Wohnungsnachfrage |
23.04.2021 08:49:39
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Deutsche Wohnen-Aktie im Fokus: Mietendeckel-Aus sorgt für Befreiungsschlag - vorerst
DIE LAGE DES UNTERNEHMENS:
Die Deutsche Wohnen gehört zu den größten Wohnimmobilienkonzernen Deutschlands. Im Juni vergangenen Jahres stieg Berlins größter Vermieter nach Vonovia als zweite Immobilienfirma in den DAX auf. Die Hauptstadt bekam damit 14 Jahre nach der Schering-Übernahme durch Bayer wieder einen Konzern in der obersten Börsenliga.
Doch Grund zum Feiern gab es erst einmal wenig, bekam das Unternehmen im vergangenen Jahr doch den Mietendeckel in der Hauptstadt deutlich zu spüren. Die Bestandsmiete im Gesamtportfolio fiel um gut vier Prozent auf durchschnittlich 6,70 Euro pro Quadratmeter, in Berlin war es ein Minus von sechs Prozent.
Dem Konzern gehören in Deutschland etwa 155 400 Wohnungen. Rund drei Viertel davon stehen in Berlin. Wie in vielen Ballungsräumen sind die Mieten dort in den vergangenen Jahren besonders stark gestiegen.
Trotz der Belastungen konnte die Deutsche Wohnen auf ein stabiles Jahr 2020 zurückblicken. Der für den Konzern maßgebliche operative Gewinn (Funds from Operations 1, kurz FFO1) ging leicht um 1,6 Prozent auf gut 544 Millionen Euro zurück. Für das laufende Jahr erwartet der Konkurrent von Vonovia, LEG Immobilien und TAG Immobilien einen operativen Gewinn etwa auf dem Niveau von 2020. Dabei rechnete das Unternehmen bereits damit, dass der Mietendeckel in Berlin gekippt wird.
Erst jüngst erklärte das Bundesverfassungsgericht das seit mehr als einem Jahr geltende Berliner Mietendeckel-Gesetz in einem Beschluss für nichtig. Für das Mietrecht sei der Bund zuständig, daneben dürfe es kein Landesgesetz geben, hieß es zur Begründung. Damit gelten die im Landesgesetz festgelegten Mietobergrenzen nicht mehr. Auf viele Menschen in Wohnungen mit gedeckelter Miete in Berlin kommen Nachzahlungen zu.
Die Deutsche Wohnen kündigte bereits an, auf Nachforderungen an Mieter nicht verzichten zu wollen. "Keine Mieterin und kein Mieter der Deutsche Wohnen wird durch die Entscheidung die Wohnung verlieren", teilte das Unternehmen am selben Tag der Urteilsverkündung aus Karlsruhe mit. "Auf den Ausgleich der Außenstände komplett zu verzichten, würde jedoch unseren Verpflichtungen gegenüber dem Unternehmen, seinen Mitarbeitern und Eigentümern nicht gerecht werden."
Die Initiatoren des Berliner Volksbegehrens zur Enteignung großer Wohnungskonzerne rechnen nun aber mit neuem Schwung für ihre Unterschriftensammlung. "Wir spüren große zusätzliche Unterstützung", sagte Mitinitiator Rouzbeh Taheri. Ein Bündnis Berliner Mieterinitiativen strebt an, dass Immobilienunternehmen mit mehr als 3000 Wohnungen "vergesellschaftet", also gegen eine Entschädigung per Landesgesetz enteignet werden.
Wie es im ersten Quartal 2021 für Deutsche Wohnen lief, werden Anleger bei der Vorlage der Zahlen am 12. Mai erfahren.
DAS SAGEN ANALYSTEN:
Von den seit März im dpa-AFX-Analyser erfassten elf Analysten empfiehlt die Mehrheit die Aktie zum Kauf. Während drei Experten zum Halten der Papiere raten, spricht sich keiner für einen Verkauf aus. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei rund 50 Euro und damit über dem aktuellen Kursniveau.
