Verhandlungen 26.04.2022 22:21:00

Twitter-Aktie in Rot: Twitter stimmt Musks Übernahmeangebot zu

Twitter-Aktie in Rot: Twitter stimmt Musks Übernahmeangebot zu

Twitter steht mit der wahrscheinlichen Übernahme durch Tech-Milliardär Elon Musk vor großen Veränderungen. Der reichste Mensch der Welt will auf der Plattform Inhalte-Regeln lockern und das Geschäftsmodell überdenken. Der Tesla-Chef brach in wenigen Tagen den Widerstand der Firma gegen seine Kaufattacke mit Finanzierungszusagen über 46,5 Milliarden Dollar. Twitters Verwaltungsrat stimmte dem Deal zu. Jetzt müssen noch genug Aktionäre Musk ihre Anteile verkaufen.

Musk hält bereits gut 9 Prozent, und es reicht ihm, über die Marke von 50 Prozent zu kommen. Denn anders als bei Google oder dem Facebook-Konzern Meta Platforms halten Gründer und Top-Manager bei Twitter keine Aktien mit mehr Stimmrechten, die ihre Kontrolle über die Firma absichern könnten. Twitter und Musk gaben sich Zeit bis Ende des Jahres, um den Verkauf abzuschließen.

Was will der Chef eines Elektroauto-Herstellers, einer Weltraumfirma und eines Entwicklers von Gehirn-Implantaten mit Twitter? Wie wird sich der Dienst, der zu einer Art Nervensystem der Nachrichtenbranche wurde, als Privatbesitz von Musk verändern? Wer kann sicherstellen, dass Musk Twitter nicht für geschäftliche Interessen einspannt? Wird man ohne die Transparenz von Börsenberichten überhaupt erfahren, wie Twitter sein Geld verdient und ob das Geschäft läuft? Das sind alles Fragen, auf die es bisher keine zuverlässigen Antworten gibt.

Bei Bekanntgabe des Deals am Montag versprach Musk unter anderem, "Spam-Bots zu besiegen und alle Menschen zu authentifizieren". Der Software-Algorithmus, mit dem für Nutzer potenziell für sie interessante Tweets ausgewählt werden, solle öffentlich werden.

Vor allem schrieb sich Musk aber weitestmögliche Redefreiheit auf die Fahnen. Das sei nur möglich, wenn der Kurznachrichtendienst die Börse verlasse, behauptete er. Seine Vorstellung von Redefreiheit umriss Musk so: "Wenn jemand, den man nicht mag, etwas sagen darf, was man nicht mag." Im Rahmen der Gesetze sollten alle Meinungen erlaubt sein. Twitter mit Redefreiheit sei wichtig für die Demokratie und minimiere die Risiken für die Zivilisation, sagte er.

Nun ist es allerdings so, dass über angebliche "Zensur" bei Twitter besonders lautstark vor allem zwei Gruppen klagen: Leute, gegen deren Beiträge wegen falscher oder irreführender Informationen zum Coronavirus vorgegangen wurde, sowie Anhänger von Ex-Präsident Donald Trump, die nicht ohne weiteres behaupten können, ihm sei die Wahl 2020 gestohlen worden. Aus den Lagern kam Applaus für Musks Visionen.

Andere schlugen dagegen Alarm. So schrieb die demokratische US-Senatorin Elizabeth Warren bei Twitter: "Dieser Deal ist gefährlich für unsere Demokratie. Milliardäre wie Elon Musk spielen nach anderen Regeln als alle anderen." Besorgt zeigte sich auch die Bürgerrechtsorganisation ACLU (American Civil Liberties Union): Obwohl Musk ihr Mitglied und einer der wichtigsten Unterstützer sei, sei es "sehr gefährlich, so viel Macht einer Person in die Hand zu legen". Musk nutzte Kritik zur Demonstration seiner Ansätze: "Ich hoffe, dass selbst meine schlimmsten Kritiker bei Twitter bleiben - weil genau das Redefreiheit bedeutet."

Auch der ehemalige Facebook-Sicherheitschef Alex Stamos warnte bereits vor einer Alles-Erlaubt-Einstellung. Man erhöhe den Wert einer Plattform nicht, indem man sie zu 99,9 Prozent mit Pornografie sowie Anzeigen für gefälschte Marken-Sonnenbrillen und Potenzmittel befüllen lasse, schrieb er bei Twitter.

