24.06.2015 10:15:46
|
Deutsche Politiker zweifeln an Griechenland-Abstimmung noch im Juni
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)-- Mehrere Bundestagsabgeordnete der Union rechnen angesichts der nur noch sehr kurzen Frist bis Monatsende nicht mehr mit einer Bundestagsabstimmung über eine Verlängerung des zweiten Hilfsprogramms für Griechenland. Sie stellen damit laut einem Bericht der Bild-Zeitung ein Ende der Hilfen in Aussicht.
In der Unions-Fraktionsspitze wird dagegen eine Befassung des Parlaments in der kommenden Woche weiter nicht ausgeschlossen. Laut dem Blatt werden dafür allerdings noch wichtige Gutachten verlangt. Die Entscheidung über die Sitzung träfe letztlich der Bundestag auf Antrag der Fraktionsspitzen.
"Dass wir am Montag oder Dienstag irgendwas beschließen, halte ich nicht für machbar", sagte der CDU-Finanzpolitiker Olav Gutting dem Blatt. "Wir haben bereits mehrmals darauf hingewiesen, dass wir nicht bereit sind, innerhalb von kürzester Zeit etwas zu beschließen." Der CSU-Obmann im Finanzausschuss, Hans Michelbach, erklärte, die griechische Regierung habe sich in den Verhandlungen mit den Gläubigern "zu viel Zeit" gelassen. "Damit kann kein weiteres Geld fließen."
Beide Politiker zählen zu den 29 Unions-Abgeordneten, die bereits Ende Februar eine Verlängerung des Hilfsprogramms für Griechenland abgelehnt hatten.
Auch der Vorsitzende des Bundestagsausschusses zur EU, Gunther Krichbaum, rechnet nicht mehr mit einer Abstimmung im Bundestag. "Mir fehlt die Fantasie, wie das in so kurzer Zeit funktionieren soll", sagte er dem Blatt. "Wir brauchen Zeit für eine seriöse parlamentarische Beratung."
Die Spitze der Unions-Bundestagsfraktion hält aber offenbar weiter den Plan für machbar, im Falle einer Einigung mit Griechenland bei den Beratungen der Euro-Finanzminister am Mittwoch und der EU-Spitzen ab Donnerstag im Bundestag am Beginn der nächsten Woche abzustimmen. Dies sei "theoretisch möglich", hieß es.
Die Fraktionsspitze knüpft eine mögliche Beratung und Abstimmung über die Verlängerung des zweiten Hilfspakets für Griechenland aber laut Bild an die Beibringung wichtiger Gutachten. "Bevor die Abgeordneten der Unionsfraktion über weitere Griechen-Hilfen entscheiden können, müssen in Berlin vier Dokumente vorliegen," forderte Fraktionsvize Michael Fuchs. Nötig seien ein "ordentlicher Verlängerungsantrag von Griechenland" sowie "eine Vereinbarung Griechenlands mit den drei Gläubiger-Institutionen IWF, EU-Kommission und EZB über die Umsetzung der Reformen".
Fuchs verlangte demnach auch "ein Dokument, das die Schuldenlasttragfähigkeit der Griechen beweist" und "eine formelle Bestätigung Griechenlands, dass es seine Schulden beim IWF zum 30. Juni bezahlt".
Gelingt eine Einigung bis zum Donnerstag, ließe dies dem Bundestag Zeit, rechtzeitig vor dem Ende des Monats über die Hilfen zu entscheiden. Die Abstimmung könnte dann bei Sitzungen am kommenden Montag oder Dienstag in der regulären Sitzungswoche stattfinden. Voraussetzung dafür wäre allerdings laut CSU-Präsidiumsmitglied Manfred Weber ein Beschluss des griechischen Parlaments. "Die Mehrheit in Athen muss stehen, erst dann kann man in den Bundestag gehen und in die anderen Parlamente," hatte er am Dienstag im ZDF-Morgenmagazin gesagt.
Derzeit diskutieren die Gläubiger-Institutionen mit Athen über die von Griechenlands Ministerpräsidenten Alexis Tsipras vorgelegten Reformvorschläge. Tsipras selbst trifft sich am Mittwoch in Brüssel erneut mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Am Abend wollen dann die Euro-Finanzminister auf Basis eines Berichts der Institutionen über die Lösung der Schuldenkrise entscheiden.
Tsipras' Plan sieht nach Medienberichten eine Erhöhung der Mehrwertsteuer sowie eine Anhebung des Renteneintrittsalters und Kürzungen bei den Militärausgaben vor. Athen ist laut Regierungskreisen nun bereit, die Mehrwertsteuer im Bereich Tourismus zu erhöhen, die meisten Frührenten abzuschaffen und die Reichen des Landes mit einer Sondersteuer zu belegen. Unternehmen, die 2014 mehr als 500.000 Euro Gewinn machten, sollten eine Sondergewinnsteuer zahlen. Eine Immobiliensteuer, die die Regierung von Tsipras ursprünglich abschaffen wollte, solle bestehen bleiben. Die Regierung wolle die umstrittenen Rüstungsausgaben zudem um 200 Millionen Euro zusammenstreichen.
Die Zeit für Griechenland wird immer knapper, da das Land bis Ende Juni insgesamt gut 1,54 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds zurückzahlen muss, die das Land aber wohl nicht aufbringen kann. Die Griechen bräuchten daher dringend die verbliebenen 7,2 Milliarden Euro aus dem bereits zwei Mal verlängerten Hilfsprogramm, das Ende Juni ausläuft. Die Kreditgeber stellen aber Forderungen, die Athen für die Auszahlung der letzten Tranche aus dem zweiten Hilfspaket erfüllen muss. Ein Scheitern der Gespräche könnte die Zahlungsunfähigkeit Griechenlands und Kapitalverkehrskontrollen zur Folge haben.
Wegen der knappen Zeit hat sich inzwischen auch zunehmend der Blick auf die Rolle des Bundestags in dem Verfahren gerichtet. "Vor jeder wesentlichen Änderung des laufenden Programms und vor einer Auszahlung von Hilfsgeldern für Griechenland muss er zustimmen", betonte der Unions-Budgetsprecher Eckhardt Rehberg am Montag. Die Regierung in Athen habe es sich selbst zuzuschreiben, "dass im Falle einer Einigung die Zeit für eine Beteiligung der nationalen Parlamente nun knapp wird".
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
DJG/ank/smh
(END) Dow Jones Newswires
June 24, 2015 04:15 ET (08:15 GMT)
Copyright (c) 2015 Dow Jones & Company, Inc.- - 04 15 AM EDT 06-24-15
Wenn Sie mehr über das Thema Aktien erfahren wollen, finden Sie in unserem Ratgeber viele interessante Artikel dazu!
Jetzt informieren!