KI-Euphorie nimmt ab |
07.08.2024 20:47:00
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Mega-Trends vorbei? Börsianer richten sich neu aus - die Gründe und die Folgen
• Schwächelnde US-Konjunktur sorgt für durchwachsene Berichtssaison
• NVIDIA-Aktie & Co. sinken: Erste KI-Euphorie verflogen?
Im ersten Halbjahr kannten die internationalen Indizes nur eine Richtung: steil nach oben. Besonders der US-Tech-Index NASDAQ 100 setzte zu einem monatelangen Höhenflug an. Die schwergewichteten Tech-Giganten wie NVIDIA oder auch Microsoft zogen auch den marktbreiten S&P 500 mit nach oben.
Ebenfalls in Europa gab es zahlreiche neue Rekordhochs. Der deutsche Leitindex DAX, das französische Börsenbarometer CAC 40 oder auch der EURO STOXX 50 - sie alle legten eine beeindruckende Rally hin.
Doch seit einigen Wochen schon kam es zu keinen neuen Höchstständen bei den meisten Indizes mehr. Viele Unternehmenspapiere zeigten zuletzt eine rückläufige Tendenz. Besonders die gefeierten KI-Aktien wie NVIDIA, Super Micro Computer oder Micro Technology haben zumindest einmal eine Verschnaufpause bei ihrem Lauf nach oben eingelegt. Was könnten die Gründe für die Depot-Umschichtungen der Marktteilnehmer sein?
Anleger zweifeln an der US-Konjunkturlage
An den Anleihe- und Devisenmärkten schichten immer mehr Investoren ihr Kapital um. Die wachsenden Zweifel an den Perspektiven der US-Wirtschaft haben Spekulationen entfacht, dass die Federal Reserve die Zinssätze schneller und stärker als geplant senken könnte. Diese Verschiebung wird durch schwächelnde amerikanische Verbraucherdaten unterstützt. Die Gewinnentwicklung einiger Unternehmen litt unter der zurückhaltenden Konsumstimmung in den USA - beispielhaft zu nennen sind hier die Zahlenvorlagen der Fast-Food-Kette McDonald's und des Einzelhandelsriesen Procter & Gamble.
Allgemein verläuft die Berichtssaison in den USA bislang eher durchwachsen. Bis Ende Juli hat fast ein Drittel der S&P 500-Unternehmen ihre Quartalsergebnisse vorgelegt, wobei sich eine Verlangsamung bei den Umsatzzahlen bemerkbar macht. Nur 43 Prozent der Unternehmen übertrafen laut "cash.ch" die Umsatzerwartungen, der niedrigste Wert seit fünf Jahren.
Konsumgüteraktien schwächeln seit Jahren
Zwar gehen weiterhin die meisten Experten und Anleger davon aus, dass der US-Wirtschaft eine "weiche Landung" (engl. soft landing) gelingen wird - trotz der wegen hoher Inflationszahlen im März 2022 eingeleiteten, offensiven Zinserhöhungen vonseiten der Fed. Dennoch scheint sich die Konjunkturlage der bislang als erstaunlich robust geltenden US-Wirtschaft zusehends einzutrüben - Grund genug für Anleger, Abstand von konsumabhängigen Aktien zu halten. Entsprechend befinden sich die Aktien wie jene von PepsiCo, Coca-Cola, Target, McDonald's oder auch Procter & Gamble unterhalb ihrer Kursniveaus von vor zwei Jahren.
"Rückabwicklung dummer Bewertungen" im vollen Gange?
Auch Kupfer und andere Industriemetalle mussten in den vergangenen Wochen Luft lassen und haben ihren jüngsten Aufwärtstrend umgekehrt. Die wirtschaftliche Abschwächung in China und die Bedenken hinsichtlich der US-Wirtschaft und der Technologiebranche tragen zu diesem Rückgang bei. Ein Bericht vom Donnerstag, der ein unerwartet starkes US-Wachstum im zweiten Quartal zeigte, konnte die Sorgen der Anleger nicht vollständig zerstreuen. Louis-Vincent Gave, CEO von Gavekal Research, sieht eine allgemeine Umkehrung der Börsentrends. "Es hat den Anschein, dass eine Rückabwicklung der beliebten Trades, die die Bewertungen auf dumme Niveaus gebracht haben, begonnen hat", zitiert ihn "cash.ch".
