21.09.2015 16:22:49

UPDATE/Kraftfahrtbundesamt nimmt nach VW-Manipulation Prüfung auf

   -- Berlin fordert "belastbare Informationen" von Herstellern

   -- Regierung will mit VW-Chef Winterkorn sprechen

   -- Umweltpolitikerinnen entsetzt über Manipulationen

   (NEU: weitere Aussagen und Reaktionen)

   Von Andreas Kißler

   BERLIN (Dow Jones)--Im Skandal um die Manipulation von Abgaswerten durch VW in den USA hat die Bundesregierung Angaben der Autohersteller verlangt, um zu prüfen, ob solche Tricks auch auf dem deutschen Markt angewandt wurden. Das Kraftfahrtbundesamt soll nun untersuchen, ob es möglicherweise auch in Deutschland oder anderen europäischen Ländern Manipulationen durch Volkswagen oder andere Hersteller gab. Umweltpolitikerinnen zeigten sich entsetzt über die Vorgänge.

   "Wir erwarten von den Automobilherstellern belastbare Informationen, damit das Kraftfahrtbundesamt als zuständige Genehmigungsbehörde prüfen kann, ob vergleichbare Manipulationen am Abgassystem auch in Deutschland oder Europa stattgefunden haben", sagte der Sprecher des Bundesumweltministeriums, Andreas Kübler, bei einer Pressekonferenz in Berlin.

   Derzeit lägen ihm keine Erkenntnisse "über mögliche weitere Schummeleien der Automobilindustrie vor", betonte der Sprecher. Auch der Sprecher des Verkehrssministeriums, Ingo Strater, sagte, er könne über solche Erkenntnisse "hier im Moment nicht berichten". Er verwies darauf, dass ein Fahrzeug in Deutschland eine Typgenehmigung braucht, und dafür sei das Kraftfahrtbundesamt zuständig. Systeme, die sich abschalten, wenn sie überprüft werden, "sind nach europäischem Recht schon heute verboten".

Umweltpolitikerinnen zeigen sich entsetzt Eine konkrete Bewertung der Vorgänge bei VW lehnten beide Sprecher ebenso ab wie Regierungssprecher Steffen Seibert. "Wir verweisen auf das, was der Konzern selber angekündigt hat, dass die Dinge aufgeklärt werden", sagte Strater, "und der Konzern bei dieser Aufklärung auch eng mit den US-Behörden zusammenarbeitet." Kübler sagte aber, in naher Zukunft seien Gespräche der Regierung unter anderem mit VW-Chef Martin Winterkorn geplant.

   Umweltpolitikerinnen wurden deutlicher als die Regierung. Die Abgasmanipulationen seien "nicht hinnehmbar", erklärte die Unions-Umweltpolitikexpertin Marie-Luise Dött. "Die in den USA jetzt aufgedeckten Manipulationen bei den Abgasmessungen bei Fahrzeugen des Volkswagen-Konzerns stellen einen schwerwiegenden Vertrauensmissbrauch für die Kunden, aber auch für die Politik dar." Sie erwarte "zuerst natürlich vom Volkswagen-Konzern, aber auch von anderen Automobilherstellern" klare und überprüfbare Darstellungen, dass derartige Aktivitäten ausgeschlossen würden.

   Es müsse geklärt werden, ob es ähnliche Fälle auch bei anderen Herstellern gebe, forderte die Vorsitzende des Bundestag-Umweltausschusses, die Grünen-Abgeordnete Bärbel Höhn. Im Deutschlandfunk meinte sie, bei einer solch umfassenden Software-Mogelei müsse dies mit dem Wissen der VW-Führung geschehen sein.

Berlin spricht von eklatanter Täuschung Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth forderte, "dass VW lückenlos offenlegt, wie und in welchem Ausmaß diese Manipulationen stattgefunden haben". Darüber hinaus sah er alle deutschen Automobilhersteller in der Pflicht, aufzuklären, ob auch die Abgaswerte anderer Pkw-Modelle in dieser oder ähnlicher Weise manipuliert worden seien oder würden. "Wir stehen vor einem Fall von eklatanter Verbrauchertäuschung und Umweltschädigung", sagte Flasbarth.

   Der Vorgang zeige, wie dringlich es sei, europaweit neue Messverfahren für den Ausstoß gesundheitsschädlicher Stickstoffoxide einzuführen. Ministeriumssprecher Kübler verwies darauf, dass es bald auch in Europa ein solches Verfahren geben solle, mit dem künftig eine behördliche Feldüberwachung von in Betrieb befindlichen Fahrzeugen stattfinden werde.

   "Damit haben wir dann auch einen Schritt in Richtung dessen, was es in den Vereinigten Staaten schon gibt, die Überprüfung nach der Zulassung im realen Betrieb, durch die ja letztendlich die Manipulation dort nachgewiesen werden konnte." Das Prüfverfahren der "Real Driving Emissions" sei im Mai beschlossen worden, und im Moment befinde man sich in der Endabstimmung.

Umweltverbände verlangen personelle Konsequenzen Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) forderte von seinem Kooperationspartner Volkswagen ebenfalls eine lückenlose und schnelle Aufklärung. "Das Bestreben von Volkswagen, bis 2018 zum umweltfreundlichsten Autokonzern der Welt zu werden, ist stark beschädigt", erklärte Bundesgeschäftsführer Leif Miller. "Nur durch vollumfängliche Aufklärung und personelle sowie strukturelle Konsequenzen kann wieder Vertrauen hergestellt werden."

   Die Deutsche Umwelthilfe forderte den Rücktritt von VW-Vorstandschef Winterkorn und bei der VW-Aufsichtsratssitzung am Freitag "eine lückenlose Offenlegung, welche weiteren Diesel-Pkw für den US- bzw. europäischen Markt über vergleichbare Abschalteinrichtungen verfügen".

   (Mitarbeit: Stefan Lange)

   Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

   DJG/ank/smh

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