Geschwärzte Dokumente |
09.09.2016 09:02:46
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Boschs Rolle in VW-Abgasskandal wird deutlicher
Knapp 18 Monate, bevor Volkswagen den Betrug eingestehen musste, traf sich der damalige VW-Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn mit Bosch-Chef Volkmar Denner. Sie sprachen über den illegalen "Defeat Device", der zur Manipulation der Abgaswerten genutzt wurde, wie aus Gerichtsunterlagen aus den USA hervorgeht, welche sich auf interne E-Mails und Dokumente von Volkswagen berufen.
Die Dokumente, die bislang geschwärzt waren, deuten darauf hin, dass Winterkorn und Denner über die Schummel-Software im Bilde waren.
Sie trafen sich demnach am 28. Mai 2014 in der Volkswagen-Zentrale, kurz nachdem in den USA in einem Bericht ungewöhnlich hohe Stickstoff-Werte bei Volkswagen angemahnt wurden, und fünf Tage nachdem Winterkorn ein Schreiben von einem Mitarbeiter erhalten hatte, in dem vor einer bevorstehenden Untersuchung in den USA gewarnt wurde. Auf der Agenda des Treffens stand auch Volkswagens "Akustikfunktion", ein interner Code für die Beschreibung des "Defeat Device".
Dokumente: Winterkorn und Denner waren informiert
"Die Teilnehmer besprachen die 'Akustikfunktion' bei Volkswagens Diesel-Fahrzeugen. Folglich waren Denner und Winterkorn im Bilde über die illegale Nutzung des 'Defeat Device' zumindest ab Mai 2014", heißt es in dem Dokument, das von der Kanzlei Lieff Cabraser Heimann & Bernstein für eine Sammelklage eingereicht wurde und versiegelte Gerichtsdokumente und andere Quellen zitiert.
Sprecher von Volkswagen und Bosch lehnten eine Stellungnahme zu dem Treffen ab. Winterkorns Rechtsanwalt reagierte nicht unmittelbar auf eine Bitte um Stellungnahme.
Im August 2015 gestand Volkswagen ein, Schummel-Software bei knapp 500.000 Dieselfahrzeugen in den USA eingesetzt zu haben. Am 18. September vergangenen Jahres reichten die Behörden eine Beschwerde gegen Volkswagen wegen der Verletzung von Umweltgesetzen ("Clean Air Act") ein, und teilten der Öffentlichkeit mit, dass der Konzern Schummeleien bei Abgastests eingestanden hatte. Letztlich gab Volkswagen zu, dass knapp 11 Millionen Fahrzeuge weltweit betroffen waren.
Winterkorn trat wenig später zurück. Er beharrte darauf, nichts falsch gemacht zu haben. Im Juli diesen Jahres erzielte Volkswagen in den USA einen Vergleich mit Behörden und Kunden. Dieser kostet den Konzern 15 Milliarden Dollar.
Bosch forderte Haftungsausschluss
Jetzt schießen sich die Klägeranwälte auf Bosch ein. Die Anwälte reichten am 16. August eine Klage vor einem Bundesgericht ein. Dabei stehen mehrere Topmanager von Volkswagen und Bosch im Zentrum, darunter Winterkorn und Denner.
Wichtige Teile der Klageschrift waren geschwärzt, bis jüngst eine ergänzte Version der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Darin ist erstmals von dem Treffen zwischen Winterkorn und Denner im Mai 2014 die Rede.
Aus dem Beweismaterial in den Dokumenten geht hervor, dass die Kooperation zwischen Volkswagen und Bosch beim "Defeat Device" mehr als ein Jahrzehnt zurückreicht. 2008 forderte Bosch Volkswagen schriftlich auf, einen Haftungsausschluss für den von Bosch hergestellten "Defeat Device" zu unterzeichnen. Bosch hat diesen Begriff laut Dokumenten explizit benutzt. Volkswagen lehnte demnach ab.
Die Kooperation zeigt eine E-Mail von einem Bosch-Mitarbeiter vom 23. Juni 2008. Die Mail, in die das Wall Street Journal Einblick hatte, gehört nicht zu den Gerichtsdokumenten. Sie zeigt, dass man bei Bosch Sorge hatte, erwischt zu werden. Gleichzeitig schlug man Volkswagen vor, die Einstellungen so zu verändern, dass die Motorsoftware erkennt, wann getestet wird.
Ein Bosch-Mitarbeiter aus Wien schickte diese Mail nach Konsultation der Firmenanwälte zu einem Ingenieur im deutschen Büro der IAV Automotive Engineering aus den USA, die zu 50 Prozent Volkswagen gehört. "Da es sich hier um eine Erweiterung der Akustikfunktion (Zykluserkennung) handelt, ist es uns aus rechtlichen Gründen nicht erlaubt, hier eine "saubere" Funktionsumsetzung vorzuschlagen. Wir werden bei diesem Themenkomplex lediglich Ihre Spezifikationen 1:1 umsetzen", schreibt der Bosch-Mitarbeiter. Über die Mail hat die Bild am Sonntag zuerst berichtet.
Bosch äußert sich nicht zu laufenden Verfahren
Volkswagen hatte gesagt, die Schummeleien seien von einer kleinen Gruppe von Ingenieuren durchgeführt worden. Die Anhaltspunkte nehmen aber zu, dass dutzende Mitarbeiter, von den Ingenieuren bis zu den Vorstandsetagen, bei Volkswagen und Bosch nicht nur informiert waren, sondern aktiv beteiligt.
NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung hatten bereits vor einigen Tagen über Hinweise auf eine massive Verwicklung von Bosch in die Abgas-Affäre berichtet.
Von Bosch kam dazu bisher nicht viel. "Wir arbeiten derzeit an der Klageerwiderung. Das wird noch einige Zeit dauern, eine feste Frist zur Einreichung bei Gericht gibt es nicht. Bis dahin äußern wir uns nicht zu laufenden Untersuchungen und Gerichtsverfahren", teilte der Konzern mit. Bosch äußere sich grundsätzlich nicht zu laufenden Untersuchungen und Gerichtsverfahren.
Ein Sprecher schrieb in einer Mail: "Die Vorwürfe der Manipulation von Dieselsoftware nimmt Bosch sehr ernst. Wie bekannt, sind diese Vorwürfe Gegenstand von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und Zivilgerichtsverfahren, die auch Bosch betreffen." Bosch kooperiere mit den zuständigen Behörden in verschiedenen Ländern und verteidige seine Interessen in den Klageverfahren. Grundsätzlich und aufgrund der sensiblen rechtlichen Rahmenbedingungen äußere sich Bosch nicht zu Details der strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und Zivilgerichtsverfahren.
(Mitarbeit: Ilka Kopplin)
DJG/DJN/mgo/cbr/brb
Von William Boston
BERLIN (Dow Jones)
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