Börse Frankfurt |
14.03.2013 15:11:30
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Hüfners Wochenkommentar: "Überraschungen von der US-Konjunktur"
Was ich dann aber im Land sah, stellte sich ganz anders dar. Die Stimmung der Menschen, der Unternehmen und der Finanzmärkte hat sich seit meinem Besuch vor ein paar Monaten spürbar verbessert. Der ISM-Geschäftsklimaindex gibt das gut wider. Er ist seit November kontinuierlich um gut vier Prozentpunkte gestiegen (siehe Grafik). Er befindet sich allerdings noch nicht auf sicherem Terrain. Die Fiskalklippe und die anschließende Erhöhung der "Payroll Tax" sind kein Thema. Die Einzelhandelsumsätze haben im Januar und Februar trotzdem zugenommen (0,2 Prozent bzw. 1,1 Prozent). Die automatischen Ausgabenkürzungen (Sequester) um immerhin 80 Milliarden US-Dollar, die zu einer Verringerung der öffentlichen Dienstleistungen zum Beispiel an den Flughäfen führen soll, wird in den Zeitungen nur unter ferner liefen erwähnt. Das Gleiche gilt für die bevorstehenden weiteren Ausgabeneinsparungen im Zuge der Verhandlungen über den Haushalt und die Schuldenobergrenze.
Es gibt eine klare Dichotomie zwischen einer gut laufenden Privatwirtschaft und einer restriktiven öffentlichen Wirtschaft. Das ist ganz anders als in Europa. In den USA läuft die Konjunktur. Der Staat nutzt das, um die Verschuldung zu verringern. Das ist an sich die Idealkonstellation. Die optisch niedrige Wachstumsrate ist allein das Resultat der niedrigeren Staatsausgaben. In Europa läuft die Kette genau anders herum. Die Verschuldung wird zurückgeführt (allerdings erheblich mehr als in den USA). Das dämpft das Wachstum.
*Stimmung in den USA wird besser*
ISM-Index, Quelle: Fred Data
Nun sollte man mit persönlichen Eindrücken vorsichtig sein. Sie können leicht täuschen. Es gibt aber auch handfeste Gründe für einen Aufschwung der Privatwirtschaft. Erstens ist die Häuserkrise überwunden, die die Finanzkrise ausgelöst hatte. Die Häuserpreise gehen nicht mehr zurück, sondern steigen an (zuletzt plus 6 Prozent gegen Vorjahr). Hier wirken sich der demographisch bedingte Bevölkerungszuwachs sowie der Einbruch der Bautätigkeit unmittelbar nach der Krise aus, der jetzt aufgeholt werden muss. Die Banken sind wieder bereit, Hypothekendarlehen zu geben.
Zweitens hat sich die Produktivität der US-amerikanischen Industrie deutlich erhöht. Die Unternehmen haben massive Restrukturierungen durchgeführt. Sie sind wieder innovativer und wettbewerbsfähiger. Siehe General Motors, das noch vor ein paar Jahren vom Staat gerettet werden musste und jetzt wieder vor Kraft strotzt. Selbst auf den Weltmärkten spielen amerikanische Firmen wieder eine Rolle, obwohl sich der Dollar befestigt hat. Die Produktivitätssteigerung ist letztlich das Spiegelbild des Anstiegs der Arbeitslosigkeit nach der Krise. Die Banken stehen wegen der Rekapitalisierung wieder besser da und können stärker Kredit geben.
Drittens hat sich die Verschuldung der privaten Haushalte verringert. Sie ist in einem schmerzhaften Anpassungsprozess von 130 Prozent auf 110 Prozent des verfügbaren Einkommens zurückgegangen. Zusammen mit den niedrigeren Zinsen (und den höheren Aktienkursen) hat sich dadurch die Einkommens- und Vermögenssituation der Verbraucher verbessert. Das erklärt den Schub beim privaten Verbrauch trotz der Steuererhöhungen. Freilich bedeutet das auch, dass die Verschuldung der Haushalte nicht nur nicht mehr zurückgeht, sondern wieder ansteigt. Das ist kein gutes Zeichen, denn die Verschuldung der US-Konsumenten ist noch lange nicht zu niedrig.
Insgesamt sehe ich die weitere Entwicklung der US-Wirtschaft inzwischen positiver als bisher. Die gesamtwirtschaftliche Wachstumsrate wird in diesem Jahr wegen der fiskalpolitischen Sparmaßnahmen zwar noch relativ gering sein (rund 2 Prozent). Die private Nachfrage ist jedoch lebhaft. Sie wird in Zukunft durch die niedrigeren Öl- und Gaspreise im Zusammenhang mit dem Fracking noch weiter steigen. Die Dichotomie zwischen privater Nachfrage und staatlichen Sparmaßnamen wird jedoch bleiben, weil die staatliche Verschuldung immer noch zu hoch ist (wesentlich höher als in Europa) und reduziert werden muss.
Unmittelbar nach der Finanzkrise 2008 hatten die beiden amerikanischen Ökonomen Kenneth Rogoff und Carmen Reinhart nach einer Untersuchung ähnlicher Situationen in der Vergangenheit vorhergesagt, dass die Erholung länger als in normalen Zyklen auf sich warten lassen würde. Sie gingen davon aus, dass das Wachstum wegen der strukturellen Verwerfungen mindestens vier Jahre gering sein könnte. Jetzt sind die vier Jahre vorbei.
Für den Anleger
Die USA sind dabei, die Welt wieder einmal positiv zu überraschen. Das wird die Aktien noch weiter nach oben treiben, selbst wenn es immer mal wieder Rückschläge gibt. Ein Ende der ultralockeren Geldpolitik muss noch nicht so schnell befürchtet werden. Der US-Dollar könnte sich unter diesen Umständen auch dann aufwerten, wenn sich die Eurokrise weiter bessert. Der Anleger in den USA würde dann auch noch vom Wechselkurs profitieren.
Anmerkungen oder Anregungen? Martin Hüfner freut sich auf den Dialog mit Ihnen: redaktion@deutsche-boerse.com.
© 14. März 2013 /Martin Hüfner
Dr. Martin W. Hüfner ist Chief Economist bei Assenagon. Viele Jahre war er Chefvolkswirt der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank AG und Senior Economist der Deutschen Bank AG. Er leitete fünf Jahre den renommierten Wirtschafts- und Währungsausschuss der Chefvolkswirte der Europäischen Bankenvereinigung in Brüssel. Zudem war er über zehn Jahre stellvertretender Vorsitzender beziehungsweise Vorsitzender des Wirtschafts- und Währungsausschusses des Bundesverbandes Deutscher Banken und Mitglied des Schattenrates der Europäischen Zentralbank, den das Handelsblatt und das Wallstreet Journal Europe organisieren. Dr. Martin W. Hüfner ist Autor mehrerer Bücher, unter anderem "Europa - Die Macht von Morgen" (2006), "Comeback für Deutschland" (2007), "Achtung: Geld in Gefahr" (2008) und "Rettet den Euro!" (2011).
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