Prognose zu hoch |
01.07.2014 15:30:00
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Gewinnwarnung: Bilfinger-Aktie rutscht ab
Damit ist Bilfinger für viele Beobachter ziemlich überraschend aus der Erfolgsspur gerutscht. In den vergangenen Jahren ging es für den Konzern aus Mannheim nur bergauf - den Wandel vom klassischen Baukonzern mit seinem risikoreichen Geschäft hin zum Dienstleister, der auf weitgehend stabile Margen blicken kann, meisterte Bilfinger erfolgreich.
Am Geschäftsmodell will der Bilfinger-Vorstandsvorsitzende Roland Koch denn auch nicht rütteln. Es handele sich um ein robustes Geschäftsmodell - trotz des aktuellen Gegenwindes. Bilfinger konzentriert sich auf Planung, Bau, Wartung und Service in den drei Feldern Industrieanlagen, Kraftwerke und Gebäude. 2015, 2016 wolle Bilfinger "auf den Weg zurückkehren, den wir uns vorgenommen haben", sagte Koch.
2014 ist jedoch gelaufen - anstelle eines deutlichen Gewinnanstiegs geht Bilfinger für den Konzern nun für dieses Jahr von einen erheblichen Rückgang aus. Das bereinigte operative Ergebnis EBITA dürfte voraussichtlich nur zwischen 380 und 400 Millionen Euro liegen, nach 419 Millionen Euro im Vorjahr. Auch der Konzerngewinn soll mit nun erwarteten 230 bis 245 Millionen Euro niedriger ausfallen als das 2013-Ergebnis von 255 Millionen.
Auch die Mittelfristziele stehen auf dem Prüfstand: Bilfinger will bis 2016 einen Konzernumsatz von 11 bis 12 Milliarden Euro erreichen, dazu einen Konzerngewinn von 700 Millionen Euro. Eine Überprüfung ist allerdings auch deswegen notwendig, weil sich Bilfinger von einem überwiegenden Teil des Baugeschäfts, nämlich dem Tiefbau, trennen will. Die Margenziele bleiben jedoch bestehen. Mit dem Bericht zum dritten Quartal will Bilfinger über die neuen Ziele informieren.
Dabei schwächelt ausgerechnet die Sparte Power - mit fast neun Prozent das margenstärkste Geschäft von Bilfinger. Das Unternehmen kann hier den Kunden fast die vollständige Wertschöpfungskette, sprich viele Leistungen aus einer Hand anbieten. Doch dies wird gerade jetzt zum Problem, da die Kunden an eben diesen Leistungen sparen. Und so erwartet Koch für die Sparte 2014 lediglich eine Marge von rund sechs Prozent und damit deutlich unter den Erwartungen.
Bereits im vergangenen Jahr klagte Koch über die schwierige Auftragslage dort. Die Probleme haben sich nun offenbar so massiert, dass der noch im Mai trotz eines durchwachsenen ersten Quartals zur Schau gestellte Optimismus hinfällig ist. Wohl auch deswegen strafte die Börse Bilfinger hart ab - die Aktie fiel teilweise um 16 Prozent.
Das Geschäft rund um die Energie läuft bei Bilfinger erheblich schlechter als erwartet. "Niemand investiert derzeit auch nur einen Euro in neue Kraftwerke", sagte Koch in einer Telefonkonferenz. Die Unsicherheit über die europäische Energiepolitik lässt die Bilfinger-Kunden derzeit von Investitionen absehen.
In Deutschland ist der Kraftwerksneubau nahezu zum Erliegen gekommen. Laut den letzten Aussagen des Branchenverbandes BDEW vom April sind 43 Prozent der 74 bis ins Jahr 2020 geplanten Kraftwerksneubauten in Frage gestellt.
Über diese Problematik berichtet Bilfinger bereits seit längerem und steht damit nicht allein: Auch in den Auftragsbüchern der Hersteller von Kraftwerkskomponenten, wie zum Beispiel Siemens oder Konkurrent Alstom hinterlässt die Krise ihre Spuren.
Bislang glaubte das Bilfinger-Management, dies durch die Ausweitung des Geschäfts nach Osteuropa ausgleichen zu können. Doch die Energiewende strahlt längst auch in die Nachbarstaaten wie etwa Polen aus. Diese halten sich mit Investitionen ebenfalls zurück - offenbar auch dank des billigen grünen Stroms aus Deutschland. So beklagte Koch, dass beispielsweise kostenloser deutscher Windstrom Kraftwerksneubauten in Polen verhindere.
