"Modernisierungsschub" |
04.06.2020 15:24:00
|
Deutschland: Riesiges Konjunkturpaket: Kinderbonus und Mehrwertsteuer-Senkung
Das Konjunkturpaket soll für 2020 und 2021 einen Umfang von 130 Milliarden Euro haben. 120 Milliarden entfallen dabei auf den Bund, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mittwochabend in Berlin sagte. Damit sollen Wirtschaft und Konsum der Bürger wieder angekurbelt werden. Infolge der Corona-Krise wird die bisher schwerste Rezession der deutschen Nachkriegsgeschichte erwartet.
Merkel sprach von einem guten Ergebnis. Es gehe darum, die schwerste wirtschaftliche Krise in den Griff zu bekommen. Diese zeige sich an den mehr als sieben Millionen Kurzarbeitern. Das alles brauche eine mutige Antwort. Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) fasste es mit den Worten zusammen: "Wir wollen mit Wumms aus der Krise kommen."
CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer lobte das Konjunkturpaket der Koalition als Investition in Zukunftsfähigkeit, Aufschwung und Optimismus. "Mit diesem Kraftpaket werden wir unserer großen Verantwortung für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes gerecht", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. "Wir investieren in den Aufschwung und schaffen Optimismus in allen Bereichen." Möglichst viele Menschen sollten gut durch die Corona-Krise kommen.
Fast die Hälfte der 130 Milliarden Euro für das Paket fließt nach den Worten von Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) in Zukunftsbereiche wie die Wasserstoffwirtschaft, Quantentechnologien oder Künstliche Intelligenz. Karliczek sagte der dpa, ein so "kraftvolles Zukunftspaket" habe es noch nie gegeben.
Nach den kurzfristigen Hilfen in der Corona-Krise - etwa durch Sonderkredit-Programme über die Staatsbank KfW - reichen die geplanten Konjunkturhilfen zum Teil weit über die derzeitige Legislaturperiode hinaus. 60 bis 70 Vorschläge lagen zu Beginn auf dem Tisch. Klar war, dass nicht alle Wünsche finanzierbar sein würden, zumal die Steuereinnahmen wegen der Corona-Krise sinken und die Arbeitslosigkeit wieder zunimmt.
Zur Deckung der Ausgaben muss der Bund neue Schulden aufnehmen. Finanzminister Scholz sprach von einem Nachtragshaushalt, ohne den Umfang zu nennen. Dies führt nach den Worten von CSU-Chef Markus Söder keineswegs zu einer Überschuldung des Landes und auch nicht dazu, dass das Land handlungsunfähig oder die nächste Generation überlastet würde. Das Paket habe auch etwas mit Psychologie zu tun, mit Optimismus.
Nachdem sie bereits am Dienstag neun Stunden verhandelten, saßen die Spitzen von CDU, CSU und SPD am Mittwoch erneut rund zwölf Stunden zusammen. Die Koalitionäre zogen sich mehrmals zu separaten Beratungen zurück. Nach den Worten des SPD-Vorsitzenden Norbert Walter-Borjans gab es eine große inhaltliche Übereinstimmung in den großen Linien, aber viel Bedarf, in Details miteinander zu ringen.
DIE KERNPUNKTE DER EINIGUNG:
Ein "Herzstück" des Paketes ist nach den Worten des CSU-Vorsitzenden Markus Söder eine Senkung der Mehrwertsteuer. Vom 1. Juli an bis zum 31. Dezember 2020 soll der Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent auf 16 Prozent und für den ermäßigten Satz von 7 Prozent auf 5 Prozent gesenkt werden, wie aus einem Beschlusspapier hervorgeht.
Dagegen entschieden sich die Spitzen der großen Koalition gegen eine Kaufprämie für abgasarme Benziner und Dieselautos. Sie beschlossen allerdings deutlich höhere Prämien für Elektroautos. Vor allem die SPD hatte sich vehement gegen Prämien für Benziner und Diesel gestemmt. Söder aus dem Autobauerland Bayern sagte nun, mit der Senkung der Mehrwertsteuer für alle Motoren und Klassen und Preiskategorien könnten nicht nur die Hersteller, sondern auch die Gewerkschaften gut leben.
Bei den Stromkosten sollen die Bürger entlastet werden. Dafür soll die EEG-Umlage zur Förderung von Ökostrom-Anlagen ab 2021 über Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt abgesenkt werden, wie aus einem Beschlusspapier hervorgeht.
Die Spitzen von Union und SPD einigten sich auch auf einen Kinderbonus von einmalig 300 Euro pro Kind, der mit dem Kindergeld ausgezahlt werden soll. Zudem sollen die Kitas weiter ausgebaut werden.
Die finanziell schwer getroffenen Kommunen bekommen ebenfalls Milliardenhilfen vom Bund. Damit sollen Ausfälle bei den Gewerbesteuereinnahmen für 2020 und 2021 von Bund und Ländern zusammen ausgeglichen werden. Walter-Borjans sagte, die enorme Entlastung werde die Kommunen investitionsfähig machen. Zudem will der Bund weitere Kosten für Unterkünfte übernehmen.
