Elektromobilität bei BMW |
26.12.2013 03:00:01
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BMW-Pionier Kranz: Der i3 geht richtig ab
Wie ein Revoluzzer sieht Ulrich Kranz nicht aus. Und doch könnte seine Arbeit die Automobilindustrie grundlegend verändern. Der Ingenieur mit der Haartracht, die ein wenig an Albert Einstein erinnert, ist der Kopf hinter dem Elektroauto i3 des Münchner Autobauers BMW. Der Verkaufsstart am 16. November hat hohe Wellen geschlagen - nicht nur bei Autofans, sondern auch bei vielen Großstädtern, die kein Auto besitzen. Mehr als 100.000 Menschen wollen den Stromer Probe fahren, rund 10.000 Fahrzeuge wurden bereits bestellt.
Die hohe Nachfrage ist eine Genugtuung für Kranz. Denn die Skepsis gegenüber ihm und seinem Team war anfangs auch bei vielen BMW-Mitarbeitern groß, "auch in der Führungsebene", sagt er. Anfangs, das war im Oktober 2007. BMW-Chef Norbert Reithofer war gerade knapp ein Jahr im Amt, als er Ulrich Kranz den Auftrag erteilte, neue Fahrzeugkonzepte für Metropolen zu entwickeln. "Dieses Projekt hat alle Freiheiten", betonte Reithofer damals. Es war seine Wette auf die Zukunft. Die Vorgaben für das sogenannte "Project i" passten auf ein DIN-A4-Blatt. "Aber Lösungen standen darauf nicht", erinnert sich Kranz im Gespräch mit €uro am Sonntag.
Der Mann mit den Ideen
Der 55-Jährige, der seit 1986 bei BMW ist, ist derjenige, den man beim Münchner Autobauer anruft, wenn neue Ideen gefragt sind. Einer, der "keine Berührungsängste mit einem weißen Blatt Papier" hat, wie er es selbst formuliert. Ende der 90er-Jahre arbeitete er an der Entwicklung der Geländelimousinen X3 und X5 am BMW-Produktionsstandort Spartanburg im US-Bundesstaat South Carolina mit. Der spätere Vorstandschef Norbert Reithofer leitete damals die dortige Niederlassung. Zeitgleich mit Reithofer wechselte Kranz im Jahr 2000 zurück nach München. Er verantwortete die Produktlinie des Kleinwagens Mini, das britische Kultauto, das BMW neu auflegte.
Kranz selbst ist ganz uneitel. "Ich habe schon oft an Projekten mitgearbeitet, bei denen es kein Vorgängermodell gab. Irgendwie ziehen mich solche Themen an", so der gebürtige Saarländer, der seine berufliche Karriere mit einer Lehre als Kraftfahrzeugmechaniker in einem BMW-Autohaus begann. Nach Fachabitur und Maschinenbaustudium an der Fachhochschule Bingen in Rheinland-Pfalz kam er zum Autobauer nach Bayern.
Doch das Project i ging weiter als all seine vorherigen Aufgaben. Kranz musste nicht nur ein Elektroauto entwickeln, sondern neue Materialien finden, andere Fertigungsverfahren erproben und Mobilitätsdienstleistungen wie Carsharing ersinnen. Ziel war, diese Technologien und Serviceangebote auch für andere BMW-Produktlinien zu nutzen. Kurz gesagt: Kranz sollte BMW für die Zukunft rüsten. Diese Aufgabe "ist mit Abstand das Größte, was einem Ingenieur passieren kann", schwärmt er noch heute mit leuchtenden Augen.
Frei von traditionellen Zwängen
Noch etwas war anders als sonst beim Project i: Nicht die Entwicklungsabteilung sollte das Projekt vorantreiben, sondern ein internes Start-up: Kranz und seine Mitstreiter. "Wenn wir das Elektroauto nicht aus der Forschungsabteilung genommen hätten, wäre es nicht gebaut worden", erzählte BMW-Chef Reithofer rückblickend Ende Oktober in München. Schließlich bedeutet die Suche nach der Zukunft der Mobilität auch, dass die Tage des Verbrennungsmotors gezählt sind. Jenes Antriebs, den viele bei BMW so verehren, dass das 100 Meter hohe Hauptgebäude des Konzerns die Form eines Vierzylinders hat.
"Mir gefällt es, wenn man frei von traditionellen Zwängen an ein Thema herangehen kann", sagt Kranz. Für den großen Schritt nach vorn mussten Kranz und seine Männer erst einige Schritte zurückgehen: Um die Frage nach der Zukunft der Mobilität zu beantworten, reisten sie in die Millionenmetropolen in Asien, Europa und den USA, sprachen mit Städteplanern, Bürgermeistern und Stadtbewohnern über ihre Wünsche und Erwartungen. Manche Kunden begleiteten sie mehrere Tage mit der Kamera, um zu erforschen, wie die Großstädter von der Wohnung zur Arbeit und zurück gelangen, welche Verkehrsmittel sie nutzen, wo Staus drohen, wo sie einkaufen, parken, tanken. Zurück in München werteten sie die Informationen aus und machten sich an die Arbeit.
