Corona verschärft die Lage |
04.08.2020 13:23:38
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Continental: Konzernumbau in Zeiten der Pandemie
DIE LAGE BEI CONTINENTAL:
Weil die meisten Autofabriken rund um die Welt wochenlang stillstanden und die Autobauer ihre Abrufe bei den Zulieferern stoppten, sackte auch bei Conti laut vorläufigen Zahlen der Umsatz kräftig ab - ohne Übernahmeeffekte und Wechselkurseinflüsse um 40 Prozent auf 6,6 Milliarden Euro. Im operativen Geschäft fuhr der DAX 30-Konzern einen hohen Verlust ein, die Marge des bereinigten Ergebnisses vor Zinsen und Steuern lag bei minus 9,6 Prozent. Das war allerdings spürbar besser als von Analysten erwartet.
Insgesamt dürfte Conti damit rechnerisch einen operativen Verlust im oberen dreistelligen Millionenbereich eingefahren haben. Ein Jahr zuvor hatte Conti noch 868 Millionen Euro verdient. Conti-Chef Elmar Degenhart hatte bereits rote Zahlen für das zweite Quartal angekündigt und dabei vom wohl schwersten Vierteljahr der Autoindustrie seit Jahrzehnten gesprochen. Die Aussichten für das restliche Jahr kann das Management nach wie vor nur schwer einschätzen.
Autobauer hatten ihre Fabriken rund um die Welt wochenlang gestoppt, weil auch die Autohäuser im Lockdown schließen mussten und die Händler keine Autos verkaufen konnten. Die Abrufe bei den Zulieferern wurden ebenfalls auf Eis gelegt. Conti hängt nicht nur mit Autozulieferteilen direkt von der Autoproduktion ab, sondern auch im Reifengeschäft mit der Erstausstattung von neuen Autos.
Bei den Hannoveranern machte sich der Produktionsstopp vor allem in Europa und Nordamerika in allen Sparten deutlich bemerkbar. Am stärksten waren die Umsatzeinbrüche im Geschäft mit unter anderem Elektronik, Sensorik und Bremssystemen, aber auch in der Antriebssparte. Das Geschäft mit Reifen und Kunststofftechnik kam etwas glimpflicher davon, verzeichnete aber ebenfalls einen starken Dämpfer mit minus einem Drittel.
Während die Autozulieferung durchweg Verluste verzeichnete, konnte Conti mit Reifen und Kunststofftechnik immerhin noch einen kleinen operativen Gewinn einfahren. Die Reifensparte ist ohnehin die Ertragsperle des Konzerns und liefert in normalen Zeiten den Großteil des Gewinns.
Im zweiten Quartal flossen im Konzern vor Akquisitionen und den Kosten für die Verselbstständigung der Antriebstechnik zudem knapp 1,8 Milliarden Euro an freien Mitteln ab. Zur Mitte des Jahres lag das Liquiditätspolster inklusive nicht genutzter Kredite bei 10,1 Milliarden Euro, davon waren 2,5 Milliarden Euro frei verfügbare flüssige Mittel. Im Mai und Juni hatte Conti drei Anleihen über mehr als 2,1 Milliarden Euro ausgegeben und bestehende Kreditlinien um 3 Milliarden Euro erhöht.
Degenhart hatte auf der Hauptversammlung in Aussicht gestellt, dass das dritte Quartal zwar besser als das zweite werden dürfte. An das Vorjahr wird Conti aber auch im laufenden Dreimonatszeitraum nicht anknüpfen können.
Das Unternehmen versucht schon seit einiger Zeit, die Auswirkungen des Umbruchs in der Branche abzufedern. Das Management will im laufenden Jahrzehnt das Geschäft so stark umbauen, dass bis zu 20 000 Arbeitsplätze davon betroffen sein könnten, zuletzt beschäftigte Conti knapp 240 000 Mitarbeiter. So geht etwa in Westeuropa die Produktion von Pumpen und Einspritztechnik für Verbrenner schrittweise zu Ende. Rund um die Welt wollen die Niedersachsen die Produktion straffen und auch Standorte zusammenlegen. Gleichzeitig werden Stellen besonders im Softwarebereich geschaffen.
Beim angepeilten Sparziel hat Degenhart wegen der Corona-Krise draufgesattelt. Ursprünglich sollten die Bruttokosten bis 2023 um 500 Millionen Euro gedrückt werden, nun sollen mehrere Hundert Millionen Euro noch dazukommen. Mögliche Details zu den Sparzielen dürften Anleger interessieren. Die schon länger geplante Abspaltung der Antriebstechnik, die zuletzt in einem reinen Spin-off erfolgen sollte, liegt wegen der Krise derzeit auf Eis.
DAS SAGEN ANALYSTEN:
Die sieben im dpa-AFX-Analyser erfassten Analysten, die sich seit der Vorlage vorläufiger Zahlen geäußert haben, sind mehrheitlich fürs Abwarten bei der Aktie. Zwei Stimmen empfehlen den Kauf, ein Experte rät zum Verkauf, vier zum Halten. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei rund 87 Euro - und damit in etwa so viel wie für die Aktie aktuell an der Börse gezahlt wird.
Der Margenrückgang im Automotive-Geschäft sei deutlich geringer als von ihm erwartet ausgefallen, schrieb JPMorgan-Analyst Jose Asumendi. Positiv hob er auch die Entwicklung der Antriebssparte hervor. Der Free Cashflow sei auf den ersten Blick deutlich schwächer als von ihm erwartet gewesen, dürfte aber kein längerfristiges Problem sein.
Das operative Ergebnis (Ebit) sei besser als erwartet ausgefallen, schrieb Tim Rokossa von der Deutschen Bank. Der schwache Free Cashflow habe jedoch enttäuscht.
Alles in allem hätten sich die Geschäfte des Autozulieferers im zweiten Quartal besser entwickelt als befürchtet, hieß es von Marc-Rene Tonn von Warburg Research.
DAS MACHT DIE AKTIE:
Conti ist vom Vorkrisenniveau beim Aktienkurs noch weit entfernt. Lag das Papier vor dem Crash, der die Aktienmärkte im Februar erwischte, noch bei gut 110 Euro, kostet es aktuell rund 87 Euro. Im Tief Mitte März waren es nur noch wenig mehr als 50 Euro. Wer länger dabei ist, hat noch deutlich mehr Kursverluste einzustecken: Im Januar 2018 markierte die Aktie ihr Rekordhoch bei 257,40 Euro.
Seit damals geht es für die Aktie kontinuierlich nach unten. Zuerst machte der US-chinesische Zollstreit der Branche und damit auch Conti zu schaffen, die seit Jahren hohen Ausgaben für Elektroantriebe, Vernetzung und Elektronik kamen noch hinzu.
Ähnlich schwach wie das Conti-Papier haben in den vergangenen zwei Jahren die französischen Konkurrenten Valeo und Faurecia abgeschnitten, wenn auch nicht mit ganz so viel Kursverlust wie Conti. Michelinals reiner Reifenhersteller kam deutlich besser weg.
46 Prozent der Conti-Aktien gehören seit dem missglückten Übernahmeversuch in der Finanzkrise 2008/09 der Industriellenfamilie Schaeffler, die den gleichnamigen fränkischen Auto- und Industriezulieferer kontrolliert. Der Börsenwert von Conti lag zuletzt bei rund 17,4 Milliarden Euro.
HANNOVER (dpa-AFX)
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