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Geldpolitik in Asien 20.04.2013 03:00:01

Japans Aufbruch in eine ungewisse Zukunft

von Andreas Höß, Euro am Sonntag

Zwischen Neonlichtern schieben sich Teens und Twens durch die Einkaufsmeile Shibuya im Osten Tokios. Konsumtempel locken, neue Trends gibt es täglich. Wer sich unter die Massen mischt, glaubt nicht, dass er sich im Herzen eines Krisenlandes befindet. Denn auch wenn man es in der Megametropole kaum wahrnimmt, steckt Japan seit zwei Jahrzehnten in einem Teufelskreis aus Deflation und Stagnation.

Seit Kurzem gibt es Hoffnung. Die Regierung unter Shinzo Abe will das Land mit einer aggressiven Mischung aus Notenpresse, Konjunkturhilfen und einem schwachen Yen endlich auf die Beine bringen. „Abenomics“ nennt man diese Politik. Für sie hat Abe einen Verbündeten engagiert — Haruhiko Kuroda, seit Ende März neuer Chef der japanischen Notenbank. Lange wurde spekuliert, wie aggressiv Kuroda vorgehen will, um Abes Ziele umzusetzen. Nun ist klar: Er wird geldpolitische Grenzen überschreiten.

Es ist ein riskantes Experiment, das Kuroda am 4. April angekündigt hat. Bis Ende 2014 will der Notenbankchef die Geldmenge auf 200 Billionen Yen (2,1 Billionen Euro) verdoppeln, um die Inflation auf zwei Prozent zu treiben. Dazu wird sich die Bank of Japan (BoJ) für umgerechnet 60 Milliarden Euro pro Monat japanische Staatsanleihen in die Bilanz laden. Selbst alte Regeln werden dafür aufgehoben. So darf die Notenbank jetzt mehr Japan-Bonds kaufen, als Bargeld im Umlauf ist.

Viele Experten sind begeistert. Der Internationale Währungsfonds (IWF) lobte Kurodas mutigen Schritt und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz räumt Kuroda und Abe gute Chancen ein, die Misere zu überwinden. Japan könne „einer der wenigen Lichtstrahlen“ im düsteren Umfeld der Industriestaaten werden.

Erste Zeichen der Erholung zeigen sich bereits. Japans Autobauer haben davon profitiert, dass der Yen gegenüber Währungen wie dem US-Dollar und dem Euro 20 bis 30 Prozent an Wert verloren hat. Ihre Produkte sind im Ausland günstiger und gefragter, die Gewinne steigen. Wegen der guten Geschäfte will Toyota nun seine Produktion hochfahren. Entsprechend beliebt war die Aktie des Autobauers zuletzt.

Japans Draghi-Moment
Seit im November die Grundzüge der Abenomics bekannt wurden, gibt es ein seltenes Phänomen zu bestaunen. Die Aktionäre strömen zurück an Tokios Börse, der sie zuvor für lange Zeit den Rücken gekehrt hatten. Der Nikkei legte in dieser Zeit um rund 50 Prozent zu und notiert heute mit über 13.500 Punkten auf dem höchsten Stand seit 2008. Besonders Anleger aus dem Ausland suchen in Japan ihre Chance auf Gewinne und befeuern den Markt.

Japan habe einen Draghi-Moment erlebt, unken einige Beobachter angesichts des von der Geldpolitik genährten Kursfeuerwerks bereits. In Europa hatte Zentralbankchef Mario Draghi im Sommer bekräftigt, „alles zu tun“, um den Euro zu retten. Draghi eroberte verlorenes Vertrauen zurück und lockte wieder Anleger in die kriselnde Eurozone. Mit Japan ist es ähnlich, auch hier vertraut man auf die Zentralbank.

