Starke Aufzugssparte |
08.08.2019 11:58:00
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thyssenkrupp-Aktie zieht an: thyssenkrupp reduziert Quartalsverlust
Der bereinigte operative Gewinn (EBIT) sank um gut 100 auf 226 Millionen Euro, wie aus dem aktuellen Zwischenbericht hervorgeht. Unter dem Strich stand sogar ein Fehlbetrag, der mit 94 Millionen Euro allerdings um 38 Millionen geringer ausfiel als vor Jahresfrist. Getragen wurde das operative Ergebnis quasi vollständig von der Aufzugssparte, die der Konzern bekanntlich an die Börse bringen will. Ohne die Sparte Elevator Technology, die ein bereinigtes EBIT von 239 Millionen Euro verbuchte, wäre thyssenkrupp schon auf operativer Ebene in die Verlustzone gerutscht.
Gewinne lieferten zwar noch das Geschäft mit Autokomponenten und der Werkstoffhandel, in beiden Fällen jedoch erheblich weniger als vor Jahresfrist. Im Anlagengeschäft gelang es immerhin, den Verlust zu halbieren, das Kerngeschäft Stahl und der Marineschiffbau verzeichneten jeweils ausgeglichene Ergebnisse.
"Mit der Geschäftsentwicklung in den ersten neun Monaten können wir insgesamt nicht zufrieden sein", sagte Vorstandschef Guido Kerkhoff. Zwar sei die Umsatzentwicklung in den Industriegütergeschäften trotz Gegenwind positiv gewesen, trotzdem habe man die Folgen der schwachen Autokonjunktur und den Anstieg der Erzpreise damit nicht ausgleichen können.
Kerkhoff unterzieht den kriselnden Konzern derzeit einem kompletten Umbau. Alle Konzernbereiche werden restrukturiert, insgesamt 6.000 Stellen sollen abgebaut werden, davon 2.000 im Stahlbereich. Mit einer neuen Organisationsstruktur will er den Konzern schlanker und schlagkräftiger machen. Anfang kommenden Jahres soll sie stehen. Die Kosten für die zentrale Verwaltung will Kerkhoff binnen zwei Jahren auf unter 200 Millionen Euro senken. Vor einem Jahr lagen sie noch bei 380 Millionen Euro. Hier ist thyssenkrupp aber anscheinend auf gutem Weg. Nach neun Monaten summierten sich die Kosten für die Konzernzentrale noch auf 219 Millionen Euro.
thyssenkrupp senkt wie erwartet die Prognose
thyssenkrupp hat nach einem erneuten Gewinneinbruch im dritten Quartal wie erwartet die Prognose für das noch bis September laufende Geschäftsjahr gesenkt. Vor allem die Geschäfte mit Autokomponenten und Werkstoffen laufen derzeit deutlich schlechter. Bereinigt um Sondereffekte erwartet das Industrie- und Stahlunternehmen deshalb laut einer Mitteilung einen operativen Gewinn (EBIT) von rund 800 Millionen Euro, 200 bis 300 Millionen Euro weniger als bislang prognostiziert und mehr als 40 Prozent weniger als noch vor Jahresfrist.
Marktbeobachter hatten weithin mit einer solchen Korrektur gerechnet. Laut Vara Research lag der Konsens von 14 Analysten für das bereinigte EBIT zuletzt bei 889 Millionen Euro. Unter dem Strich bleibt es bei der Prognose eines Jahresverlusts, den das Unternehmen aber nicht näher spezifiziert. Wegen der erhöhten Mittelbindung in den Bereichen Stahl und Werkstoffhandel fällt auch der Freie Cashflow vor Zu- und Verkäufen schwächer aus als gedacht. Die Mittelabflüsse summieren sich nicht nur zu einem hohen dreistelligen Millionenbetrag, sondern überschreiten die Milliardengrenze.
Drei kleinere Geschäftsbereiche auf den Prüfstand
Neben der Aufzugssparte könnten bei thyssenkrupp auch drei kleinere Geschäftsbereiche mit gut 1,2 Milliarden Euro Jahresumsatz unter den Hammer kommen. Das ist das Ergebnis einer ersten Überprüfung des Konzernportfolios, die der Stahl- und Industriekonzern im Mai bei Vorstellung seiner neuen Strategie angekündigt hatte.
Feder und Stabilisatoren für Autos, der Anlagenbau für die Autoindustrie und Grobbleche, die in der Bauindustrie oder im Schiffbau zum Einsatz kommen, sind aus Sicht des Vorstandes "trotz intensiver Anstrengungen derzeit nicht wettbewerbsfähig" und sollen nun von Sanierungsexperten daraufhin geprüft werden, ob eine Restrukturierung möglich ist.
Vorstandschef Guido Kerkhoff schließt auch einen Verkauf nicht aus: "Dass Geschäfte ohne klare Perspektive dauerhaft Geld verbrennen und damit Wert vernichten, den andere Bereiche erwirtschaftet haben, wird es jedenfalls in Zukunft nicht mehr geben." Die Bereiche stünden für 4 Prozent des Konzernumsatzes, aber für ein Viertel der Mittelabflüsse im laufenden Jahr.
Kern der neuen Strategie ist ein Teilbörsengang der Aufzugssparte Elevator Technology, mit dessen Erlösen thyssenkrupp seine Kapitalbasis so verbessern will, dass es für eine Weiterentwicklung der Geschäfte wieder finanziellen Spielraum gibt. Bis Ende September soll die Sparte verselbstständigt sein, damit im kommenden Geschäftsjahr ein Gang an die Börse möglich ist. Dabei würde der Mutterkonzern zunächst die Mehrheit behalten. Allerdings gibt es auch "deutliches Interesse von Investoren" an diesem profitablen Filetstück aus dem Industriegeschäft des Konzerns, wie Kerkhoff deutlich machte.
