In neuer Gesellschaft |
31.12.2014 03:00:01
|
E.ON: Warum sich der Konzern aufspaltet
Irgendwann im Laufe des Jahres 2014 muss in Johannes Teyssen die Entscheidung gereift sein: So geht es nicht weiter. Der E.ON-Chef hat es satt, Getriebener der Politik zu sein. Er will wieder selbst lenken - und nicht warten, bis die Politik ihm die Weichen stellt. Endlich wieder agieren, nicht reagieren. So trat Anfang Dezember ein angriffslustiger Teyssen vor die Mikrofone. Was er zu sagen hatte, versetzte Politik, Konkurrenz und Börsen in Bewegung.
Der größte deutsche Energieversorger will sich aufspalten. In einen jungen dynamischen Teil unter dem Namen E.ON. Dieser soll auf erneuerbare Energien, intelligente Stromnetze und Energiedienstleistungen setzen oder wie Teyssen es formulierte, auf "die neue Energiewelt". Und in einen Teil, bislang als "Neue Gesellschaft" bezeichnet. Er soll Wasser-, Gas-, Kohle- und Atomkraftwerke, Energiehandel sowie Gasförderung und -produktion weiterführen. Insbesondere die konventionelle Energieerzeugung ist durch die Energiewende in Deutschland stark unter Druck geraten.
Aus Sicht des Unternehmens, aber auch der Investoren ist die Aufspaltung sinnvoll. Für Politik und Steuerzahler birgt sie unwägbare Risiken.
Teyssens Flucht nach vorn ist eine Reaktion auf die ausweglose Situation, in der er das Unternehmen infolge der Energiewende sieht. Oder wie Teyssen es selbst diplomatisch formuliert: "Das bisherige Geschäftsmodell von E.ON wird den neuen Herausforderungen nicht mehr gerecht." Der Konzernbetriebsrat wird da etwas deutlicher: "Der Vorstand hat die Reißleine gezogen."
Die Düsseldorfer sind mit diesem Problem nicht allein. Das einstige Oligopol der vier großen Energieerzeuger E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall hat in der Vergangenheit Milliarden mit billigem Atomstrom verdient. Doch seit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am 14. März 2011 - nach dem Atomunfall im japanischen Fukushima - den endgültigen Ausstieg aus der Kernenergie bis 2022 verkündete, ist das Goldene Zeitalter der Energieriesen zu Ende.
Doch der Atomausstieg ist nicht das einzige Problem, das die Versorger seither plagt. Wegen des rasant steigenden Angebots von Strom aus teils hoch subventionierten erneuerbaren Energien ist der Börsenpreis für Strom stark gefallen. Deshalb verdienen Erzeuger wie E.ON auch mit ihren Kohle- und Gaskraftwerken immer weniger Geld.
Wegen der fehlenden Wachstumsaussichten auf dem wichtigen deutschen Markt suchte E.ON-Chef Teyssen sein Heil im Ausland, in Russland, Brasilien und der Türkei. Doch sein Plan ging nicht auf. Der falsche Partner in Brasilien, die Ukraine-Krise und der Absturz von Rubel, Real und Lira machten ihm einen Strich durch die Rechnung.
Stolpernder Riese. Die Energiekonzerne galten bei ihren Aktionären - zu denen auch viele Kommunen zählen - lange als Fels in der Brandung, sprich als sichere Dividendenwerte. Doch nun sind sie ins Wanken geraten. "Auch ein Riese kann stolpern, wenn sie ihn auf dem falschen Fuß erwischen", beschrieb RWE-Chef Peter Terium jüngst auf dem Wirtschaftsgipfel der "Süddeutschen Zeitung" die Situation der Versorger. Er bezeichnete die Lage als "durchaus sehr ernst".
Wie ernst die Situation der einstigen Oligopolisten ist, zeigt ein Blick in die Bilanzen: Nach €uro-Berechnungen mussten E.ON und RWE seit 2011 ihre Unternehmenswerte um über 40,5 Milliarden Euro nach unten korrigieren. Allein 2014 wird E.ON sage und schreibe 5,2 Milliarden Euro abschreiben müssen, weil seine Kraftwerke und Auslandsbeteiligungen an Wert verloren. Es sind diese Abschreibungen, die Aktionären in den vergangenen Jahren so wehtaten.
Gut geplant von E.ON: Diese Ankündigung von Finanzchef Klaus Schäfer ging im Getöse um die Unternehmensaufspaltung unter. Auch sein Hinweis, dass dies zu einem "erheblichen Konzernfehlbetrag" führen werde, fiel in der Aufregung kaum auf. Doch statt E.ON wegen der Gewinnwarnung abzustrafen, feierten die Aktionäre die Aufspaltung, die für 2016 geplant ist. Ähnlich wie bei den Börsengängen der ehemaligen Siemens-Töchter Infineon und Osram sollen den E.ON-Anteilseignern dann Aktien der "Neuen Gesellschaft" zugeteilt werden.
