11.08.2022 20:30:38
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OTS: Börsen-Zeitung / Boom and Bust, Kommentar zu Siemens von Michael Flämig
Boom and Bust, Kommentar zu Siemens von Michael Flämig
München (ots) - Viele Vorstände gehen in diesen Monaten in Deckung. Sie
verstecken sich aber weder vor einem Shitstorm wegen Entlassungen noch wegen
gesenkter Prognosen vor wütenden Aktionären. Sie ducken sich vielmehr vor ihren
Kunden weg. Denn die eigentlich umworbene Klientel bombardiert reihenweise
Unternehmen derart mit Aufträgen, dass es manchmal eher an Attacken als an
geordnete Bestellungen erinnert. Der Ansturm mag im Normalfall hochwillkommen
sein. Doch manchem Manager wird der Boom unheimlich. Denn der große Knall
scheint programmiert angesichts der Nachfrage-Orgie. Folgt der Bust?
Siemens steht pars pro toto für wichtige Teile der Wirtschaft. Der
Auftragsbestand hat mit 99 Mrd. Euro einen Rekordwert erreicht. Sogar
Kurzzykliker, die sonst gleich nach Ordervergabe gefertigt werden, müssen auf
Slots für die Produktion warten. Allerorten wird der Boom bestätigt. Firmen wie
Krones als Hersteller von Getränkeabfüllanlagen sehen es als eine zentrale
Herausforderung, akzeptable Lieferzeiten zu bieten.
Klar: Fehlende Komponenten lassen häufig die Fabrikauslastung zurückgehen, auch
dies führt zu anschwellenden Auftragsbüchern. Aber letztlich ist dies nur die
halbe Geschichte. Die andere Hälfte besteht aus einer Nachfrage ohnegleichen.
Ob die expansive Geldpolitik oder Vorzieheffekte wegen steigender Preise den
Ansturm verursachen, das ist letztlich egal. Manager müssen tun, wofür sie da
sind: die Sache managen. Gut beraten ist, wer sich Vorauszahlungen geben lässt,
die den Kunden zumindest etwas an seine Order binden, wenn der Wind sich dreht.
Und - EZB, aufgepasst: Natürlich ist es die richtige Zeit, die Preise für die
eigenen Produkte hochzusetzen. Der Markt gibt dies in dem Hyperboom her. Wieder
einmal das Beispiel Siemens: Der Konzern kann nach eigenem Bekunden in diesem
Geschäftsjahr seine Absatzpreise stärker erhöhen, als die Einkaufskosten
steigen.
Auf den Boom folgt der Bust, keine Frage. Wer in der Finanzkrise in entleerte
Excel-Sheets für die Order geblickt hat, der weiß, wie abrupt sich die Lage
ändern kann. Sofern die Energieversorgung nicht zusammenbricht, ist ein derart
schockartiger Rückzug jedoch im Jahr 2022 unwahrscheinlich, zumindest für jene
Firmen, die ihre Produkte eng mit den Bedürfnissen der Kunden verzahnt haben.
Zusätzlich ist der - wegen langer Lieferzeiten - aufgestaute Ersatzbedarf der
Kunden enorm.
Es gilt: Unternehmen, die unverzichtbar geworden sind, stehen auf der sicheren
Seite. Alle anderen müssen zittern.
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