"Wir haben auf Osteuropa gebaut und uns dort Aufträge erhofft", so Koch. Doch nun würden Projekte entweder verschoben oder ganz abgesagt, auch solche, in denen Bilfinger bereits als bevorzugter Bieter auserwählt worden war.
Wie viele andere europäische Staaten fördert Deutschland den Ausbau von "grüner Energie" im Rahmen von ambitionierten Klimaschutzzielen mit großzügigen Subventionen. Die so befeuerte Nachfrage nach Photovoltaik-, Wind- und Biomasseanlagen hat zu einem massiven Wachstum der verfügbaren Stromerzeugungskapazitäten geführt.
Mit der massiven Ausweitung des Angebots durch die "grünen" Energien ging ein Verfall der Börsenstrompreise einher. Dazu kommt, dass konventionelle Kraftwerke immer weniger Betriebsstunden aufweisen können, weil sie vom wachsenden Grünstromangebot ausgebootet werden. Große Versorger wie E.ON oder RWE können daher selbst ihre nagelneuen Kohle- und Gaskraftwerke kaum noch mit Gewinn betreiben und versuchen, wo es geht, zu sparen - auch bei den Dienstleistungen. Dies führt zu einem erheblichen Wettbewerbs- und Preisdruck, den auch Bilfinger zu spüren bekommt.
Doch damit nicht genug - die Unsicherheit über die deutsche Energiepolitik strahlt auch weiter aus. So ist der Markt für Eigenstrom fast zum Erliegen gekommen. Auch hier ist Bilfinger engagiert. Viele Großunternehmen hatten in den vergangenen Jahren begonnen, eigenen Strom zu produzieren, um sich unabhängiger von den hohen Energiepreisen zu machen. Die Eigenstromproduktion ist jedoch nahezu auf Null gesunken. Denn das Risiko, dass Unternehmen darauf künftig Steuern zahlen müssen, ist zu groß geworden, wie Koch erläuterte.
Auch dass sonst so stabile Geschäftsfeld Industrial ist betroffen. Hier macht Bilfinger der Fracking-Boom in den USA zu schaffen. Durch die dadurch drastisch gesunkenen Gaspreise sparen die europäischen Kunden des Öl- und Gassektors in der Wartung und Instandhaltung.
Gegensteuern will Bilfinger nun mit einem straffen Restrukturierungsprogramm. Kapazitäten sollen gesenkt und Investitionen überprüft werden. Auch Arbeitsplätze werden betroffen sein - Koch spricht von erheblichen Stellenstreichungen. Die Kosten für diese Maßnahmen bezifferte Bilfinger auf eine niedrige bis mittlere zweistellige Millionenhöhe.
In den Sparten Power und Industrial sollen Stellen nicht wieder neu besetzt werden - Einstellungsstopp. Dies gilt nicht nur für die Verwaltung, sondern auch für die Produktion. Auch Entlassungen werden wohl nicht ausbleiben, wie Koch einräumte.
Details nannte er nicht, dafür sei es noch zu früh. Besonders betroffen ist hier die Sparte Hochdruckrohrleitungsbau mit einer Jahresleistung in Deutschland von 400 Millionen Euro. Hier will Koch die Kapazitäten erheblich zurückfahren, mittelfristig geht der Manager von gerade mal der Hälfte der jetzigen Leistung aus. Im Hochdruckrohrleitungsbau beschäftigt Bilfinger in Deutschland 1.100 Menschen, in der Sparte Power etwa 10.000. Bei Bilfinger insgesamt arbeiten rund 70.000 Menschen.
Dazu will der Konzern das laufende Effizienzprogramm beschleunigen. Derzeit werden Verwaltungsfunktionen gestrafft und zusammengeführt, was mit dem Abbau von 1.250 Arbeitsplätzen einhergeht. Neben den geringeren Personalkosten erwartet Bilfinger auch Einsparungen bei den Sachkosten im niedrigen bis mittleren zweistelligen Millionenbereich.
Nicht angetastet wird die Akquisitionsstrategie. Das Geschäft soll weiter internationalisiert werden. Bislang ist das Energie-Geschäft stark von Deutschland und Europa anhängig, der Heimatmarkt trägt 33 Prozent zur Leistung bei, Europa weitere 40 Prozent. Im Mittleren Osten sowie in Südostasien ist Bilfinger zwar bereits vertreten, doch noch sind diese Geschäfte zu klein, um die Probleme in Europa ausgleichen zu können. "Das sind Pflanzen, die noch wachsen müssen", warb Koch um Geduld.
Mitarbeit: Michael Denzin Kontakt zum Autor: unternehmen.de@dowjones.com DJG/kla/brb Dow Jones Newswires Von Markus Klausen
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