, die vorhandene Infrastruktur sowie die Nähe zu wichtigen Kunden".

"Wir haben von Anfang an um die Stärken des Traditionsstandortes Kapfenberg gewusst, das Fragezeichen war die Wirtschaftlichkeit im globalen Wettbewerb", ergänzte Franz Rotter, voestalpine-Vorstand und Leiter des Unternehmensbereichs High Tech Performance Division. Während der Errichtung der Anlage würden bis zu 1.000 zusätzliche Arbeitskräfte Beschäftigung finden.

voestalpine baut erstes Stahlwerk in Europa seit 40 Jahren

"Wir haben heute entschieden, dass wir dort das erste Stahlwerk in Europa seit 40 Jahren errichten wollen", sagte Stahlkonzernchef Wolfgang Eder.

"Wir haben gesagt, wir machen jetzt keinen Kompromiss - wir setzen etwas auf, das in den nächsten Dekaden das Maß der Dinge sein wird", freut sich Franz Rotter, voestalpine-Vorstandsmitglied und Leiter des Unternehmensbereichs High Tech Performance Division (Edelstahl), heute, Mittwoch, Nachmittag in einer Telefonkonferenz anlässlich der aktuellen Entscheidung des Aufsichtsrates. Das zum Teil schon über 100 Jahre alte bestehende Werk im steirischen Kapfenberg wird komplett ersetzt. In den alten Hallen werde künftig die gesamte Schrottwirtschaft durchgeführt. Zwischen 2018 und 2021 fließen 330 bis 350 Mio. Euro in die Neuerrichtung.

Mit den bestehenden Anlagen sei man "an die Grenzen der technischen Möglichkeiten gestoßen", jetzt werde in modernste Technologien investiert, um neue Maßstäbe als führender Hightech-Anbieter zu setzen, so Rotter. "Dieses Stahlwerk muss diese Position über 50 Jahre und mehr halten", umriss der Manager die zeitliche Perspektive. Die 205.000 Tonnen Jahreskapazität, die geplant seien, entsprächen dem, was in Kapfenberg auch schon bisher erzeugt werde. "Wir werden aber in andere Qualitäten gehen", erklärte Rotter. Der konzernweiten Strategie entsprechend, fertigt die voestalpine auch im Mürztal zunehmend höherwertige Produkte, mit denen auch höhere Margen erzielt werden können.

Obwohl das "weltweit modernste Edelstahlwerk" hochdigitalisiert sein wird, müssen die derzeit rund 3.000 Beschäftigten an dem steirischen Standort den Angaben zufolge nicht um ihre Jobs zittern: "Wir werden mit Sicherheit aufgrund der Errichtung des neuen Werks keine Freisetzung von Mitarbeitern haben, die über die natürliche Fluktuation hinausgeht, aber wir müssen mehr in die Um- und Aufqualifizierung der bestehenden und der neuen Mitarbeiter investieren", betonte Eder. "Man sollte die Digitalisierung nicht als das Schreckgespenst der Zukunft, was Arbeitsplätze betrifft, hinstellen."

Noch vor Jahresende werde in Kapfenberg ein "Competence Center" für Digitalisierung eröffnet, kündigte Rotter an. "Heute haben wir bereits Digitalisierung/Robotik in unsere Lehrlingsausbildung aufgenommen."

Das Mürztal hat sich als Standort gegen alle ebenfalls von der voestalpine angedachten internationalen Alternativen durchgesetzt. Den Ausschlag für die positive Entscheidung gab letztlich auch die hohe Dichte an hochqualifizierten Metallexperten in der Region: "Am Ende des Tages waren es die fast 3.000 Mitarbeiter, die wir heute am Standort Kapfenberg haben", sagte Eder auf den Beweggrund hin gefragt. Nirgendwo sonst auf der Welt wären "Menschen in diesem Ausmaß mit dieser Kompetenz" vorzufinden gewesen, die "ad hoc verfügbar" seien, lobte der voestalpine-Chef die "hochmotivierte und qualifizierte Mannschaft".

Im gleichen Atemzug verwies Eder auf das "perfekte metallurgische Umfeld" und verwies dabei unter anderem auf die Montanuniversität in Leoben, die Technischen Universitäten Graz und Wien sowie die zahlreichen Fachhochschulen. "Man muss auch eines sagen: Wir haben gelernt, dass sowohl das Land Steiermark und die Stadt Kapfenberg sich massiv bemüht haben, um diese Kooperation zu unterstützen", so Eder. Der Konzernchef habe "absolut das Vertrauen", dass das auch in Zukunft so sein werde.

Das "Zünglein an der Waage" für die Standortentscheidung sei auch die Entspannung betreffend Strompreiszone Österreich-Deutschland gewesen. Immerhin sind die Energiekosten für die Elektroöfen in einem Edelstahlwerk ein entscheidender Kostenfaktor.

Zwischenzeitig hatte Eder hierzulande für die kommenden zwei bis drei Jahre Strompreiserhöhungen von mindestens 15 bis hin zu 40 Prozent befürchtet; mittlerweile hat sich das Szenario auf einen Anstieg um "5 bis 6 Prozent" beruhigt. Über eine Strompreiszonentrennung zwischen den beiden Ländern debattierten die Regulatoren rund zwei Jahre lang, erst heuer im Mai stand der Kompromiss. Der bis dahin unbegrenzte Stromhandel zwischen den beiden Märkten wird nicht gänzlich gekappt, aber einschränkt.