Anleihemärkte in Aufregung
Am Anleihemarkt verstärken die trüberen Wachstumsaussichten der Weltwirtschaft die Wetten auf Zinssenkungen. Anleger befürchten, dass die Geldpolitik zu restriktiv ist und die Globalkonjunktur zusehends erstickt. Deshalb greifen sie zu kurz laufenden Wertpapieren, um sich vor sinkenden Kreditkosten zu schützen. Kürzlich wurde die Rendite der zweijährigen US-Schatzanweisung nur noch zwölf Basispunkte über der zehnjährigen gehandelt. Dies markierte die geringste Differenz seit Mitte 2022.
Der Markt preist eine Zinssenkung der Fed auf ihrer Sitzung am 17./18. September fest ein. Bis Ende 2024 werden Senkungen um mehr als 60 Basispunkte erwartet. Diese Zinsanpassung stärkt unter anderem den in diesem Jahr bislang extrem schwachen Yen, der sich von einem Tiefstand zeitweise deutlich erholte. Die Stärke des Yen hängt auch mit der zunehmenden Einschränkung der ultra-liquiden restriktiven Geldpolitik vonseiten der Bank of Japan (BoJ) zusammen. So hat die japanische Notenbank den Leitzins in Japan von einer Spanne von 0,0 bis 0,1 Prozent auf nun 0,25 Prozent angehoben und kündigte zugleich eine Reduzierung ihres milliardenschweren Quantitative-Easing-Programms an. Die Zinsdifferenz zwischen Japan und den USA und auch Europa dürfte sich somit künftig verringern.
Ernüchterung bei KI-Aktien?
Ein weiterer wichtiger Grund für den allgemeinen Marktrückgang ist die spürbar abgenommene KI-Begeisterung. Die Aktionäre sind zunehmend skeptisch, ob sich die massiven Investitionen der Technologieunternehmen in künstliche Intelligenz kurzfristig auszahlen werden. Die Investitionen der Google-Muttergesellschaft Alphabet in diese Technologie haben nicht zu den erwarteten Einnahmen geführt, die Aktie des Suchmaschinengiganten gab im Nachgang eines enttäuschenden Ausblicks nach.
Anleger haben anschließend auch Aktien von großen KI-Gewinnern wie NVIDIA und Broadcom abgestoßen. Der NASDAQ 100 ist stellenweise deutlich von seinem Rekordhoch von 20.690,97 Punkten zurückgekommen. James Athey, Portfoliomanager bei der Marlborough Group, sieht in dem Kursrückgang bei den Tech-Aktien eine gesunde Korrektur. "Die Bewertungen von Mega-Cap-Technologiewerten liessen sich zunehmend nur noch mit den heroischsten Prognosen für künftiges Wachstum, Erträge und Geldpolitik rechtfertigen. Es ist unvermeidlich, dass diese Art von Extremen nicht fortbestehen kann."
Allerdings: Der sehr positiv aufgenommene Gewinnbericht des US-Halbleiterunternehmens AMD bewies einmal mehr, dass die hohen Erwartungen an die KI-Technologie keineswegs nur auf reiner Fantasie beruhen. Im Vergleich zum Vorjahresquartal verdoppelte AMD seine Erträge zwischen April und Juni auf 2,8 Milliarden Dollar und schraubte seine 2024er-Prognose der KI-Chip-Erlöse um 500 Millionen US-Dollar nach oben auf nun 4,5 Milliarden Dollar. Die Aktie des NVIDIA-Rivalen stieg im Nachgang der Zahlenvorlage deutlich an und zog die Papiere vieler Mitbewerber wie NVIDIA, Broadcom oder Micron mit gen Norden. Auch der NASDAQ 100 nahm dank der AMD-Euphorie wieder an Fahrt auf.
Wie bei allen Wachstumstrends der Börsengeschichte gilt allgemein auch bei der KI-Technologie: Die tatsächlichen künftigen Gewinne der KI-orientierten Unternehmen lassen sich aktuell schwer abschätzen, weshalb es zu einer enorm hohen Volatilität bei den entsprechenden Aktien kommt. Negative Nachrichten können eine Rally binnen kurzem zu massiven Kursrückgängen umkehren, während Ernüchterung schnell wieder in Euphorie umschlagen kann. Aktionäre von KI-Unternehmen müssen sich deshalb wohl auch in den kommenden Monaten auf eine Achterbahnfahrt ihrer Anteilsscheine einstellen.
Redaktion finanzen.at
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