21.07.2014 18:35:38

Erste Verhandlungserfolge am Absturzort von MH17

   Von Alexander Kolyandr, Paul Sonne und Margaret Coker

   Die zähen Verhandlungen um die von Rebellen kontrollierte Absturzstelle der Malaysia-Airlines-Maschine in der Ostukraine trugen am Montag erste Früchte: Laut einem ukrainischen Vertreter wurde eine Vereinbarung erzielt, die Leichen zu übergeben. Außerdem bereite die Ukraine die Übergabe der Verantwortung für die Ermittlungen an die Niederlande vor.

   Aber trotz der ersten Fortschritte an der Absturzstelle brachen erneut Kämpfe zwischen den ukrainischen Streitkräften und prorussischen Rebellen aus.

   Vertreter der Ukraine sagten, sie treiben Angriffe an drei Fronten voran, um die Hochburgen der Rebellen einzukreisen. In der Gegend um den Bahnhof und den Flughafen von Donezk gab es Artillerie- und Gewehrfeuer. Dort sollen Zivilisten zu Tode gekommen sein, nur ein paar Fahrminuten vom Stadtzentrum entfernt, wo die niederländischen Experten ihre Hotelzimmer bezogen haben, bevor sie sich auf den Weg zur Absturzstelle machten. Der Unglücksort ist rund 80 Kilometer östlich von Donezk.

   "Unsere Aktivitäten in Donezk sind Teil der laufenden Operation, unsere Städte Schritt für Schritt zu befreien", sagte ein Sprecher des ukrainischen Sicherheitsrats am Montag. Genau äußerte er sich zu den Plänen nicht. Die Kämpfe fänden derzeit weiterhin außerhalb von Donezk statt und ukrainische Streitkräfte hätten keine Pläne, in die Stadt vorzustoßen und die internationalen Experten zu gefährden.

   193 niederländische Staatsbürger starben beim Absturz. Die Maschine war mit 298 Passagieren und Besatzung unterwegs von Amsterdam nach Kuala Lumpur, als sie am Donnerstag über Rebellengebiet abgeschossen wurde.

   Der ukrainische Vize-Ministerpräsident Volodymyr Hroisman sagte, es gebe ein Abkommen, die Leichen nach Charkiw zu schaffen. Dort finden keine Kämpfe statt und der Ort ist unter Kontrolle der Regierung.

   Insgesamt 282 Leichen und 87 Leichenteile befinden sich derzeit in heruntergekühlten Eisenbahnwaggons in der von prorussischen Rebellen gehaltenen Stadt Torez, rund 20 Kilometer südlich der Absturzstelle. Rebellenführer Alexander Borodai sagte, seine Gruppe traue Kiew nicht und werde die Leichen nur an internationale Experten übergeben.

   Ukrainische Truppen und prorussische Rebellen haben einander beschuldigt, die Boeing 777 abgeschossen zu haben. Vertreter der US-Regierung stützen sich auf eigene Erkenntnisse, die nahelegen, dass die Rebellen mit einem Geschoss aus Russland auf das Flugzeug geschossen haben. Russland beschuldigt die Ukraine, einen Krieg angefangen zu haben, der indirekt zu dem Absturz führte - aber hat die ukrainischen Truppen nicht offiziell beschuldigt, das Flugzeug abgeschossen zu haben. Die Ukraine wiederum bestreitet, jemals während des Krieges Boden-Luft-Raketen benutzt zu haben, und beschuldigt Russland, einen Krieg innerhalb der ukrainischen Grenzen geschürt zu haben.

   Unterdessen hat US-Präsident Barack Obama seine Forderung an den russischen Präsidenten Wladimir Putin erneuert. Putin solle seinen Einfluss auf die pro-russischen Separatisten in der Ostukraine ausnutzen, um den Ermittlern vor Ort freien Zugang zur Unglücksstelle zu ermöglichen.

   Der Westen verliere die Geduld mit Putin angesichts der Bilder über mögliche Plünderungen an der Absturzstelle, der Verfälschung von Beweismitteln durch pro-russische Separatisten und des planlosen Umgangs mit den Opfern, machte Obama klar.

   Der US-Präsident forderte den sofortigen und uneingeschränkten Zugang und warnte Russland vor weiteren Sanktionen, sollte Putin nicht eingreifen. Angesichts der Tatsache, dass die Separatisten den Experten keinen freien Zugang zu der Unglücksstelle gewährten, fragte Obama: "Was genau versuchen sie zu verstecken?"

