27.02.2016 12:17:45

G20 versprechen Maßnahmen zur Stärkung des Wachstums

-- G20 wollen keinen Abwertungswettlauf -- Finanzminister und Notenbanker sehen Konjunkturrisiken -- Schäuble betont gute Fundamentaldaten

(NEU: Schäuble, Weidmann, weitere Details, Hintergrund)

Von Andreas Kißler SCHANGHAI (Dow Jones)--Die 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer der Welt (G20) haben vor dem Hintergrund zunehmender Abwärtsrisiken für die Weltwirtschaft auf mehr Maßnahmen zur Stärkung des Wachstums gedrungen, den genauen Weg dafür aber nicht konkret benannt. Zudem kündigten sie eine enge Abstimmung über die Wechselkurse an.

   Ausdrücklich sprachen sich die Finanzminister und Notenbankchefs der G20 in der Abschlusserklärung eines am Samstag zu Ende gegangenen zweitägigen Treffens in Schanghai dabei gegen eine Manipulation der Wechselkurse zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit aus.

   "Die weltweite Erholung setzt sich fort, aber sie ist weiter unausgewogen und bleibt hinter unserem Bestreben nach starkem, nachhaltigem und ausgeglichenem Wachstum zurück", erklärte die Staatengruppe. "Die Abwärtsrisiken und Anfälligkeiten haben zugenommen." Deshalb räumte die Staatengruppe ein, "dass wir mehr tun müssen, um unsere gemeinsamen Ziele für das globale Wachstum zu erreichen". Die Geldpolitik allein könne nicht zu einem ausgeglichenen Wachstum führen.

G20 wollen Wechselkurspolitik abstimmen Stattdessen skizzierten die G20 mehrere Wege zu mehr Wachstum und Stabilität. "Wir werden fiskalpolitische Flexibilität nutzen, um das Wachstum, die Schaffung von Arbeitsplätzen und das Vertrauen zu stärken", erklärten sie, betonten aber auch die Notwendigkeit von Strukturreformen. "Schnellerer Fortschritt bei Strukturreformen sollte das Potenzialwachstum mittelfristig stärken und unsere Volkswirtschaften innovativer, flexibler und widerstandsfähiger machen."

   Die G20 unterstrichen, "dass übermäßige Volatilität und ungeordnete Wechselkursbewegungen negative Auswirkungen auf die wirtschaftliche und finanzielle Stabilität haben können" und kündigten an: "Wir werden uns eng über die Devisenmärkte abstimmen." Auch bekräftigten sie Zusagen zu den Wechselkursen wie den Verzicht auf Wettbewerbsabwertungen und auf eine generelle Steuerung der Wechselkurse aus Wettbewerbsgründen und sprachen sich damit gegen einen Abwertungswettlauf führender Währungen aus.

Schäuble betont gute Fundamentaldaten Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) betonte aber nach dem Ende der Beratungen, die Wirtschaftslage sei nach Ansicht der G20 besser, als es angesichts der jüngsten Marktschwankungen erscheine. "Es gab einen breiten Mainstream, dass die reale Lage, die grundlegenden Wirtschaftsdaten besser sind, als die Volatilität in den Märkten ein Stück weit glauben machen könnte," sagte er. Es gebe "überhaupt keinen Anlass für Krise". Zur Geldpolitik sah Schäuble zudem einen "einen wachsenden Konsens, dass der Spielraum kleiner geworden ist".

   "Die Perspektiven sind besser als der Ruf, zumindest auf den Finanzmärkten", erklärte Bundesbank-Präsident Jens Weidmann. Die Weltwirtschaft werde ihr Wachstum fortsetzen, wenn auch nicht mit der Geschwindigkeit, die manche erwartet hätten. Es gebe "keinen Anlass, die Lage allzu schwarz zu malen". Auch für China gebe es derzeit keinen Hinweis auf einen scharfen Wirtschaftseinbruch. Ausdrücklich warnte Weidmann davor, "in der Geldpolitik ein Allheilmittel zu sehen, einen globalen Problemlöser".

   Schäuble hatte bereits unmittelbar nach seinem Eintreffen in Schanghai am Donnerstag betont, die G20 stimmten darin überein, die Wechselkurse ihrer Währungen nicht zur Verbesserung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit zu beeinflussen. "Ich hoffe, dass wir halten, was wir sagen", hatte er aber hinterhergeschickt.

