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03.01.2023 17:50:00
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Brenntag zieht Konsequenz aus Aktionärskritik: Keine Univar-Übernahme - Brenntag-Aktie mit Kurssprung
Primestone hatte die "sofortige Beendigung" der Gespräche mit Univar gefordert. Die Investmentgesellschaft hielt zu dem Zeitpunkt zwei Prozent der Brenntag-Anteile. Die Essener hatten sich nicht direkt zu der Forderung geäußert, aber betont, bei der Umsetzung des Plans zur Wertsteigerung für die Anteilseigner "großen Wert auf einen offenen und konstruktiven Dialog mit allen Brenntag-Aktionären" zu legen.
Nach Vorstellung von Primestone sollte sich Brenntag statt auf eine "risikoreiche" Übernahme vielmehr auf die Verbesserung des Kerngeschäfts konzentrieren. Hierzu forderte der Investor auch eine Aufspaltung des Unternehmens. Ferner kritisierte der Aktionär, dass für eine Übernahme die erforderliche Zustimmung der Anteilseigner fehle. Die Risiken und Unwägbarkeiten seien sehr hoch, wie eine eigene sorgfältige Überprüfung eines möglichen Kaufs ergeben habe. So ging Primestone davon aus, dass sich eher Synergieverluste ergeben, die sämtliche Kostensenkungen zunichtemachen würden. Auch würde ein Kartellverfahren wohl langwierig und schwierig.
Primestone stellte in dem Schreiben seinerseits Forderungen, mit denen Brenntag nach Ansicht des aktivistischen Investors seine Bilanz aufpolieren und die eigene Börsenbewertung von zum damaligen Zeitpunkt weniger als 60 Euro in drei Jahren auf 150 bis 170 Euro je Aktie steigern könne. Dazu forderte Primestone auch ein Aktienrückkaufprogramm über 2,5 Milliarden Euro.
Auch sei es nach Jahren der "enttäuschenden Performance" an der Zeit, das Potenzial der beiden Brenntag-Geschäftsbereiche Specialties und Essentials durch eine Aufspaltung in zwei separate, börsennotierte Unternehmen zu heben, hatte es in der Mitteilung weiter geheißen. Auch zu diesen Forderungen bezog Brenntag keine Stellung.
Für die Essener wäre die Übernahme von Univar einer Wende gleichgekommen, war das Unternehmen bisher doch eher für kleinere Zukäufe bekannt. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Pläne betrug die Marktkapitalisierung der Amerikaner gut fünf Milliarden US-Dollar - und damit nur etwas weniger als die Hälfte der Bewertung von Brenntag.
Das Unternehmen selbst hatte sich kurz vor dem Bekanntwerden der Pläne noch bescheiden mit Blick auf Übernahmen gegeben. Ein neuer Wachstumsplan bis 2026 hatte neben einer deutlichen Verbesserung der operativen Ergebnisse zwar mehr Ausgaben für Übernahmen vorgesehen. Geplant waren demnach aber lediglich jährlich 400 bis 500 Millionen Euro, was schon doppelt so viel wie bisher bedeutet hätte.
Analysten hatten sich überwiegend positiv zu einem möglichen Deal geäußert. So hatte Chetan Udeshi von JPMorgan eine Übernahme von Univar als strategisch attraktiv bezeichnet. Das daraus resultierende Potenzial für Brenntag hänge aber letztlich von Preis und Umsetzung ab. Auch für Laurence Alexander vom Analysehaus Jefferies erschien eine Übernahme logisch. Käme es dazu, würden sich die beiden weltgrößten Chemikalienhändler zusammenschließen, die zusammen auf einen Marktanteil von rund acht Prozent kämen.