Mit sieben Gleichgesinnten zog er aus dem BMW Forschungs- und Entwicklungszentrum (FIZ) aus dem Münchner Norden direkt auf das Werksgelände. "Wir haben die Nähe zur Produktion gesucht, wo wir Prototypen bauen konnten", erklärt der Ingenieur. Der Umzug befeuerte das Misstrauen gegenüber der "Bastelgruppe Kranz", wie das Team bald spöttisch bezeichnet wurde. "Dass wir nicht wirklich eine Bastelgruppe sein konnten, zeigte sich schon allein daran, wie viele Profis von Anfang an in unserem Team waren", rechtfertigt Kranz, und man merkt ihm immer noch an, dass er sich damals über den Spitznamen geärgert hat.
Doch der Rückhalt in der Konzernspitze war groß, auch als der Automarkt 2008 und 2009 infolge der Finanzkrise einbrach und vor allem die deutschen Premiumhersteller darunter litten. Bei BMW schmolz der Gewinn zusammen, Konzernchef Reithofer verordnete dem Unternehmen ein strenges Sparprogramm. Doch Kranz’ Budget blieb von den Kürzungen verschont.
Mehr noch: Als der Konzern 2009 aus der Formel 1 ausstieg, schanzte Reithofer Kranz sowohl den Etat als auch die Ingenieure aus der Königsklasse zu. "Wir haben die Formel-1-Ingenieure mit offenen Armen empfangen", erzählt Kranz. Sie brachten ihr Know-how über Elektroantrieb, Batteriemanagement und Leichtbau ein. "Deshalb haben wir heute den effizientesten Antrieb inklusive Batterie", vermeldet er stolz. Mit ihrer Arbeit elektrisierten sie nach und nach den gesamten Konzern.
Immer mehr Mitarbeiter waren an dem Projekt beteiligt. Es sei entscheidend für den Erfolg gewesen, dass sie, "als die Ideen weit genug gereift waren, auf das ganze Netzwerk von BMW zurückgreifen konnten", betont Kranz. Ihm sei wichtig gewesen, "dass unser Projekt keine Insel bleibt, sondern dass die ganzen Technologien, Fertigungsverfahren und Mobilitätsdienstleistungen in der gesamten BMW Group funktionieren." Nur wenn das gelingt, dürften sich die Investitionen, deren Höhe der Konzern verschweigt, auch auszahlen.
Dass BMW die Herzstücke des Elektroautos wie den Antrieb, die Batterien und auch die Carbonkarosserie selbst entwickelte, lag auch daran, "dass es diese Bauteile nicht einfach zu kaufen gab. Zumindest nicht in der Qualität, wie wir uns das vorgestellt haben", blickt Kranz zurück. Doch natürlich spielte es auch eine Rolle, das Know-how im eigenen Haus zu halten. Das war nicht immer einfach. Bei der Produktion mussten die BMW-Ingenieure neue Wege gehen. Normalerweise müssen beispielsweise Carbonfaserbauteile mehrere Stunden im Ofen gebacken werden, damit sie hart genug werden. "Wir haben extra ein Fertigungsverfahren entwickelt, mit dem sie in wenigen Minuten gehärtet und weiterverarbeitet werden können", beschreibt Kranz. Nur so konnte der i3 in Großserie gehen.
Seine Überstunden in den vergangenen sechs Jahren hat Ulrich Kranz nicht gezählt. "Natürlich arbeitet man viel", sagt er lächelnd. Auch die Strecke zwischen München und dem Werk in Leipzig, wo der i3 produziert wird, kenne er inzwischen ganz gut. Am 16. November rollte dort das erste Modell vom Band. Mit dem Ergebnis ist Kranz mehr als zufrieden. "Der geht richtig ab", freut er sich, und man sieht, dass er stolz darauf ist. Das sei ihm wichtig gewesen, denn viele andere Elektrofahrzeuge sind seiner Meinung nach nicht emotional. Wer dagegen mit dem i3 fahre, habe "sofort ein Lächeln im Gesicht". Spannend für BMW sei auch, dass sich viele Menschen für den i3 interessieren, die nicht traditionelle BMW-Kunden sind. Das eröffne enorme Absatzpotenziale. Die größte Bewährungsprobe steht dem Stromer jedoch noch bevor: Im zweiten Halbjahr 2014 ist Verkaufsstart in den USA, dem derzeit größten Markt für Elektroautos. Die Kunden dort werden darüber entscheiden, ob Ulrich Kranz als Revolutionär in die Automobilgeschichte eingeht.
zur Person:
Der Vordenker
Mit 19 Jahren fängt Ulrich Kranz eine Lehre als Kraftfahrzeugmechaniker bei einem BMW-Autohaus in Beckingen im Saarland unweit seiner Geburtsstadt Merzig an. Nach
seiner Gesellenprüfung holt er 1980 das Fachabitur nach und studiert an der Fachhochschule Bingen in Rheinland-Pfalz Maschinenbau. Am 1. Juni 1986 heuert der frischgebackene
Diplom-Ingenieur bei BMW an. Zunächst arbeitet er an der Fahrwerkentwicklung mit. 1995 geht er für BMW in die USA. Am Standort Spartanburg im Bundesstaat South Carolina leitet er die Produktentwicklung Fahrwerk, später des Gesamtfahrzeugs. 1998 wird er Projektleiter der neuen Geländelimousine X5. Im Jahr 2000 wird er in die Zentrale zurückbeordert. In München verantwortet er die Strategie im Entwicklungsressort, bevor er zum Leiter der Produktlinie Mini aufsteigt. Seit November 2007 verantwortet Kranz mit dem Project i im Konzern das Thema Mobilität der Zukunft.
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