Die Bahn soll vom Bund wegen Einnahmeausfällen in der Corona-Krise Milliarden-Hilfen bekommen. Demnach sollen zur Aufstockung des Eigenkapitals weitere fünf Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden. Geplant sind außerdem Hilfen von 2,5 Milliarden Euro für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV).
Die Koalitionsspitzen einigten sich auch auf eine zusätzliche Unterstützung in Milliardenhöhe für Branchen, die von der Corona-Krise besonders belastet sind. Geplant sind "Überbrückungshilfen" im Umfang von maximal 25 Milliarden Euro, wie aus einem Beschlusspapier hervorgeht. Damit soll eine Pleitewelle bei kleinen und mittleren Firmen verhindert werden.
Außerdem soll es steuerliche Entlastungen geben, damit die Liquidität von Firmen gesichert wird und diese Spielräume für Investitionen haben. Die Koalition will außerdem mehr Geld ausgeben etwa für die Künstliche Intelligenz sowie für den Ausbau des neuen superschnellen Mobilfunkstandards 5G. Der digitale Wandel soll auch in der öffentlichen Verwaltung vorangebracht werden.
Ziel der Koalitionspartner sei es, Deutschland schnell wieder auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zu führen, der Arbeitsplätze und Wohlstand sichere, heißt es in einem Papier.
Die schwarz-rote Koalition will auch Deutschlands Wäldern und der Holzwirtschaft helfen, mit 700 Millionen Euro zusätzlich. Das Geld solle für die Aufforstung, den Erhalt und die nachhaltige Bewirtschaftung von Wäldern bereitgestellt werden. Nach zwei Dürrejahren habe auch 2020 trocken begonnen, die Holzpreise seien - auch wegen der Corona-Pandemie - stark gesunken. Vergangenen Herbst hatten Bundesregierung und Länder bereits 800 Millionen Euro Nothilfen für Wälder angekündigt.
DIE REAKTIONEN:
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund begrüßte das Konjunkturpaket. Es gebe den Kommunen den notwendigen Spielraum, um in diesem und im kommenden Jahr notwendige Investitionen auf den Weg zu bringen, sagte der Hauptgeschäftsführer des Gemeindebunds, Gerd Landsberg, der "Rheinischen Post" (Donnerstag).
Der Präsident des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft, Mario Ohoven, sagte, gut seien Liquiditätshilfen für kleine und mittlere Firmen sowie steuerliche Erleichterungen für Investitionen. Die Bundesregierung versäume es aber, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen nachhaltig zu stärken, etwa mit einer Unternehmensteuerreform. Der Zentrale Immobilien Ausschuss ZIA begrüßte die Senkung der Mehrwertsteuer. Dies sei eine gute Nachricht für viele Millionen Beschäftigte und ein wichtiger Schritt zur Rettung der Innenstädte, so ZIA-Präsident Andreas Mattner.
Die Opposition sah Licht und Schatten. Der Linke-Energiepolitiker Lorenz Gösta Beutin sagte, es sei ein Erfolg der Klimabewegung, dass die Koalition keine klimaschädliche Abwrackprämie für Verbrennungsmotoren beschlossen habe. Es fehle aber ein echter ökologischer Neustart. FDP-Fraktionsvize Michael Theurer sagte, das Konjunkturpaket enthalte wichtige Aspekte wie die temporäre Senkung der Mehrwertsteuer. Insgesamt aber handle es sich um sehr teure Vorschläge, dies belaste nachfolgende Generationen.
Zustimmung kam aus der Wirtschaft und von Ökonomen. Der Präsident des Ifo-Instituts, Clemens Fuest, lobte das Paket als durchdacht und ausgewogen. Es werde die Rezession sicherlich dämpfen, sagte er im Deutschlandfunk. Arbeitgeberpräsident Kramer sagte, die Regierung habe der Versuchung widerstanden, Einzelinteressen nach vorne zu stellen.
Ein "Herzstück" des Paketes ist nach den Worten Söders eine Senkung der Mehrwertsteuer. Von Juli an bis Ende 2020 soll der Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent auf 16 Prozent und der ermäßigte Satz von 7 Prozent auf 5 Prozent gesenkt werden. Söder sagte am Donnerstag, falls es Corona-Rückschläge im Herbst gebe oder sich die Wirtschaft nicht erhole, könne es sein, dass man die Mehrwertsteuerregelung verlängern müsse.
Die Koalition entschied sich gegen eine Kaufprämie für abgasarme Benziner und Dieselautos, die die Branche und die "Auto-Länder" Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen gefordert hatten. Das begrüßten Umweltschützer und auch Grünen-Chefin Annalena Baerbock am Donnerstag. Stattdessen soll es nur eine deutlich höhere Prämie für Elektroautos geben - auch für Hybride, die sowohl elektrisch als auch mit Sprit fahren können, was Umweltschützer kritisch sehen.
/rm/bk/had/tam/hoe/DP/zb
BERLIN (dpa-AFX)
Wenn Sie mehr über das Thema Aktien erfahren wollen, finden Sie in unserem Ratgeber viele interessante Artikel dazu!
Jetzt informieren!
Weitere Links: