"Türen noch offen" |
29.06.2015 15:13:00
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Griechenland spürt Folgen der gescheiterten Verhandlungen
Für EZB-Ratsmitglied Ewald Nowotny ist die Lage in Griechenland "sehr dramatisch". Man könne nur hoffen, dass es nach der Volksabstimmung zu einer vernünftigen Lösung kommt. Nach einen Nein bei der Volksabstimmung seien die Möglichkeiten für weitere konstruktive Wege dann sehr gering, warnte der Notenbankgouverneur.
Juncker rief die Griechen dazu auf, beim Referendum am Sonntag mit "Ja" zu stimmen. "Und zwar unabhängig davon, was die Frage sein wird." "Denn wenn das griechische Volk mit 'Ja' stimmt, ist die Botschaft, dass sie zusammenbleiben (mit der europäischen Familie, Anm.) wollen." Würden die Griechen jedoch mit "Nein" stimmen, wäre dies "verheerend" für die Zukunft. "Jeder würde dies als Zeichen interpretieren, dass sich Griechenland von der Eurozone distanzieren will.
Griechenland solle weiterverhandeln, so Juncker. Er glaubt fest daran, dass "wir nicht endgültig in einer Sackgasse feststecken". Er habe zwar keine neuen Vorschläge zu machen, doch "die Tür ist noch offen".
"Wir sind verhandlungsbereit, jeden Tag und jede Stunde", betonte auch Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP). Alle Türen seien offen, die Deadline sei morgen Abend. Die griechischen Banken vorübergehend zu schließen, sei eine richtige Entscheidung, das angekündigte Referendum dagegen ein Irrweg.
Derzeit sieht es allerdings ganz danach aus, dass Griechenland und die Euro-Länder eine andere Sprache sprechen. Was das heißt, wurde den Griechen spätestens am Montag bewusst. Die Banken des Landes bleiben bis zum 6. Juli - also dem Tag nach dem Referendum - geschlossen. Die Barabhebungen an Bankomaten werden für Griechen auf 60 Euro pro Tag beschränkt, Überweisungen ins Ausland sind nicht möglich. Die Börse in Athen bleibt gar bis zum 7. Juli zu.
Mit diesen Maßnahmen schränkt die griechische Regierung den Kapitalverkehr stark ein. Auf diese Weise soll ein Ansturm auf die Banken und ein Zusammenbruch des Finanzsystems verhindert werden, denn seit Monaten ziehen Unternehmen und Privatleute aus Sorge um den Verbleib des Landes in der Eurozone Milliarden von ihren Konten ab.
Unterzeichnet wurden die Verfügungen von Griechenlands Staatschef Prokopis Pavlopoulos und Regierungschef Tsipras. Es handle sich um Maßnahmen "von extremer Dringlichkeit". Sie sollten "das griechische Finanzsystem und die griechische Wirtschaft wegen des Mangels an Liquidität schützen, der durch die Entscheidung der Eurogruppe vom 27. Juni gegen die Ausweitung des Abkommens über die Kredite für Griechenland herbeigeführt" worden sei, heißt es in der amtlichen Mitteilung.
Die Einschränkungen bei Abhebungen an Bankomaten würden nicht für Besucher aus dem Ausland gelten, wenn diese "mit einer in ihrem Herkunftsland ausgestellten Kreditkarte Transaktionen und Abhebungen" vornehmen wollten, teilte Athen mit. Touristen dürften damit weniger unter der aktuellen Krise leiden. Allerdings waren einige Geldautomaten in Griechenland wegen des Ansturms der Kunden bereits leer. Das österreichische Außenministerium hatte bereits am Sonntag Griechenland-Reisenden geraten, sich im Voraus mit ausreichend Bargeld zu versorgen.
Die Folgen des Scheiterns vom Wochenende waren am Montag auch auf den internationalen Aktienmärkten zu spüren. Die Leitbörsen in Fernost schlossen einheitlich mit Verlusten, die Indizes in Europa gerieten ebenfalls von Beginn an stark unter Druck. Der ATX verlor bis zum Mittag 3,11 Prozent, der DAX in Frankfurt büßte ebenfalls rund drei Prozent ein. Schwer getroffen wurde auch die Mailänder Börse. Mehrere Aktien, darunter jene der Bank Austria-Mutter UniCredit, mussten wegen Kurseinbrüchen vom Handel ausgesetzt werden.
Das aktuelle Hilfsprogramm für Griechenland läuft an diesem Dienstag (30.6.) aus. Am selben Tag muss Athen rund 1,6 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückzahlen.
Im österreichischen Finanzministerium sieht man die Krise relativ entspannt. Finanzminister Schelling hält es für sehr unwahrscheinlich, dass für Österreich Verluste in Milliardenhöhe in Aussicht stehen. "Unser Risiko ist durchaus ein eingeschränktes, aber ein unangenehmes", sagte Schelling.
Österreich habe gegenüber Griechenland einen bilateralen Kredit über 1,6 Mrd. Euro laufen. Dieser Kredit habe einen langen Rückzahlungszeitraum, den man auch "schieben" könnte. Die Zinsen für diesen Kredit seien bisher pünktlich bezahlt worden. Bei den anderen Verpflichtungen Österreichs handle es sich um Garantieleistungen, die hauptsächlich gegenüber dem EFSF-Fonds - dem Euro-Rettungsschirm - bestünden. "Der Fonds wird nicht insolvent werden, daher werden die Garantien nicht schlagend werden", betonte Schelling.
Wie prekär die Griechen selbst die Situation einschätzen, beschreibt Gerd Dückelmann-Dublany, Wirtschaftsdelegierter in Athen, im Gespräch mit der APA. "Die Stimmungslage reicht von Verunsicherung bis zu purer Angst". Über das Wochenende sei "eine Schockwelle nach der anderem über das Land gerollt".
Mittlerweile sollen sogar schon die Nirosta-Kochtöpfe ausgegangen sein, "da viele ihr Geld darin im Garten vergraben", berichtete der Wirtschaftsdelegierte. 30 bis 40 Mrd. Euro sind Schätzungen zufolge auf diese Weise unter der Erde verwahrt oder bei ausländischen Banken angelegt worden.
(Grafik 0753-15, Format 88 x 115 mm; Grafik 0750-15, Format 88 x 55 mm; Grafik 0743-15, Format 88 x 150 mm; Grafik 0731-15, Format 88 x 100 mm) (Schluss) ggr
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