Barclays-Analyst Alex Stewart hatte sich hingegen skeptisch gezeigt. Eine Übernahme von Univar würde strategisch gesehen eine Kehrtwende bedeuten bei den Prioritäten des Chemikalienhändlers, welche er als unerwünschte Ablenkung betrachte in einer ansonsten überzeugenden Anlagestory. Aus finanziellem Blickwinkel könnte ein Deal sinnvoll sein, notierte der Experte. Die strategische Logik dahinter sei gleichwohl zu hinterfragen.
Absage an Zukauf erfreut die verunsicherten Brenntag-Aktionäre
Die abgeblasene Übernahme hat der Erholung der Aktien von Brenntag neuen Schub gegeben. Die Papiere des Esseners Chemikalienhändlers schnellten am Dienstag via XETRA bis zum Handelschluss um 4,81 Prozent auf 63,62 Euro in die Höhe.
Damit machte sich unter den verunsicherten Brenntag-Anlegern jetzt Erleichterung breit. Von einem Händler hieß es, mit den abgeblasenen Plänen sei das Risiko einer Kapitalerhöhung vom Tisch, die Aktien seien zudem günstiger zu haben als die von Branchenrivalen.
Vor diesem Hintergrund werteten auch Analysten das Verwerfen der Übernahmepläne positiv. So sei das Chance-Risiko-Verhältnis der Aktien von Brenntag inzwischen attraktiv, urteilte der Experte Michael Schäfer vom Investmenthaus Oddo BHF.
Der Experte Thomas Wissler von Alsterresearch räumte ein, dass eine Übernahme rein aus der Branchenlogik heraus betrachtet durchaus sinnvoll sei und das bestehende Produktportfolio sowie die geografische Reichweite von Brenntag gut ergänzen würde. Ein Zusammenschluss beider Unternehmen würde die Möglichkeit bieten, das Wachstum anzukurbeln und die Kosten zu senken, indem Synergien in allen vertikalen Bereichen gehoben werden. Außerdem würde dies die Verhandlungsposition gegenüber großen Chemieunternehmen erheblich stärken. Letzteres könnte jedoch auch bedeuten, dass eine potenzielle Übernahme mit strengen und langwierigen kartellrechtlichen Prüfungen konfrontiert werden könnte, da die nationalen Regierungen sektorale Zusammenschlüsse genauer unter die Lupe nehmen dürften.
Analyst Rory McKenzie von der Schweizer Großbank UBS ergänzte, zu den Hauptbedenken gegen die Transaktion hätten neben einer Verwässerung des Eigenkapitals auch ein höherer Verschuldungsgrad gezählt. Da die erste Reaktion auf die potenzielle Übernahme Ende November sehr negativ gewesen sei, bringe die Kehrtwende eine Kaufgelegenheit mit sich.
Die Anteilsscheine von Brenntag waren nach der Bestätigung der vorläufigen Übernahmegespräche mit Univar Solutions überdurchschnittlich unter Druck geraten und Mitte Dezember bei knapp 55 Euro auf ein Zweimonatstief abgesackt. Danach begann eine Erholung, die sich am Dienstag nun deutlich beschleunigte. Vom Kurs unmittelbar vor Bekanntwerden der Übernahmepläne sind die Papiere aber noch rund 4 Euro entfernt.
Bereits im vergangenen Jahr hatten sich die Brenntag-Aktien unterdurchschnittlich entwickelt. Das Minus lag 2022 bei fast einem Viertel, der DAX gab nur mehr zwölf Prozent ab.
Aus charttechnischer Sicht hat sich das Bild derweil mit dem Kurssprung am Dienstag deutlich aufgehellt. Die Anteilsscheine übersprangen die 50-Tage-Durchschnittslinie, unter die sie nach Bekanntwerden der Übernahmepläne gefallen waren. Die Kurve ist ein Maß für den mittelfristigen Trend. Die nächste Widerstandszone ist jetzt der Bereich zwischen 65 und 66 Euro. Hier liegen einige markante Tiefs des Jahres 2022, zudem bewegt sich der viel beachtete 200-Tage-Durchschnitt aktuell in dieser Region.
ESSEN (dpa-AFX)
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