Teyssen glaubt, dass die beiden Gesellschaften für unterschiedliche Investorengruppen interessant sind: Für die einen ist es die "Neue Gesellschaft" mit 51 Gigawatt konventionellem Stromerzeugungsgeschäft, der Gasproduktion in Russland sowie dem Energiehandel, der unter anderem Gasspeicher- und Gaslieferverträge umfasst. Für die anderen ist es die neue E.ON mit über 33 Millionen Endkunden vor allem in Großbritannien, der Türkei und Deutschland, mit einer Million Kilometer Verteilernetze in Europa und der Türkei und 4,4 Gigawatt Erzeugungskapazität in Windparks und Solarkraftwerken.
Dabei sind Chancen und Risiken nicht so eindeutig verteilt, wie erste Reaktionen vermuten lassen: Die schuldenfreie "Neue Gesellschaft" könnte ein Infrastrukturbetreiber werden, mit sicheren, weil regulierten Erträgen aus dem Gasgeschäft - und einem großen Potenzial auf dem sich langsam bildenden Markt für Versorgungssicherheit.
Und die neue E.ON soll mit intelligenten Netzen und erneuerbaren Energien von der Energiewende profitieren. Allerdings könnten die hohen Schulden von E.ON, die sich zuletzt auf fast 93 Milliarden Euro beliefen, den Spielraum für die notwendigen Investitionen beschränken.
Die "Neue Gesellschaft" sei ein Wert, mit dem Investoren auf "Volatilität und Konsolidierung" setzen könnten, wohingegen die neue E.ON "Wachstum und Dividende" biete, fasste Teyssen das Chance-Risiko-Profil zusammen. Dabei sei es "noch nicht in die Bücher geschrieben, wer in fünf Jahren der Erfolgreichere ist".
Darüber hinaus bleibt ein großes Fragezeichen: Wer bezahlt den Rückbau der Kernkraftwerke und die Entsorgung des Atommülls? Teyssen wehrt sich gegen den Eindruck, er wolle sich durch die Aufspaltung des Konzerns dieser Lasten entledigen. Die Rückstellungen für die deutschen Atomkraftwerke sollen komplett auf die "Neue Gesellschaft" übergehen, zu deren Kraftwerkspark die Meiler künftig zählen sollen. Teyssen ist "überzeugt, dass die Rückstellungen für den Rückbau aller unserer Kernkraftwerke ausreichen". Doch was, wenn nicht? Wer bezahlt, wenn die "Neue Gesellschaft" pleitegeht? E.ON wollte auf Nachfrage von €uro nicht offenlegen, mit welchen Vermögenswerten die Rückstellungen gedeckt sind. Klar ist aber, durch die Aufspaltung werden auch die Vermögenswerte, sprich die Haftungsmasse, aufgeteilt. Die Netze verbleiben bei E.ON, Kraftwerkspark und Gasspeicher gehen in die "Neue Gesellschaft" über.
So richtig die Aufspaltung aus unternehmerischer Sicht sein mag, für den Steuerzahler entstehen unkalkulierbare Risiken. In jedem Fall wird es für die Politik dadurch schwieriger, die Lasten der Energiewende auf die Versorger abzuwälzen, wie zuletzt der Plan von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, die Kohlekraftbetreiber zu weiteren kostspieligen Einsparungen des Klimagases Kohlendioxid (CO2) zu zwingen. Vielleicht, so glaubt ein Insider, hatte es Teyssen einfach satt, "darauf zu warten, jedes Jahr ein Stück weiter hingerichtet zu werden".

Wenn Sie mehr über das Thema Aktien erfahren wollen, finden Sie in unserem Ratgeber viele interessante Artikel dazu!
Jetzt informieren!
Weitere Links:
Nachrichten zu E.ON SEmehr Nachrichten
20.02.25 |
Gute Stimmung in Frankfurt: LUS-DAX klettert am Donnerstagnachmittag (finanzen.at) | |
20.02.25 |
Börse Frankfurt: DAX präsentiert sich nachmittags fester (finanzen.at) | |
20.02.25 |
Starker Wochentag in Frankfurt: LUS-DAX in der Gewinnzone (finanzen.at) | |
20.02.25 |
Freundlicher Handel in Frankfurt: DAX mittags mit Kursplus (finanzen.at) | |
20.02.25 |
DAX 40-Papier EON SE-Aktie: So viel Verlust hätte eine Investition in EON SE von vor 3 Jahren bedeutet (finanzen.at) | |
19.02.25 |
Schwacher Wochentag in Frankfurt: LUS-DAX schließt mit Verlusten (finanzen.at) | |
19.02.25 |
Börse Frankfurt: DAX beendet die Mittwochssitzung in der Verlustzone (finanzen.at) | |
19.02.25 |
Angespannte Stimmung in Frankfurt: LUS-DAX gibt am Nachmittag nach (finanzen.at) |
Analysen zu E.ON SEmehr Analysen
19.02.25 | E.ON Buy | UBS AG | |
14.02.25 | E.ON Overweight | JP Morgan Chase & Co. | |
12.02.25 | E.ON Overweight | JP Morgan Chase & Co. | |
30.01.25 | E.ON Buy | Goldman Sachs Group Inc. | |
21.01.25 | E.ON Buy | UBS AG |
Aktien in diesem Artikel
E.ON SE | 11,73 | 0,26% |
|