Reform |
11.11.2022 12:35:40
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Deutsche Börse: DAX soll behutsam verbessert werden - "Die Marke darf nicht leiden" - Aktie etwas stärker
Batir war vor seinem Eintritt 13 Jahre lang bei Blackrock tätig, unter anderem als leitender Portfolio-Manager für das Deutschland-Geschäft. Davor hatte er bei der Hypovereinsbank mit Derivaten gehandelt. Von daher ist die Philosophie nicht überraschend, unter der er seine Arbeit bei Qontigo einordnet: "Wir wollen die Interessen sowohl der Buy-Side als auch der Sell-Side bei der Index-Gestaltung noch stärker berücksichtigen", sagt der Index-Spezialist im Gespräch mit Dow Jones Newswires.
Zunächst will Batir den DAX transparenter machen und stärker an die Stoxx-Indizes angleichen. Bei den vierteljährlichen Index-Anpassungen erhalten die Marktteilnehmer seit September die Daten zur neuen Gewichtung der Einzelwerte und zu ihrer Aktienanzahl bereits am Freitag der Vorwoche. "Damit wird das Risiko für Fonds stärker auf Preisänderungen konzentriert", sagt er. Am Mittwoch vor der Anpassung gibt dann noch einmal ein Update.
Auch größere Freefloat-Anpassungen, also Veränderungen bei den ausschlaggebenden Streubesitz-Anteilen, sollen künftig schneller in den Indizes der DAX-Familie umgesetzt werden. Und die Dividenden sollen in Zukunft in den gesamten DAX reinvestiert werden, wie das schon im Stoxx der Fall ist. Bisher werden die Dividenden bei der DAX-Berechnung in den ausschüttenden Einzelwert reinvestiert, das wird dann bei der Quartalsanpassung wieder korrigiert.
ETFs bei Übernahme schneller in die Verantwortung nehmen - "schwierig"
"Wir wollen Reformen aber behutsam durchführen", sagt Batir. Die Investoren setzten auf Kontinuität und scheuten Unruhe. Und zum Teil setzten auch die Marktbedingungen guten Ideen Grenzen, wie er am Beispiel der Übernahmen aufzeigt. ETFs setzen Übernahmen und Kapitalmaßnahmen erst um, wenn diese bereits vollzogen werden. Weil aber der Anteil der passiven Index-Tracker immer mehr zunimmt und Übernahmen bei Mindestannahme-Quoten möglicherweise an ihrer Passivität scheitern, gibt es am Markt Forderungen, sie früher einzubeziehen. "Das ist aber wegen der regulatorischen Anforderungen nicht möglich", sagt Batir. "Man kann die ETFs nicht zwingen, vor einer Kapitalmaßnahme tätig zu werden, die dann vielleicht doch nicht klappt", sagt er. Denn dann entstünden den Fonds lediglich Kosten.
Ähnlich sieht es mit Forderungen aus, die Kappungsgrenze im DAX zu erhöhen, von derzeit 10 auf eventuell 15 Prozent. Dann würde zwar eine Linde-Aktie möglicherweise im DAX bleiben, so das Argument der Befürworter. Linde ist der größte Titel im DAX, und das Index-Gewicht der Aktien wird immer wieder auf 10 Prozent zurückgestutzt. Linde verlässt nun den DAX und will sich stattdessen stärker auf den US-Aktienmarkt stützen. Deshalb haben die Forderungen nach einer höheren Kappungsgrenze zuletzt noch einmal zugenommen. Batir verweist aber darauf, dass nach den Regularien viele Fonds nur 10 Prozent in eine Einzelaktie investieren dürfen, und nur 40 Prozent in alle Titel über 5 Prozent. "Für die Replikation - also die Index-Abbildung im Fonds-Portfolio - wäre eine höhere Kappungsgrenze also nicht hilfreich", sagt er.
Aufgeschlossen wiederum zeigt er sich gegenüber Ideen, das so genannte Gewinnkriterium zu überprüfen. In den DAX dürfen derzeit nur Unternehmen aufsteigen, die zwei Jahre hintereinander einen Gewinn auf EBIT-Basis erzielt haben. Das war früher nicht so und ist eine Folge des Wirecard-Skandals. Nun verhindert die Regel aber einen DAX-Aufstieg von altbekannten und traditionsreichen Unternehmen wie Commerzbank oder Lufthansa. Zudem wächst die Gefahr, dass Kurse zum Beispiel von Wachstumsunternehmen bis zum DAX-Eintritt extrem stark steigen, mit dem DAX-Aufstieg die besten Zeiten dann aber vielleicht schon hinter sich haben.
Klima bleibt Thema - "Women in Leadership" wird es
Neben den klassischen Indizes sieht er auch bei den so genannten Customized Indizes weitere Wachstumschancen, also bei Indizes, die auf besondere Kundenwünsche oder Anforderungen zugeschnitten werden. Zwar sei das Geschäft mit ESG-Produkten zuletzt etwas ins Stocken geraten, weil viele Klassifizierungsfragen offen seien. Andererseits gebe es bei themenbezogenen Produkten nach wie vor ESG-Trends, so zum Beispiel "Klima" oder neuerdings auch "Women in Leadership", sagt er.
Batir ist mit zwei Teams von jeweils drei Leuten für die Stoxx- und DAX-Indizes zuständig, und hier für die ganze Kette mit Research, Design und Qualitätssicherung. Wie stark das Geschäft wächst, zeigt auch die Entwicklung der Tochter Stoxx Limited, die mit Sitz im Zürich-nahen Zug für das Lizenzgeschäft und für strukturierte Produkte zuständig ist. Bei Qontigo hat sich die Mitarbeiterzahl in den vergangenen Jahren auf 550 fast verdoppelt. Und 70 Stellen sind aktuell noch offen.
Die Aktie der Deutschen Börse legt im XETRA-Handel zeitweise 0,25 Prozent auf 163,70 Euro zu.
Von Herbert Rude
FRANKFURT (Dow Jones)
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