02.05.2013 14:24:00
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Experten: Kronzeugenregelung war Durchbruch für Wettbewerbspolitik
Auch für Justus Haucap, Mitglied der deutschen Monopolkommission, und Stefan Bühler, Vizepräsident der schweizerischen Wettbewerbskommission, war die Einführung der Kronzeugenregelung ein sehr erfolgreicher Schritt. Beispielsweise brachte der heimische Stahlkonzern voestalpine als Kronzeuge die Ermittlungen gegen das Schienenkartell - Stahlproduzenten verlangten überteuerte Preise von der Deutschen Bahn - ins Rollen. Die Voest kam daraufhin beim Deutschen Bundeskartellamt mit einem reduzierten Bußgeld von 8,5 Mio. Euro davon. ThyssenKrupp musste damals gut 100 Mio. Euro Bußgeld zahlen.
Durch die Kronzeugenregelung seien in Deutschland etwa Kartelle in Bereichen entdeckt worden, die bisher nicht als besonders kartellgefährdet galten - beispielsweise etwa die Süßwarenindustrie oder Drogerieartikelhersteller, so Haucap, der zwischen 2008 und 2012 als Vorsitzender der deutschen Monopolkommission fungierte. Im Gegensatz dazu sei die Baubranche "notorisch kartellanfällig".
Seit dem Jahr 2002 wurden in Österreich knapp 100 Mio. Euro an Geldstrafen wegen Preisabsprachen und Kartellbildung, Missbrauch der Marktstellung und ähnlichen Vergehen verhängt, davon allein 87 Mio. Euro seit dem Jahr 2007. Zuletzt wurden die Dämmstoffhersteller Steinbacher und der Baustoffhändler Bauhaus wegen vertikaler Preisabsprachen zu einer Geldbuße von insgesamt 1,045 Mio. Euro verdonnert. Auch der oberösterreichische Milchriese Berglandmilch musste kürzlich wegen jahrelanger Preisabsprachen eine Millionenstrafe zahlen. Das Kartellgericht hat gegen Österreichs größte Molkerei eine Geldbuße in der von der BWB beantragten Höhe von 1,125 Mio. Euro verhängt. Im österreichischen Lebensmitteleinzelhandel habe es seit 2011 insgesamt 22 Hausdurchsuchungen - etwa bei Rewe (u.a. Billa, Merkur) und Spar - wegen vermuteter Preisabsprachen geben, so der BWB-Chef.
Die von heimischen Konsumentenschützern geforderte Untersuchung von Preisaufschlägen bei Nahrungsmitteln in Österreich im Vergleich zu Deutschland sieht Thanner nicht in seiner Zuständigkeit. "Wir untersuchen Preisabsprachen. Preisaufschläge sind nicht verboten und haben viele Gründe." Haucap führte etwa die niedrigeren Lebensmittelpreise in Deutschland auf den größeren Discounter-Marktanteil als in Österreich zurück.
Insgesamt sehen die Experten Wettbewerbspolitik - etwa Fusionskontrolle, Kartellverbot, Liberalisierung - als Wachstumstreiber. "Wettbewerbspolitik ist nicht alles, sondern hat indirekte Auswirkungen auf Kaufkraft und Wachstum", warnte der Vizepräsident der schweizerischen Wettbewerbskommission vor allzu großen Hoffnungen. Wettbewerbspolitik sei nicht Wachstums oder Währungspolitik. Für IHS-Chef Christian Keuschnigg liefert eine aktive Wettbewerbspolitik "gute Ergebnisse" für Unternehmen und Konsumenten. Indem die Wettbewerbspolitik unter anderem Preisabsprachen bekämpfe und Fusionen verbiete, die den Wettbewerb signifikant beeinträchtigen, trage sie zu niedrigen Preisen, höherer Innovationsintensität und steigenden Realeinkommen bei.
(Schluss) cri/gru
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