Doch längst nicht alle Beobachter sind überzeugt, dass allein der schwächere Yen ausreicht, um die Krise abzuschütteln. Japan braucht Strukturreformen. Das Land muss zum Beispiel seinen Arbeitsmarkt flexibilisieren und den Anteil der berufstätigen Frauen erhöhen, um das angesichts der stark alternden Gesellschaft schrumpfende Potenzial an männlichen Arbeitern auszugleichen. „Die Abwertung des Yen ist nur ein Einmaleffekt“, warnt Professor Thomas Schuster vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln.

Besonders kritisiert Schuster aber das Zusammenspiel aus Konjunkturhilfen und Käufen von Staatsanleihen der BoJ. Japans Staatsschulden sind mit über 200 Prozent der Wirtschaftsleistung schon heute deutlich höher als die griechischen, die Neuverschuldung wird laut IWF 2013 bei neun Prozent liegen. Dass die BoJ ­unter dem Mantel der Deflations­bekämpfung noch stärker als bisher japanische Anleihen kaufe, sei verkappte Staatsfinanzierung. „Die Blase wird platzen“, glaubt Schuster.

Bisher sieht es aber noch so aus, als könnten die Kurse an den Börsen in Japan weiter steigen. Analysten gehen davon aus, dass die BoJ ihre Geldpolitik noch weiter lockern wird. So könnten unbegrenzte Käufe von Staatsanleihen, die für 2014 geplant sind, schon auf dieses Jahr vorgezogen werden. Das würde den Yen weiter abwerten lassen und die Unternehmensgewinne und den Aktienmarkt nach oben treiben.

Investoren sollten die Entwicklungen aber gut beobachten. Ob die Abenomics wirklich langfristig wirken, wird sich erst in den kommenden Monaten abzeichnen. Bis dahin können sich Anleger wie die Fußgänger in Tokios Einkaufsmeile verhalten und sich mit der Masse treiben lassen. Und die drängt im Moment an Japans Börse.

Investor-Info

Währungsspekulation
Wie weit fällt der Yen noch?

Rund 30 Prozent hat der Yen seit November gegenüber dem Euro abgewertet – ein massiver Wertverlust. Und Währungsprofis erwarten, dass es weiter abwärts gehen könnte. Für Anlieger bietet es sich an, mit einem ETC auf fallende Notierungen zu setzen, das die Entwicklung des Yen zum Euro 1:1 abbildet. Die Kursbewegungen werden aber wohl nicht mehr so stark ausfallen wie zuletzt. Wer mehr Ertrag will, kann deswegen zu CFDs auf Devisen greifen. Bei den meisten CFD- und Forex-Brokern sind die Hebel bei Devisentrades wie Euro/Yen long vorgegeben und liegen zwischen 100 bis 500. Das ist, obwohl Währungsänderungen eher gemählich vor sich gehen, doch ein hohes Risiko – bei gleichzeitig enormen Gewinnchancen. Bei CMC Markets und Gekko Global Markets können Anleger geringere Hebel wählen. Trotzdem bleibt die Spekulation Euro/Yen long über CFDs ein heißer Ritt. Bei CFDs ist schnell ein Totalverlust möglich – eventuell droht sogar Nachschusspflicht.

Japan-Fonds
Besser währungsgesichert

Rund 50 Prozent hat Japans Aktienmarkt seit November in Yen zugelegt. In Euro umgerechnet waren es nur 20 Prozent. Wer Japan-Fonds kaufen möchte, sollte deshalb vorerst zu folgenden währungsgesicherten Produkten greifen. Kostengünstig ist der ETF von iShares, ein Indexfonds der den breiten MSCI Japan abbildet. Aktiv gemanagt ist dagegen der Schroder Japanese Equity. Fondsmanager Shogo Maeda setzt derzeit stark auf Finanztitel wie Sumitomo Mitsui Financial und Mitsubishi Financial, die von den steigenden Börsenkursen und dem anziehenden Börsenhandel besonders stark profitieren. Ebenfalls hoch im Portfolio gewichtet: Die konjunktursensiblen Großhandelsunternehmen Mitsui und Itochu sowie die Autobauer Honda, Nissan und der Autozulieferer Aisin Seiki.

Weitere Links:

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