Fluch der Vergangenheit 15.05.2013 10:45:31

ThyssenKrupp schreibt noch mehr auf amerikanische Stahlwerke ab

Das Unternehmen plant zudem mit dem Risiko möglicher weiterer Strafen und Schadensersatzzahlungen wegen seiner Beteiligung an einem Kartell auf dem Schienenmarkt. Die Ergebnisse der Zukunft will ThyssenKrupp derweil mit einem Sparprogramm retten, dessen Auswirkungen sich nun konkretisieren: 3.000 Stellen sollen allein in der Verwaltung wegfallen.

Einstweilen aber muss ThyssenKrupp weitere Verluste ausweisen. Hauptverantwortlich dafür ist der wohl teuerste Fehlschlag in der Konzerngeschichte: ThyssenKrupps Stahlwerke im US-Bundesstaat Alabama und in Brasilien kosten das Unternehmen immer mehr. Nach der aktuellen Wertkorrektur stehen sie nur noch mit etwa 3,4 Milliarden Euro in den Büchern - verschwindend wenig angesichts Ausgaben für die Produktionsstätten von bislang mehr als 12 Milliarden Euro.

Händler und Analysten sehen in den Abschreibungen dennoch das Gute: Sie glauben an einen schnellen Verkauf der Amerika-Werke. Heino Ruland von Ruland Research etwa sagte, die Abschreibung deute darauf hin, dass ThyssenKrupp einen Käufer gefunden habe. Stefan Freudenreich von Equinet schrieb in einer Analyse, der neue Buchwert könne auf positive Überraschungen im Verkaufsprozess hindeuten. Einige Experten nämlich hatten mit noch höheren Wertkorrekturen gerechnet. Als aussichtsreichste Bieter hatten mit den Verhandlungen vertraute Personen jüngst das brasilianische Stahlunternehmen CSN bezeichnet. Der Konzern soll den Informationen zufolge etwas mehr als 3 Milliarden US-Dollar für beide Werke geboten haben - also viel weniger als der frühere Buchwert von 3,9 Milliarden Euro. Auch über eine Kapitalerhöhung bei ThyssenKrupp war deshalb spekuliert worden.

Der Kurs der ThyssenKrupp-Aktie stieg nach der Veröffentlichung der Quartalszahlen jedenfalls um zeitweise mehr als 4,5 Prozent - und das, obwohl die Abschreibung auf das Amerika-Geschäft den Nettoverlust des Konzerns noch einmal deutlich erhöhte: Zwischen Januar und März verbuchte ThyssenKrupp einen Fehlbetrag nach Steuern und Dritten von 656 Millionen Euro. Im Vorjahreszeitraum hatte der Verlust 587 Millionen Euro betragen. Auch das operative Ergebnisse verschlechterte sich: Vor Steuern und Zinsen (EBIT) sowie bereinigt um Sondereffekte verdiente ThyssenKrupp noch 241 Millionen Euro, nach 361 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum. Analysten hatten allerdings mit einer noch etwas drastischeren Verschlechterung auf rund 200 Millionen Euro gerechnet. Die operative Kennzahl fasst nur die Ergebnisse der fortgeführten Aktivitäten zusammen. Sie beinhaltet also nicht die Entwicklung der amerikanischen Stahlwerke.

Dabei ist noch nicht geklärt, wann sich ThyssenKrupp von dem Amerika-Geschäft trennen kann. Vorstandschef Heinrich Hiesinger erklärte laut einer Mitteilung nur, der Verkaufsprozess laufe nach Plan. "Wir konzentrieren uns unverändert darauf, ein Signing zeitnah zu erreichen", zitierte ihn der Konzern bei der Vorlage der Quartalszahlen. Bislang hatte ThyssenKrupp einen Abschluss des Verkaufs bis zum Ende des laufenden Geschäftsjahres in Aussicht gestellt.