Pläne über ein möglicherweise neues Edelstahlwerk für Kapfenberg hatte Eder Anfang Juni 2016 in einem Conference Call im Vorfeld der Bilanzpressekonferenz erstmals öffentlich erwähnt. Heuer im Mai hatte der Konzernchef den Strompreis noch als "Schlüsselhindernis" bezeichnet. Zuvor hatte er auch Belange wie den Emissionshandel und die generelle Klimapolitik der EU als Knackpunkte ins Treffen geführt.

Doch nun ist die Standortentscheidung fix. Der Spatenstich für das Werk in der Steiermark erfolgt 2018. Drei Jahre später sollen die Bauarbeiten erledigt sein.

Freude in der Steiermark über Kapfenberg-Investition

In der Steiermark hat am Mittwoch Freude über die Entscheidung der voestalpine geherrscht, in Kapfenberg das modernste Stahlwerk der Welt zu bauen. LHStv. Michael Schickhofer sagte, das ganze Mürztal bekomme "Perspektiven, gut bezahlte Jobs und Lehrstellen". Für die Industriellenvereinigung ist die Entscheidung "auch ein Beleg für die hervorragende Ausbildung steirischer Industriearbeiter".

Der SPÖ-Politiker Schickhofer sagte weiters, mit der Entscheidung seien "tausende Arbeitsplätze für Jahrzehnte gesichert. Nach dem weltweit modernsten Tunnelforschungszentrum in Eisenerz und dem am Dienstag offiziell eröffneten hochmodernen Drahtwalzwerk der Voest in Leoben komme mit dem Edelstahlwerk in Kapfenberg der dritte gewaltige Impuls in die Obersteiermark".

Zusammen mit Bürgermeister Fritz Kratzer und Bürgermeister a. D. Manfred Wegscheider (beide SPÖ) wurden in den vergangenen Monaten zahlreiche Gespräche mit voestalpine-Vertretern geführt, aber auch der Hochwasserschutz für das Voest/Böhler Gelände - Voraussetzung für das Stahlwerk - auf Schiene gebracht. Kratzer sagte etwa, die Investition sichere weitere gewinnbringende Jahre in der Jahrhunderte alten Geschichte der Edelstahlstadt Kapfenberg und ihrer Einwohner.

Für den steirischen IV-Präsidenten Georg Knill ist Kapfenberg "nicht nur eine Weichenstellung in Richtung Stärkung der industriellen Basis Europas, sondern in erster Linie ein starkes Bekenntnis zum Standort Österreich und Steiermark". Investitionsentscheidungen - insbesondere derart langfristige wie jene in der Stahlbranche - würden immer nach den Gesichtspunkten der Planbarkeit und der Wettbewerbsfähigkeit der Rahmenbedingungen getroffen, so Knill in einer Aussendung.

Für Schützenhöfer "großer Tag für die Steiermark"

Auch für den steirischen Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) ist der Beschluss der voestalpine zum Bau des neuen Stahlwerks in Kapfenberg um 300 Mio. Euro "ein großer Tag für die Steiermark". Die Investition sei auch die Bestätigung für die gute Arbeit der Landesregierung, denn "wir haben parteiübergreifend gemeinsam alles daran gesetzt, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen".

Um diese Investition in die Steiermark zu holen, wurden auf allen Ebenen, im Land, im Bund und der EU alle Hebel in Bewegung gesetzt, damit offene Punkte etwa im Bereich des Umweltschutzes gelöst werden konnten, so Schützenhöfer am Mittwoch in einer Stellungnahme. Nach der offiziellen Eröffnung des neuen Drahtwalzwerkes in Donawitz am Dienstag sei diese Entscheidung ein "weiteres Zeichen dafür, dass unser Land als Standort für Hightech-Unternehmen attraktiv ist". Voestalpine, AT&S, Pankl und der Red-Bull-Ring seien Paradebeispiele dafür, dass aus der einst krisengebeutelten Obersteiermark eine Region mit Zukunft wurde", sagte der LH, der sich auch bei den voestalpine-Vorständen, namentlich Franz Kainersdorfer und Wolfgang Eder bedankte.

Für Wirtschaftslandesrätin Barbara Eibinger-Miedl (ÖVP) ist die Investition ein starkes Bekenntnis zum Wirtschaftsstandort Steiermark. "Dadurch können bestehende Arbeitsplätze gesichert und neue geschaffen werden". Das Vorhaben sei eine wichtige Voraussetzung für weiteres Wachstum der steirischen voest-Standorte und stärke die gesamte Region.

"Kapfenbergs Nähe zu Metallforschung ausschlaggebend"

Für Infrastrukturminister Jörg Leichtfried (SPÖ) ist die voestalpine-Entscheidung für das Stahlwerk in Kapfenberg auch im "vorhandenen großen Wissen" der Mitarbeiter sowie in der Nähe zu international führenden Instituten in der Metallforschung begründet. Der eingeschlagene Weg, mit Wissen zu überzeugen statt über den Preis sei der richtige, so der Minister am Mittwoch in einer Aussendung.

Das Infrastrukturministerium habe im vergangenen Jahr eine Stiftungsprofessur für Stahldesign an der Montanuniversität Leoben eingerichtet und finanziert diese mit zwei Mio. Euro, so der Minister. Österreich sei ein Hochlohnland, deshalb müsse man konsequent daran arbeiten, den internationalen Spitzenplatz in der industriellen Forschung zu halten und auszubauen. "Steirische Betriebe sind in vielen Nischen Weltmarktführer. Unsere gezielten Investitionen in Forschung sichern direkt Tausende gut bezahlte Arbeitsplätze in der Steiermark", sagte Leichtfried.

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