Konjunktur im Blick 13.11.2015 07:47:00

EIB-Chef Hoyer: 500 Milliarden Investitionslücke in Europa pro Jahr

Die EIB spielt beim Investitionsplan für Europa (Juncker Plan) über den Investitionsfonds EFSI eine große Rolle. In den nächsten drei Jahren sollen Invests von 315 Milliarden Euro ausgelöst werden. Insgesamt werden jährlich europaweit um 500 Milliarden Euro zu wenig investiert, so Hoyer. Er erinnerte, dass das Investitionsvolumen in Europa 2007 im Gefolge der Lehman-Pleite um 15 Prozent einbrach. Und danach sei "das Investitionsvolumen nicht wieder hochgekommen, seither liegen wir auf diesem Niveau. Das hat Konsequenzen für das Wachstumspotenzial der europäischen Wirtschaft."

Die Investitionen von 315 Mrd. Euro sollen ja mit einer Kapitalbasis von 21 Mrd. Euro - 16 Mrd. Euro als Garantiesumme von der EU und 5 Mrd. Euro in Cash von der EIB selbst - auslösen. Grund ist die geortete "Investitionslücke" in Europa.

Es gehe etwa um Forschung & Entwicklung und Innovationen. Selbst in den wirtschaftlich stärksten Ländern liege die F&E-Quote größtenteils deutlich unter dem Ziel von 3 Prozent. "Das ist eine dramatische Entwicklung", sagte Hoyer. Breche man die Investitionslücken herunter, dann käme man zum Schluss, dass man - wenn man die EU-eigenen Ziele Energieeffizienz und -sicherheit erreichen wolle - dafür alleine jährlich 100 Milliarden Euro aufwenden müsste. Beim Verkehr seien es 50 Milliarden Euro, bei Breitbandnetzen und Rechenzentren 55 Milliarden Euro, bei Abwasserprojekten 90 Milliarden Euro. "Insgesamt gibt es eine 500 Milliarden Euro Investitionslücke in Europa pro Jahr."

Es gebe ein riesiges Problem, das mit der Vollendung des Binnenmarktes zusammenhänge. So fehle ein digitaler Binnenmarkt wie in den USA oder China, sagte der aus Deutschland stammende Hoyer, der auch Präsident des Instituts für europäische Politik ist und früher FDP-Politiker war.

Liquidität sei nicht das Problem, "wir ersaufen in Liquidität in Europa". Trotzdem gebe es ein massives Problem bei der Finanzierung vor allem bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Es gehe um mehr Risikofreude. Daher brauche es Risikoteilungsprojekte auf dem Markt. Dabei sei es ein Vorteil, dass der EFSI faktisch kein Fonds sondern eine Garantie-Fazilität und von der EIB organisiert sei. Der sogenannte Fonds - mit Ex-ÖVP-Chef und -Vizekanzler Wilhelm Molterer als Chef - werde nach noch wenigen offenen Organisationsfragen "in den nächsten Wochen voll handlungsfähig sein". "Es geht um die Selbstbehauptung der Europäer in der Globalisierung", sagte Hoyer.

Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) sagte vor zahlreichen Gästen im Ministerium im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Finanz im Dialog", dass die Zusammenarbeit der europäischen Länder mit der EIB ausgezeichnet funktioniere. Dass sein Vorgänger als Finanzminister, Molterer, dort Vizepräsident war und nun die neue Position übernimmt, "das hilft".

In der folgenden Diskussion sagte Schelling, es müsse hierzulande geschaut werden, dass eine steigende Kreditnachfrage bei einem einkehrenden Wachstum gehoben werden kann, damit es nicht womöglich zu einer Kreditklemme komme, wenn die Investitionen wieder anziehen. Daher arbeite man derzeit mit Banken an einer "Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft", die wachstumsgenerierend und -fördernd sein solle, so Schelling.

Stefan Bruckbauer, Chefökonom der Bank Austria, der heute ebenso als Gast bei "Finanz im Dialog" war, sei derzeit ein besonderer Gast, so Schelling, weil die Bank Austria derzeit "durchaus auch spannende und interessante Zeiten durchmacht". Deren Mutter UniCredit hatte gestern ein massives Sparprogramm angekündigt, dass an der heimischen Tochter keineswegs spurlos vorübergeht.

Zur Sache an sich sagte Bruckbauer wiederum, dass für Österreich alleine durch die Steuerreform ein halber Prozentpunkt mehr Wachstum im kommenden Jahr zu erwarten sei. "Die Leute werden effektiv mehr Geld haben. Wir sollen gar nicht so pessimistisch sein, was die Erholung nächstes Jahr in Österreich betrifft. Problem ist, dass die Erholung über den Konsum und nicht über Investitionen läuft. Das ist ein bisschen eine Gefahr für das Potenzialwachstum in den nächsten Jahren", so der Ökonom. Für 2016 rechnet er mit einem Wachstum in Österreich von 1,5 Prozent, etwas unter dem Unionsschnitt.

Zum Juncker-Plan sagte Bruckbauer, dass dieser nichts bezahle, es brauche jemanden, der sagt er investiere. 315 Mrd. Euro wären ein enorm positiver Effekt für die Wirtschaft.

Hoyer hatte auch davon gesprochen, dass wegen der Flüchtlingskrise finanziell noch einiges auf Europa zukommen werde. Hier gehe es um die Integration. Investitionen seien auch in den Erstankunftsländern wie Italien nötig. Dazu kämen notwendige Maßnahmen in den Herkunftsländern um den Migrationsdruck zu lindern.

phs/ggr

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