Der Quartalsbericht ruft zudem ein weiteres Problemfeld des Konzerns in Erinnerung: Wie aus dem Abschluss hervorgeht, stellte ThyssenKrupp weitere 207 Millionen Euro wegen seiner Beteiligung an illegalen Preisabsprachen auf dem Schienenmarkt zurück. Das Unternehmen hatte wegen des Kartellfalls schon ein Bußgeld in Höhe von 103 Millionen Euro zahlen müssen. Die Ermittlungen sind aber nicht vollständig abgeschlossen. Das Bundeskartellamt untersucht noch, inwieweit die Preisabsprachen auch Aufträge von zum Beispiel kommunalen Unternehmen betroffen haben. Bislang gilt in erster Linie die Deutsche Bahn als Opfer der Kartellanten. Sie schätzt ihren Schadensersatzanspruch gegenüber den Beteiligten nach Angaben von ThyssenKrupp auf 550 Millionen Euro zuzüglich 300 Millionen Euro Zinsen.

Das Bundeskartellamt geht zudem einem Anfangsverdacht nach, demzufolge ThyssenKrupp-Mitarbeiter und Verantwortliche anderer Unternehmen die Preise von Stahlprodukten für die Automobilindustrie abgesprochen haben sollen. Die Vorwürfe reichen zurück bis zum Jahr 1998, wie ThyssenKrupp nun mitteilte. Der Konzern hat eine interne Untersuchung eingeleitet.

Aller Schwierigkeiten zum Trotz glaubt der Stahl- und Technologiekonzern aber weiter an sein Ergebnisziel: ThyssenKrupp bekräftigte nun die eigene Prognose, nach der das Unternehmen mit den fortgeführten Aktivitäten ein operatives Ergebnis (bereinigtes EBIT) von rund 1 Milliarde Euro erwirtschaften will. Beim Umsatz ist der Konzern aber vorsichtiger als bislang: Er erwartet zwar, dass die Erlöse im zweiten Halbjahr über denen der ersten Jahreshälfte liegen. Im Gesamtjahr werde der Umsatz voraussichtlich aber "unter dem Niveau des Vorjahres" von 40,1 Milliarden Euro liegen, teilte ThyssenKrupp mit. Zuvor hatte das Unternehmen Erlöse auf dem Vorjahresniveau prognostiziert.

Im europäischen Stahlgeschäft leidet der Konzern wie viele Konkurrenten unter anhaltend niedrigen Preisen und Mengen. Für die nächsten Monate aber verbreitet ThyssenKrupp vorsichtigen Optimismus. Der Absatz und die durchschnittlichen Erlöse je Tonne dürften sich leicht verbessern, kündigte das Unternehmen in einer Analystenpräsentation an.

Zugleich aber konkretisierte ThyssenKrupp sein Sparprogramm: Teil der laufenden Restrukturierung sei der Abbau von weltweit rund 3.000 Stellen in der Verwaltung, teilte der Konzern mit. Erhebliche Stellenstreichungen in der Verwaltung waren erwartet worden. Sie sind nach den Worten eines ThyssenKrupp-Sprechers Teil des Sparprogramms "Impact", das die Kosten des Konzerns in den nächsten Jahren um rund 2 Milliarden Euro senken soll. Bislang beschäftigt ThyssenKrupp weltweit etwa 15.000 Menschen mit Verwaltungsaufgaben.

Etwas mehr als die Hälfte der 3.000 Stellen werde voraussichtlich in Deutschland wegfallen, sagte der Sprecher. Es dürfte demnach vor allem der Verwaltungsstandort Essen betroffen sein. Vom Umbau in den Büros verspricht sich ThyssenKrupp eine Kostensenkung um rund 250 Millionen Euro. Doch auch die europäische Stahlsparte soll einen wesentlichen Beitrag leisten. Bei ihr will ThyssenKrupp die Zahl der Stellen nach wie vor um bis zu 3.800 reduzieren - unter anderem durch den Verkauf von Teilen des Elektroband-Geschäfts.

   DJG/hev/kla/brb

   Dow Jones Newswires

Von Hendrik Varnholt

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