Die Menschenrechtsorganisation NAACP (National Association for the Advancement of Colored People) versuchte, Musk ihre Sicht von Grenzen für Meinungsäußerung zu vermitteln: "Redefreiheit ist wunderbar, Hassrede ist inakzeptabel." Auch für Falschinformationen sei kein Platz bei Twitter. NAACP-Präsident Derrick Johnson appellierte an Musk speziell, Trump nicht zurück auf die Plattform zu lassen. "Leben sind in Gefahr - und auch unsere amerikanische Demokratie." Im Weißen Haus von Präsident Joe Biden sei man ebenfalls besorgt, Trump könne vor den Kongresswahlen in diesem Herbst und der Präsidentenwahl 2024 bei Musks Twitter wieder auftauchen, berichtete der TV-Sender CNBC.

Trump wurde bei Twitter verbannt, nachdem er Sympathie für seine Anhänger bekundet hatte, die am 6. Januar 2021 das Kapitol in Washington erstürmten. Das Management betonte bisher, dass es für ihn keinen Weg zurück auf die Plattform gebe. Musk könnte das anders sehen: Er finde vorläufige "Timeouts" besser als permanente Ausschlüsse, sagte der Tesla-Chef jüngst allgemein. Musk selbst spielte zu Beginn der Pandemie die Gefahren durch das Coronavirus herunter und nannte Einschränkungen in Kalifornien "faschistisch".

Trump sagte dem Sender Fox News, er wolle nicht zu Twitter zurückkehren, selbst wenn er es dürfte. Der Ex-Präsident baut stattdessen seine eigene Twitter-Alternative mit dem Namen Truth Social auf, die jedoch bisher ein Schattendasein führt.

Musk sagte stets, es gehe ihm bei dem Twitter-Deal nicht um Geld. Doch er setzt dafür sehr viel von seinem Vermögen ein. Während Musk als Twitter-Besitzer niemandem Rechenschaft schuldig sein wird, so muss er jedoch die Schulden bedienen, die er für den Deal braucht.

Der 50-Jährige präsentierte Zusagen für Kredite über 25,5 Milliarden Dollar und will darüber hinaus eigenen Besitz von rund 21 Milliarden Dollar einbringen. Musk ist die mit Abstand reichste Person der Welt mit einem geschätzten Vermögen von rund 257 Milliarden Dollar. Sein Reichtum besteht aber fast ausschließlich aus Aktien von Tesla und seiner Weltraumfirma SpaceX. Er muss Kredite mit Aktien absichern.

Dabei wird er eine Plattform besitzen, die ihr Gewicht für Politik und Medien nie in ein so lukratives Geschäft wie etwa bei Facebook ummünzen konnte. So machte Twitter im gesamten vergangenen Jahr gut fünf Milliarden Dollar Umsatz - und schrieb unterm Strich einen Verlust von 221,4 Millionen Dollar. Zu Musks Ideen für Twitter gehört, dass ein Abo-Modell die Unabhängigkeit von großen Konzernen besser absichere als das heutige Werbegeschäft. Aber ob genug Nutzer bereit sind, für Twitter-Nutzung Geld zu bezahlen, ist zweifelhaft.

Eine Frage ist auch, wie Musks Geschäftsinteressen mit denen von Twitter kollidieren könnten. So ist China ein wichtiger Markt für Tesla - und nicht gerade als Hochburg der Redefreiheit bekannt. Amazon-Gründer Jeff Bezos - zweitreichster Mann der Welt, Besitzer der "Washington Post" und Musks Weltraum-Rivale - warf entsprechend die Frage auf, ob China gerade mehr Einfluss auf Twitter gewonnen habe. Er selbst glaube zwar nicht daran, schränkte Bezos ein. Aber die Lage für Tesla in China werde schwieriger.

Wall Street Journal: Musk sticht in ein Wespennest

Die wahrscheinliche Twitter-Übernahme durch den Milliardär Elon Musk kommentiert das "Wall Street Journal":

"Was für ein Wagnis für Musk, der sagt, er könne in Twitter Wert freisetzen, den die derzeitige Führung nicht (freisetzen) kann. (...) Wenn Musk ein zufriedenstellenderes Gleichgewicht bei der Moderation von Inhalten finden kann, hat er vielleicht Recht mit dem versteckten Wert von Twitter. (...) Das Zurückdrehen des Moderationsreglers um einige Stufen könnte ein breiteres Engagement fördern, aber stellen Sie sich darauf ein, dass Progressive aufschreien werden.