Für Analyst Charles Boissier von der Schweizer Großbank UBS ist der Richterspruch das bestmögliche Ergebnis für die in der deutschen Hauptstadt tätigen Wohnimmobilienunternehmen. Die Entscheidung sei unwiderruflich und müsse mit sofortiger Wirkung umgesetzt werden. Der Richterspruch ist laut Analyst Sander Bunck von der britischen Investmentbank Barclays unmissverständlich gewesen und habe deshalb positiv überrascht. Bei der Deutschen Wohnen stünden die Zeichen damit wieder auf Wachstum.
Zudem beseitigt der Beschluss nach Ansicht von Julian Livingston-Booth vom Analysehaus RBC die regulatorischen Risiken. Deutsche Wohnen dürfte versuchen, die entgangenen Mieteinnahmen einzufordern, denn die im März veröffentlichten Jahresergebnisziele für 2021 waren auf dieser Basis gegeben worden.
DZ-Bank-Analyst Karsten Oblinger bewertet das Aus des Berliner Mietendeckels als Etappensieg. Allerdings dürfe nicht vergessen werden, dass in diesem Jahr die Bundestagswahl anstehe und das Thema Mietpreisregulierungen damit noch mehr in den Fokus des Wahlkampfes rücke, mahnte er. Die politischen Mehrheitsverhältnisse in Deutschland hätten sich in den letzten Wochen und Monaten spürbar verschoben, sodass eine deutlich stärke Mietregulierung auf Bundesebene nicht mehr ausgeschlossen werden könne.
DAS MACHT DIE AKTIE:
Den Corona-Crash mit einem Tief von 27,66 Euro vor gut einem Jahr haben die Aktien ebenso längst abgehakt wie die Kursdelle bis auf 28,59 Euro im Jahr 2019, als Berlin das strenge Vorgehen gegen Mietsteigerungen angekündigt hatte.
Aktuell notieren die Papiere bei etwas mehr als 46 Euro und liegen damit fast wieder auf dem Rekordniveau aus dem Herbst 2020. Anfang des Jahres hatten die Aktien vorübergehend unter Inflationssorgen gelitten, da eine anziehende Teuerung und damit möglicherweise auch steigende Zinsen an den Anleihemärkten den Immobilienunternehmen das Leben schwerer machen würde - sowohl bei der Finanzierung neuer Projekte als auch bei der Bewertung der Bestandsobjekte. Die Sorgen sind mittlerweile aber weitgehend abgeklungen.
Die Kursgewinne summieren sich seit Jahresbeginn auf etwas mehr als sechs Prozent, wobei insbesondere die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ab Mitte April Rückenwind lieferte. Seit dem Corona-Crash-Tief summieren sich die Kursgewinne auf zwei Drittel. Mit dem Anstieg in diesem Jahr und seit dem Corona-Crash hinkt das Deutsche-Wohnen-Papier der Entwicklung des DAX hinterher, schnitt aber besser ab als die Anteile des Konkurrenten Vonovia.
Auf Fünf-Jahres-Sicht lag das Plus der Deutsche-Wohnen-Aktie mit mehr als 50 Prozent über demjenigen des deutschen Leitindex, reicht in diesem Zeitraum aber allerdings nicht an das Plus der Anteile des Vonovia heran. An der Börse bringt es Deutsche Wohnen derzeit auf einen Wert von knapp 17 Milliarden Euro, was einen der letzten Plätze im DAX bedeutet. Vonovia bringt es mit rund 32 Milliarden Euro auf eine rund doppelt so hohe Marktkapitalisierung.
Das Unternehmen Deutsche Wohnen wurde 1998 von der Deutschen Bank gegründet und 1999 von dieser an die Börse gebracht, wurde aber in den ersten Jahren seiner Geschichte von der Deutschen-Bank-Tochter DB Real Estate Management GmbH beherrscht. Erst 2006 wurde das Immobilienunternehmen aus dem Deutsche-Bank-Konzern herausgelöst und ein eigenständiges Unternehmen.
Danach sackte der Kurs von knapp 30 Euro im Frühjahr 2006 wegen der Finanzkrise erst einmal bis auf zwei Euro im Jahr 2008 ab. Doch seitdem ging es befeuert unter anderem durch Übernahmen, dem Immobilienboom und den niedrigen Zinsen kräftig nach oben - bis auf knapp 47 Euro im November des vergangenen Jahres.
/mne/ngu/mis/zb/stk
BERLIN (dpa-AFX)
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