29.08.2020 18:54:38
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Keine Hoffnung mehr auf Putins Hilfe für Opposition in Belarus
MINSK (dpa-AFX) - Die Euphorie der friedlichen Demokratiebewegung in Belarus hat einen harten Dämpfer erlitten. Von Enttäuschung über Russland spricht der frühere Kulturminister Pawel Latuschko in Minsk. "Wir hatten auf eine neutrale Position Russlands gehofft", sagt der 47-Jährige. Das sei nun vorbei. Lautschko bezieht sich auf die Drohung von Kremlchef Wladimir Putin, notfalls zum Schutz des als "letzten Diktator Europas" verschrienen Alexander Lukaschenko auch Truppen zu schicken. Dieser "äußere Druck" habe eine psychologische Wirkung auf die Proteste. Unterdessen geht der Machtapparat in Belarus immer härter gegen jene vor, die in der Lage sind, Proteste zu organisieren.
Trotz Drohungen der Polizei kommen am Samstag Tausende Frauen in Minsk zusammen - mit Rufen wie "Sascha, Du bist entlassen!". Sascha ist eine Kurzform für Alexander. Aber es gibt seit einigen Tagen Hunderte neue Festnahmen, die viele einschüchtern. Auch Journalisten sind betroffen.
Seit sich Putin - auch am Samstag wieder - demonstrativ an die Seite Lukaschenkos stellt, fühlt sich der Machthaber in Minsk wieder stark. Das spiegelt sich auch im Polizeiaufgebot auf den Straßen der belarussischen Hauptstadt wider. Tagelang hatte sich der Kreml die Proteste gegen Lukaschenko geduldig angeschaut. Doch nachdem am Sonntag vor einer Woche wieder Hunderttausende protestierten, dürfte die Geduld in Moskau am Ende gewesen sein. Wie viele dürfte sich auch Putin gewundert haben über einen Auftritt Lukaschenkos mit einer Kalaschnikow in der Hand als Verteidiger seines Präsidentenpalastes.
"Dass sich Putin jetzt so äußern muss, zeigt, wie schwach Lukaschenko ist, wie sehr er sein Volk fürchtet", sagt die Oppositionelle Maria Kolesnikowa in Minsk. Andere gehen weiter und meinen, dass Putin gezeigt habe, wer der Herr in Belarus ist. Putins Drohung, im Notfall eine Kampfreserve einzusetzen, gilt nicht nur als Warnung an die Opposition, sich zurückzuhalten. Es ist auch ein Signal an den Westen, sich nicht einzumischen.
"Russland ist nicht bereit, den Veränderungs- und Freiheitswillen des Volkes zu unterstützen", sagt der frühere Diplomat Latuschko. Er bleibe aber Optimist: Schon im Herbst drohe angesichts der schweren wirtschaftlichen Krise eine neue Protestwelle wegen sich verschlimmernder sozialer und ökonomischer Probleme. Belarus steht mit Milliarden bei Russland in der Kreide. Der Rubel verliert gegenüber dem Euro und dem US-Dollar massiv an Wert. Mehrere IT-Unternehmen kündigten einen Rückzug aus dem Land an, das neben der Landwirtschaft auf die digitale Branche setzt.
Eine neue Repressionswelle erwartet nun der Minsker Politologe Waleri Karbelewitsch. "Das Anziehen der Daumenschrauben hat schon begonnen", sagt der 65-Jährige der Deutschen Presse-Agentur in Minsk. Durch Putins Drohung habe der Protest keine Perspektive mehr. "Putin schützt das Regime vor allem, weil er Angst hat vor einer Revolution in Belarus, weil das ein schlechtes Beispiel für Russland wäre und abfärben könnte", meint Karbelewitsch. "Putin bringt das Volk hier gegen sich auf. Dadurch verstärkt sich ein antirussisches Gefühl. Er opfert das alles, um keine Revolution zuzulassen."
Und der Westen? Der habe in dem Konflikt den Test, seine eigenen Werte durchzusetzen, nicht bestanden, meint die Moskauer Politologin Lilija Schewzowa. "Nur nicht Russland provozieren - diese Angst bestimmt die westliche Reaktion auf den belarussischen August." Der westliche Ansatz, Konflikte mit Kompromissen zu lösen, sei im Fall von Diktatoren von vornherein zum Scheitern verurteilt. Der Westen werde sich wegen Belarus nie mit der Atommacht Russland anlegen.
Die Experten in Moskau und in Minsk sind sich einig, dass sich Putin diese Hilfe von Lukaschenko gut bezahlen lassen wird - und Belarus damit noch deutlich abhängiger von Russland wird als bisher. Schon jetzt hängt Belarus wirtschaftlich am Tropf Russlands. Putin behalte zwar seine Pufferzone zur Nato, dafür bekomme er aber ein bankrottes Land, meint Schewzowa. Und er übernehme die Verantwortung für den "Sadismus und die Gewalt" unter Lukaschenko. Auch sie befürchtet, dass Putin das Wertvollste verliert: die russlandfreundliche Stimmung in Belarus.
Lange ging auch die Opposition in Belarus davon aus, dass der Kreml nichts dagegen hätte, einen neuen treuen Statthalter in Minsk zu installieren. "Aber Putin hat sich jetzt entschieden, dass das Risiko zu groß ist, auf jemanden anderes zu setzen", sagt der Experte Karbelewitsch. Bei der Revolution in Georgien habe der Kreml einst auf Michail Saakaschwili gesetzt, der auch seinen ersten Staatsbesuch in Moskau absolvierte. 2008 dann sei es zum Krieg gekommen. Moskau habe nun vielmehr - wie schon 1956 in Ungarn und 1968 in der Tschechoslowakei - wieder entschieden, keine Freiheit zuzulassen./mau/DP/mis
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