09.10.2014 18:30:30
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Draghi will Einhaltung der Fiskalregeln und sagt Bilanzvergrößerung zu
Von Hans Bentzien
EZB-Präsident Mario Draghi hat die Regierungen der Eurozone davor gewarnt, Zweifel an der Nachhaltigkeit ihrer Finanzpolitik zu wecken, zugleich aber seine Bereitschaft zu einer noch stärkeren Lockerung der Geldpolitik betont. Bei einer Rede in Washington sagte Draghi laut vorab verbreitetem Redetext, sollten die Länder jetzt gegen die neu aufgestellten Haushaltsregeln verstoßen, könnte das erneut zu einer prozyklischen Fiskalpolitik führen. "Jetzt nicht nur die Buchstaben, sondern auch den Geist der Haushaltsregeln in Frage zu stellen, wäre selbstzerstörerisch", sagte Draghi.
Andererseits bekräftigte der EZB-Präsident seine Bereitschaft, den Regierungen noch mehr Zeit für wachstumsfreundliche Reformen zu schaffen. Der EZB-Rat hat viele Male seine einmütige Bereitschaft zu neue Maßnahmen bekräftigt, die im Falle einer zu lange niedrigen Inflation ergriffen werden könnten. "Das bedeutet, dass wir bereit sind, das Ausmaß und/oder den Mix unser unkonventionellen Politik und damit auch unserer Bilanz zu verändern", sagte Draghi.
Die EZB sei den Bürgern des Euroraums gegenüber verpflichtet, für Preisstabilität zu sorgen. "Und genau das werden wir tun." Mit ihrem Wertpapierkaufprogramm richte die EZB ihre Geldpolitik auf eine direktere Kontrolle ihrer Bilanzsumme aus.
Besonders am Herzen lag dem EZB-Präsidenten bei seinem Vortrag in der Brookings Institution jedoch die Finanzpolitik der Staaten. Wörtlich sagte der EZB-Präsident: "Die Haushaltsregeln dienen dazu, Vertrauen herzustellen, und zwar nicht nur an den Finanzmärkten, sondern auch unter Konsumenten, Unternehmern und nicht zuletzt den Regierungen selbst. Jegliche Wahrnehmung, dass diese Regeln gebrochen werden, unterminiert die Grundannahme unserer Währungsunion: Dass wir unsere Politik so koordinieren können, dass uns unsere Bürger vertrauen."
Hintergrund von Draghis Appell ist ein Streit um die französische Finanzpolitik. Der französische Finanzminister hat angekündigt, der EU-Kommission für 2015 einen Haushaltsentwurf vorzulegen, der ein Defizit von 4,3 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung beinhaltet. Gemäß seinen Vereinbarungen mit den europäischen Partnern wäre Frankreich jedoch verpflichtet, sein Defizit auf 3 Prozent zu verringern. Das lehnt der Finanzminister aber unter Verweis auf die prekäre Konjunkturlage ab.
Auch Italien will dem Vernehmen nach seine selbst gesteckten Haushaltsziele strecken. In Deutschland werden unterdessen wegen der sich abzeichnenden Konjunkturschwäche Rufe nach mehr Infrastrukturinvestitionen laut.
Draghi riet den Ländern vor diesem Hintergrund, entsprechend ihrer Haushaltslage zu verfahren und sich dabei an die europäischen Regeln zu halten. Sei das Vertrauen in die Finanzpolitik hergestellt, könnten Länder durchaus vorhandenen Spielraum nutzen, so dass die Finanzpolitik nicht gegen die Geldpolitik arbeite. "Das kann und sollte innerhalb der existierenden Regeln geschehen. Vor diesem Hintergrund sollte Länder und europäische Institutionen, die über Spielraum verfügen, diesen nutzen."
Zu diesen Ländern zählt zweifellos Deutschland, wo aber selbst nach extrem schwachen Konjunkturdaten die Neigung zu schuldenfinanzierten Konjunkturprogrammen nicht besonders hoch ist. So sieht der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, zwar eine jährliche Investitionslücke von 10 Milliarden Euro alleine bei der Verkehrsinfrastruktur, er sagte aber auch: "Wir müssen diese Lücken schließen, ohne gegen die Regeln der Schuldenbremse zu verstoßen. Es kommt darauf an, die Zusammensetzung der öffentlichen Ausgaben zu verändern: Weniger Konsum, mehr Investitionen."
Kontakt zum Autor: hans.bentzien@wsj.com
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October 09, 2014 11:59 ET (15:59 GMT)
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