Diese Interessensbekundungen würden derzeit geprüft. Namen nannte er allerdings nicht. Früheren Berichten nach soll auch der finnische Wettbewerber Kone darunter sein. Für den Stahlbereich, dessen Fusion mit dem Europageschäft der indischen Tata Steel am Veto der EU-Kommission gescheitert war, wird derzeit ein Zukunftskonzept erarbeitet, dass den strukturellen Problemen der von Überkapazitäten geprägten europäischen Stahlindustrie gerecht wird. Zum Jahresende will der Konzern bei allen genannten Projekten Antworten liefern.
thyssenkrupp-CEO sieht sich weiter vom Aufsichtsrat unterstützt
Auch nach dem jüngsten Strategiewechsel und trotz der schwachen Ergebniskennziffern ist sich thyssenkrupp-Chef Guido Kerkhoff der Rückendeckung durch den Aufsichtsrat sicher. "Ja, da gibt es nichts Neues", sagte er in einer Telefonkonferenz mit Journalisten auf Nachfrage. Bei der Strategie und allen nötigen Restrukturierungsmaßnahmen habe der Aufsichtsrat den Vorstand sowohl im vergangenen Jahr als auch im Mai "komplett begleitet und das insofern auch klar unterstützt".
Daran habe sich nichts geändert, so Kerkhoff. In einem Bericht von Bloomberg hatte es kürzlich geheißen, einzelne Aufsichtsratsmitglieder hätten informell über eine Ablösung von Kerkhoff gesprochen. Es gebe Frust über die schlechten Zahlen.
thyssenkrupp musste bei Vorlage der Neunmonatsbilanz seine Jahresprognose nach unten korrigieren. Dies sei "ausschließlich auf die externen Faktoren Auto und Stahl zurückzuführen" und kein Performance-Problem im Unternehmen, sagte Kerkhoff in der Telefonkonferenz. Im Gegenteil: Auftragseingang und Umsatz hätten in den Industriegütergeschäften zuletzt trotz Gegenwind nach oben gezeigt.
thyssenkrupp-Aktie profitiert von Umbauplänen
Die besonders leidgeprüften Aktionäre von thyssenkrupp haben am Donnerstag einen Hauch von Erleichterung gespürt. Die Umbaupläne des Industriekonzerns fielen am Aktienmarkt auf fruchtbaren Boden, so dass sich die Papiere mit einem Plus von 2,62 Prozent auf 10,785 Euro den ersten Platz im DAX sicherten. Mit dem seit Anfang Januar aufgehäuften Minus von rund 28 Prozent bleiben die Anteilsscheine aber das Jahres-Schlusslicht im deutsche Leitindex. Das Börsenbarometer hat in diesem Zeitraum gut 11 Prozent gewonnen.
thyssenkrupp treibt seinen Umbau voran, mit dem der Konzern profitabler und wettbewerbsfähiger werden will. Dabei stellen die Essener weitere Geschäfte auf den Prüfstand, die derzeit Geld verbrennen. Auf der Liste steht unter anderem das Geschäft mit Federn und Stabilisatoren für die Automobilindustrie sowie mit Grobblechen.
Damit nehme die Umstrukturierung von thyssenkrupp Fahrt auf, schrieb Analyst Christian Obst von der Baader Bank. Gleichwohl lege die Verschlechterung des wirtschaftlichen Umfeldes die Schwäche der Konzernstruktur offen, zumal einige Sparten Verluste schrieben. Obst gab zu bedenken, dass die Verkaufspreise für stark vom Konjunkturzyklus abhängige Geschäftsbereiche, die sich unterdurchschnittlich entwickelten, aktuell sehr niedrig seien.
Mit dem geplanten Börsengang der Aufzugssparte aber scheine Thyssenkrupp auf gutem Weg zu sein, fuhr Obst fort. Dies ist der wertvollste Teil des Konzerns. Nach dem Geschäftsbereich sollen früheren Medienberichten zufolge sowohl Konkurrenten als auch Finanzinvestoren ihre Fühler ausgestreckt haben.
In den Hintergrund geriet derweil, dass thyssenkrupp nach einem schwachen Quartal seine Prognose für das laufende Geschäftsjahr gesenkt hatte. "Es war jedermanns Geheimnis, dass das Leben für den Konzern bereits hart geworden ist", sagte ein Händler. Nun aber fingen die Harten erst an zu leben, fuhr der Börsianer in Anspielung auf den berühmten Hit von Billy Ocean fort. Die Anleger versuchten insofern, erst einmal nach vorn zu schauen und die Vergangenheit hinter sich zu lassen.
Probleme bereitet thyssenkrupp derzeit unter anderem das Stahlgeschäft. Dieses schnitt im dritten Geschäftsquartal besonders schwach ab und leidet unter Überkapazitäten, Preisdruck und hohen Rohstoffkosten.
Insofern zeigen Aktionäre den Papieren von thyssenkrupp bislang noch die kalte Schulter. Erst zur Wochenmitte hatten die Anteilsscheine mit 10,34 Euro ein weiteres Tief seit Sommer 2003 erreicht.
Angesichts der jahrelangen Kursverluste könnten die Tage des Stahl- und Industriekonzerns im DAX bald gezählt sein. thyssenkrupp bräuchte schon eine deutliche Kurserholung, um den DAX-Platz am Ende doch noch zu verteidigen, schrieb Analyst Uwe Streich von der Landesbank Baden-Württemberg unlängst.
FRANKFURT (Dow Jones) / (dpa-AFX Broker)
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