Ein Anfang könnte sein, mit dem zu brechen, was wie eine Monokultur in der Twitter-Zentrale in San Francisco aussieht. Vielleicht wird Musk das Unternehmen nach Texas verlegen, wie er es mit Tesla getan hat. Wie viele Twitter-Programmierer waren schon einmal bei einem Rodeo? Musk könnte auch funktionale Änderungen im Sinn haben, wie zum Beispiel längere Tweets. (...) Merkt Musk, dass er in ein Wespennest sticht? Wird seine Vision funktionieren? Wer weiß. Aber es wird faszinierend sein zu beobachten, wie Musk versucht, die Kultur der progressiven Konformität im Silicon Valley zu durchbrechen."

EU-Kommissar Breton unbeeindruckt von Musks Twitter-Übernahme

Die angekündigte Twitter-Übernahme durch Tech-Milliardär Elon Musk ist für EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton kein Grund zur Sorge. "Jedes Unternehmen muss in der Europäischen Union Regeln erfüllen, so einfach ist das", sagte der Franzose am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. Er verwies explizit auf das gerade erst beschlossene Gesetz über Digitale Dienste (DSA), das eine strengere Aufsicht von Online-Plattformen vorsieht. Wer sich an diese Regeln nicht halte, dem drohten Strafen von bis zu sechs Prozent des weltweiten Jahresumsatzes. Probleme bei der Durchsetzung sehe er auch dann nicht, wenn Twitter einzig und allein in Musks Hand liege, sagte Breton.

Sobald der DSA angewendet werde, müssten die Online-Plattformen bestimmte Regeln erfüllen - je größer die Plattform, desto mehr Verpflichtungen. Plattformen mit mehr als 45 Millionen Nutzern müssten beispielsweise deutlich mehr Content-Moderatoren einstellen, und zwar in allen EU-Sprachen. Auch müssten sie unverzüglich handeln, wenn illegale Inhalte auf ihren Seiten sind. "Die Plattformen haben die Pflicht, uns zu sagen, wie viel Nutzer sie haben. Und wir haben Möglichkeiten, das zu kontrollieren", sagte Breton.

Es sei die Verantwortung der Politik, den digitalen Raum zu regeln. "Der Informationsraum gehört keinem privaten Unternehmen." Musk kenne Europa sehr gut, weil er mit Tesla ein wichtiger Akteur in der Autobranche sei.

Er sei auch für den Fall nicht in Sorge, dass Musk den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump zurück auf Twitter lassen könnte. Er halte es vielmehr für problematisch, wenn eine einzige Person darüber entscheiden könne, Nutzer auszuschließen. Solche Entscheidungen müssten künftig von einem größeren Gremium getroffen werden.

Deutsche Bank hebt Twitter-Ziel auf 54,20 Dollar - 'Hold'

Deutsche Bank Research hat das Kursziel für Twitter von 35 auf 54,20 US-Dollar in Höhe des Übernahmeangebots von Elon Musk angehoben. Die Einstufung ließ Analyst Benjamin Black in einer am Dienstag vorliegenden Studie auf "Hold". Der Experte ist sich ziemlich sicher, dass der Vorstoß des Tesla-Chefs erfolgreich sein wird. Musk sei höchst kreativ und schlage auch ungewöhnliche Wege ein. Black ist entsprechend gespannt auf die genauen Pläne des Milliardärs.

Die Twitter-Aktie schloss am Montag in New York bei 51,88 US-Dollar (+5,62 Prozent). Am Dienstag notierte sie im vorbörslichen Handel noch fester, im regulären Handel ging es dann aber letztlich um 3,91 Prozent abwärts auf 49,68 US-Dollar.

SAN FRANCISCO / NEW YORK / BRÜSSEL / FRANKFURT (dpa-AFX)

Weitere Links:


Bildquelle: Anthony Correia / Shutterstock.com,Quka / Shutterstock.com

Analysen zu Twittermehr Analysen

Eintrag hinzufügen
Hinweis: Sie möchten dieses Wertpapier günstig handeln? Sparen Sie sich unnötige Gebühren! Bei finanzen.net Brokerage handeln Sie Ihre Wertpapiere für nur 5 Euro Orderprovision* pro Trade? Hier informieren!
Es ist ein Fehler aufgetreten!

Aktien in diesem Artikel

Tesla 323,20 0,20% Tesla