25.05.2015 22:27:38
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Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Rechtsruck bei Präsidentschaftswahl Polnische Fragen THOMAS SEIM
Bielefeld (ots) - Kaum ein Land in Europa wird so sehr von den
furchtbaren Phasen der eigenen Geschichte bestimmt wie die unseres
Nachbarlandes im Osten. Drei Mal teilten Russland, Preußen und
Österreich Polen unter sich auf. Und auch damit war es nicht genug:
Ob Wiener Kongress, Hitler-Stalin-Pakt oder die Westverschiebung nach
dem Zweiten Weltkrieg - immer haben sich die Polen als Opfer ihrer
Nachbarn gesehen, und oft genug sind sie es auch tatsächlich gewesen.
Man muss sich dies in Erinnerung rufen, um einen einigermaßen
verständnisvollen Blick auf die Wahlentscheidungen in Polen vom
Wochenende zu erhalten. Die EU ist der Garant des Wohlstands - aber
die Polen wählt einen Präsidenten, der auf nationalistische Ideen
setzt. Die EU ist die Garantiemacht für Polens Unabhängigkeit
gegenüber Rußland - aber die polnische Bevölkerung wählt einen
Präsidenten, der die nationale Identität gegen die EU-Partner betont,
mehr noch: Von Andrzej Duda dürfen die Polen einen Kurs ähnlich dem
des unagrischen Premiers Orban erwarten, der sich
national-konservativ von Europa abwendet. Was ist geschehen, dass
sich Polen mit seiner Präsidentenwahl abwendet von den
Partnerschaften, die ihm Zukunft garantieren? Vermutlich ist der
Rückfall aufs Nationale in seinen Ursachen vergleichbar mit dem
radikalen Linksruck bei den Kommunalwahlen in Spanien. Dort gründet
der Zulauf der Europakritiker auf einer unnachgiebigen Spar- und
Vorschriftspolitik der EU, der sich eine wachsende Zahl von Menschen
nicht mehr unterwerfen will. Vielleicht aber ist der polnische
Nationalismus auch nur begründet in dem Misstrauen gegen einen
europäischen Liberalismus, wie er sich im irischen Votum für das
Eherecht von Homosexuellen zeigt. Die Wahlergebnisse Polens und
Spaniens offenbaren - wie die von Briten und Griechen - eine
Legitimationskrise der EU. Es wird Zeit, die Technokraten in die
Schranken zu weisen und der politischen Idee der EU, die auf den
Werten der Aufklärung beruht, neue Dynamik zu geben. Wohl dem Land,
das eine Führung hat, die dieser Tradition nacheifern kann. Aktuell
ist sie kaum irgendwo zu erkennen.
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