   Am Montag gab es erste Zeichen für eine Waffenruhe zwischen den ukrainischen Truppen und den Rebellen, auch wenn die Kämpfe zunächst andauerten. Die Friedensgespräche mit Vertretern der Rebellen, der Ukraine sowie Russland und Diplomaten der OSZE sollten am Montag per Videokonferenz fortgeführt werden, sagte Borodai. "Ich bin sehr pessimistisch, was diese Verhandlungen angeht, die früheren Versuche waren nutzlos", so Borodai. Kiew sei nur zu Kompromissen bereit, wenn die Rebellen sich voll ergeben.

   Die Verhandlungen über den Zugang zum Absturzort stocken durch das gegenseitige Misstrauen der Parteien, die andauernden Kämpfe und das langsame Tempo der Diplomaten seit Tagen. Der ukrainische Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk sagte, es liefen Verhandlungen darüber, dass niederländische Behörden die Ermittlungen nach dem Absturz leiten. Offenbar versucht Jazenjuk, den Konflikt zwischen der Ukraine sowie den Rebellen und Moskau zu lösen, indem eine unabhängige Partei die Aufsicht über die Untersuchung bekommt. Am Sonntag waren die Rebellen, die die Absturzstelle besetzt hatten, fast verschwunden - möglicherweise ein Zeichen ihrer Zustimmung.

   Die Niederländer hätten den Antrag gestellt, da ihre Bürger beim Absturz "am meisten gelitten haben", sagte Jazenjuk. Ihre Aufsicht würde "den Ermittlungen eine höhere Unabhängigkeit geben". Die Niederländer dürften alle Leichen in ihren Besitz nehmen, wenn sie das Gebiet verlassen, das von den ukrainischen Rebellen kontrolliert wird, so Jazenjuk. Wahrscheinlich ist, dass alle Überreste nach Amsterdam geschickt werden, wo die Niederländer sie forensisch untersuchen. "Die Niederländer leiten den Prozess, indem sie sich mit den ukrainischen Behörden und der internationalen Gemeinschaft abstimmen", so der Ministerpräsident.

   Eine Sprecherin der niederländischen Sicherheitsbehörde DSB sagte, Diskussionen zum Thema würden noch geführt. Diese würden sich auch um die Anhäufung von internationalen Unfallermittlern am Ort des Absturzes drehen, so etwa solche der Vereinten Nationen.

   Mehr als 200 Malaysier wurden in die Ukraine entsandt, um bei den Ermittlungen und der Bergung der Leichen zu helfen, erklärte Malaysia Airlines - auch der Vorstandschef und Aufsichtsratsvorsitzende der Airline. Malaysias Transportminister Liow Tiong Lai hilft, die Operation zu dirigieren. Laut Lai warten 133 Regierungsvertreter und Experten in Kiew auf Zugang zum Unfallort.

   Gespräche im Hauptquartier der Rebellen

   Einige von ihnen erreichten Donezk am Montag. Etwa ein Dutzend malaysische Offizielle begannen im Hauptquartier der Rebellen Gespräche mit Rebellenführer Borodai. Unter den Toten sind 43 Malaysier, inklusive der Flugzeugbesatzung.

   Das ukrainische Präsidentenflugzeug landete am Morgen in Tscharkow. Damit kamen 31 internationale Experten zum logistischen Knotenpunkt nahe der Unglückstelle in einer Stadt, in der es keine Kämpfe gibt und die unter der Kontrolle der nationalen Regierung ist. Das Expertenteam besteht aus 23 Niederländern, 2 Deutschen, 2 Amerikanern und einem Briten, sagte Jazenjuk. Zusätzlich werde das Team von drei australischen Diplomaten verstärkt.

   Es bleiben aber nach wie vor Fragen darüber, ob die Kämpfe in der Region weitere Experten davon abhält, die Absturzstelle in Augenschein zu nehmen. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hatte seinem Militär befohlen, jegliche Militäroperationen in einem Radius von 40 Kilometern um die Unglückstelle einzustellen, um einen sicheren Zugang zu dem Standort zu gewährleisten.

   Rund um die Stadt Donezk kämpft das ukrainische Militär weiter. In der Stadt sind internationale Beobachter und Gerichtsmediziner in Hotels untergebracht, die entsprechend von ihren Unterkünften zu der Unglückstelle pendeln müssen.

   Dem ukrainischen Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrat zufolge macht das Militär in der Region Fortschritte. Das Militär sei nur rund um die Stadt in Konflikte involviert und versuche sich die Kontrolle über die Straßen nach Donezk zu erkämpfen. Eine wichtige Straße mit strategischer Bedeutung Richtung Flughafen sei bereits erobert worden.

   Ein Sprecher des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrat versprach, dass die Militäraktionen die Arbeit der internationalen Experten, die in Donesk eingetroffen sind, nicht gefährden werde.

   Mitarbeit: James Marson, Robert Wall, Lukas I. Alpert und Carol E. Lee.

   Kontakt zum Autor: konjunktur.de@dowjones.com

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   July 21, 2014 12:22 ET (16:22 GMT)

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