   US-Finanzminister Jacob Lew warnte bei dem Treffen ebenfalls ausdrücklich vor Währungsabwertungen. Hintergrund sind Befürchtungen einer weiteren Abwertung des Yuan, die die Pekinger Wechselkurspolitik zu einem der Hauptthemen bei dem Treffen gemacht haben. China hat allerdings wiederholt beteuert, dass keine weitere Abwertung geplant sei, und eine deutlichere Kommunikation ergriffener Maßnahmen versprochen.

G20 sehen auch Brexit als Risiko Unter den Abwärtsrisiken sahen die G20 negative Faktoren wie volatile Kapitalflüsse, wachsende geopolitische Spannungen, aber auch die Möglichkeit eines britischen Ausscheidens aus der Europäischen Union ("Brexit") und die Auswirkungen der Flüchtlingskrise. "Zusätzlich gibt es wachsende Besorgnisse über das Risiko einer weiteren Abwärtsrevision für die weltweiten Wirtschaftsaussichten", warnten sie. Auch IWF-Chefin Christine Lagarde sagte in Schanghai, die jüngsten Abwärtsrevision des IWF müssten "nicht das Ende der Fahnenstange" gewesen sein.

   Ausdrücklich kritisch beurteilten die Staaten die jüngste Marktvolatilität. "Während wir diese Herausforderungen anerkennen, urteilen wir nichtsdestotrotz, dass das Ausmaß der jüngsten Marktvolatilität nicht die zugrunde liegenden Fundamentaldaten der Weltwirtschaft reflektiert hat." Die G20 erwarteten ein gemäßigtes Wachstum in den meisten Industrieländern und ein starkes in den wichtigsten Schwellenländern.

Li mahnt bessere Abstimmung an Marktteilnehmer hatten zuvor angesichts der sich gegenwärtig abschwächenden weltweiten Konjunktur auf ein deutliches Bekenntnis zu Ausgabenprogrammen gehofft. Schäuble hatte sich allerdings von Anfang an gegen solche Forderungen gewandt, die unter anderem aus den USA kamen, und sich in Schanghai für eine Umsetzung von Strukturreformen stark gemacht und eine Regulierungspause für den Finanzsektor abgelehnt. Der deutsche Finanzminister warnte in der chinesischen Metropole auch mehrfach vor den negativen Folgen der ultralockeren Geldpolitik.

   Hauptthema des G20-Treffens in Schanghai war die Lage der Weltwirtschaft und die Suche nach Wegen für ein langfristig höheres Wachstum. Auch eine Weiterentwicklung der internationalen Finanzmarktarchitektur und die Bekämpfung der internationalen Terrorismusfinanzierung standen in der chinesischen Metropole auf der Agenda. Das Treffen bereitete den G20-Gipfel Anfang September in Hangzhou vor, bei dem die Wachstumsentwicklung ein Hauptthema ist. Ministerpräsident Li Keqiang mahnte dafür eine bessere weltweite Abstimmung an. "Es ist Zeit, dass die Länder zusammenstehen und Schwierigkeiten überbrücken", sagte er in einer Videobotschaft für das Treffen in Schanghai.

Deutschland übernimmt 2017 Vorsitz der G20 Weil gerade China mittlerweile selber zu einem großen Problem der Weltwirtschaftsentwicklung geworden ist, warteten die internationalen Partner in Schanghai auch darauf, dass die chinesische Regierung sich weiter zur Finanzreform bekennt und ihre Strategie und ihre Absichten besser kommuniziert. Angesichts massiver Interventionen auf dem Aktienmarkt und gemischter Signale über eine neue Devisenpolitik hatte Lagarde davor gewarnt, dass China ein "Kommunikationsproblem" habe.

   Schäuble äußerte sich aber in Schanghai demonstrativ wohlwollend zur Lage in China geäußert und beklagte "ein bisschen überzogene Nervosität" bei der Berichterstattung über die jüngsten Abwärtsentwicklungen. China hat dieses Jahr den G20-Vorsitz. Deutschland übernimmt ihn im kommenden Jahr. Beide Länder fordern Strukturreformen. Berlin unterstützt eine Initiative der chinesischen Präsidentschaft für eine "erweiterte Strukturreformagenda", in deren Rahmen Prinzipien für besonders wachstumsfreundliche Strukturreformen und Indikatoren zur Messung der Reformfortschritte erarbeitet werden sollen.

Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

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   February 27, 2016 05:46 ET (10:46 GMT)

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