18.12.2016 23:33:56

Schwäbische Zeitung: Auf einem gefährlichen Weg - Leitartikel zu Weihnachtsverbot

Ravensburg (ots) - Die Situation stellt sich noch unklar dar. Wurde Weihnachten nun komplett aus der Istanbuler Eliteschule Lisesi verbannt? Oder wurden die deutschen Lehrer aufgefordert, sensibler - was immer das heißen soll - mit dem Thema umzugehen? Soviel steht aber fest: Dass die Schüler des Istanbul Lisesi in der Vergangenheit an ihrer traditionsreichen Schule so viel über das Weihnachtsfest erfuhren, fußte auf dem Kulturabkommen zwischen Berlin und Ankara. Interkultureller Austausch, so das Ziel des Abkommens, sollte die Verständigung zwischen Deutschland und der Türkei fördern. Und auch dies ist sicher: Dass nun das Thema Weihnachten aus dem Unterricht an der Istanbuler Schule verbannt wurde respektive dass es jedenfalls Diskussionen über die Vermittlung deutscher Weihnachtsbräuche gab, sagt viel über den Weg aus, auf den der türkische Präsident Erdogan sein Land geführt hat.

Das ist gefährlich

Erdogans Türkei fühlt sich mittlerweile an vieles nicht mehr gebunden, was in der Vergangenheit Grundlage der zwischenstaatlichen Verständigung war, die irgendwann einmal in den Beitritt der Türkei zur Europäischen Union münden sollte. Nun besteht anscheinend auch kein großes Interesse mehr daran, darauf hinzuwirken, dem eigenen Volk - so steht es im Zusatzvertrag des Kulturabkommens - "die Kenntnis der Kulturgüter des anderen Landes zu vermitteln". Das ist problematischer, als es vielleicht zunächst scheinen mag: Denn das mehr oder weniger offensive Desinteresse am Kulturgut Anderer und vor allem der zunehmende Argwohn, mit dem andere Traditionen, Bräuche und Riten beäugt werden, bereiten den Boden für Abgrenzung und Ausgrenzung. In einem solchen Klima können Dialog und Austausch nicht gedeihen. In einem solchen Klima wuchern vielmehr Egoismus und Konfrontation.

Und das ist gefährlich. Übrigens nicht nur in der Türkei, sondern auch bei uns in Deutschland, wo in manchen Kreisen heute bekanntlich Abgrenzung, Ausgrenzung und Argwohn auch wieder für erstrebenswerte politisch-gesellschaftliche Kategorien gehalten werden.

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