Analysten blamiert 18.02.2022 16:44:39

AUTO1-Aktie auf Rekordtief: Düstere Bilanz nach einem Jahr an der Börse

AUTO1-Aktie auf Rekordtief: Düstere Bilanz nach einem Jahr an der Börse

Zuletzt nahm die Talfahrt der Aktie schwindelerregende Dimensionen an. Analysten halten derweil stoisch an ihren zumeist positiven Einschätzungen und inzwischen abstrus wirkenden Kurszielen fest. Was AUTO1 umtreibt, was Analysten sagen und was die Aktie macht.

DAS IST LOS BEI AUTO1:

Autohero und wirkaufendeinauto.de - unter diesen Namen kennen Kunden das erst 2012 gegründete Unternehmen AUTO1. Bei der Digitalisierung des Gebrauchtwagenhandels, der nach wie vor kaum über das Internet stattfindet, mischt der Konzern mit seinen beiden Marken weit vorne mit. Und in der Pandemie profitierte AUTO1 unter anderem davon, dass die Autohersteller wegen fehlender Chips weniger produzieren. Dies treibt die Gebrauchtwagen-Nachfrage und -Preise nach oben.

AUTO1 betreibt eine Online-Handelsplattform, über die Autohändler in mehr als 30 Ländern Gebrauchtwagen an- und verkaufen können. Die Zahl der angekauften Fahrzeuge legte 2021 zum Vorjahr um 39 Prozent auf etwas mehr als 617 000 zu, wie der Konzern im Januar meldete.

Mit diesem Großhandelsgeschäft macht AUTO1 unter gleichem Namen bislang das größte Geschäft. Bei der Anzahl der verkauften Autos lag das Unternehmen 2021 im eigenen Zielbereich - wenn auch nur knapp. Der Absatz stieg zum Vorjahr um 30 Prozent auf 597 000. Wie Umsatz und Gewinn im vergangenen Jahr ausgefallen sind, dazu will sich der Konzern am 23. März äußern.

Die Umsatzprognose für 2021 konnte das Management um Unternehmens-Mitgründer und Vorstandschef Christian Bertermann zuletzt bei der Vorlage der Zahlen zum dritten Quartal Mitte November mal wieder erhöhen. Der Erlös soll demnach auf 4,5 bis 4,6 Milliarden Euro geklettert sein. 2020 hatte das Unternehmen 2,8 Milliarden Euro erlöst.

Wegen der Investitionen in den Ausbau des Geschäfts bleibt AUTO1 aber in den roten Zahlen. Auf Basis des um Sondereffekte bereinigten Gewinns vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) will der Konzern erstmals 2023 die Gewinnschwelle erreichen, wie Finanzchef Markus Boser im November bekräftigte.

Ebenfalls am 23. März will der Vorstand auch eine Prognose für das laufende Geschäftsjahr ausgeben. Bisher hatte Boser lediglich gesagt, dass er sich mit Blick auf die bei Bloomberg gesammelten Expertenschätzungen wohlfühle. Diese hatten zu dem Zeitpunkt beim Umsatz einen Anstieg auf 5,9 Milliarden Euro bei einem operativen Verlust von etwas mehr als 90 Millionen Euro auf dem Zettel.

Wachsen will das Unternehmen in Zukunft mit dem eigenen Händler Autohero, der sich an private Interessenten richtet. Mit viel Werbung möchte AUTO1 dieses Geschäft ankurbeln. 2021 sollen in dem Segment bis zu 42 000 gebrauchte Autos veräußert werden, im vergangenen Jahr waren es gerade einmal 10 000. Private Interessenten bekommen ihr Auto direkt nach Hause geliefert oder zu einer passenden Abholstation in der Nähe.

Private Autoverkäufer können bei mehr als 400 Abgabestationen in Europa ihr Fahrzeug zum vorher online festgesetzten Preis losschlagen. Zudem will AUTO1 die Kapazität seiner Werkstätten, die gebrauchte Autos zum Verkauf aufbereiten, auf bis zu 400 000 Stück im Jahr 2023 deutlich ausbauen.

Der Konzern versucht derzeit seine Bekanntheit unter anderem durch Fußball-Sponsoring zu steigern. So ist AUTO1 seit dieser Saison auf dem Trikot des Fußballvereins Hertha BSC Berlin zu sehen und ist auch Partner von Paris Saint-Germain. Zudem baut AUTO1 seine Flotte mit Lkws aus, die die Autos in Anhängern mit durchsichtigen Glasscheiben bis zur Haustür der Kunden liefern.

DAS MACHT DIE AKTIE

In einem für Online-Werte einmal mehr schwachen Umfeld haben die Aktien von AUTO1 am Freitag ein weiteres Rekordtief erreicht. Die Papiere des Online-Gebrauchtwagenhändlers fielen im XETRA-Handelsverlauf auf 12,40 Euro und damit auf den niedrigsten Stand seit dem Börsengang vor gut einem Jahr. Zuletzt notierten sie nur etwas darüber. Mit dem Kursrutsch zum Wochenschluss fielen die Anteilscheine zudem an das MDAX-Ende. Der Index der mittelgroßen Werte gab um 0,6 Prozent nach.

Online-Werte wie AUTO1, Delivery Hero und Zalando geraten aktuell von verschiedenen Seiten unter Druck. So leiden sie zum Beispiel wegen ihrer hohen Konjunkturabhängigkeit besonders unter den geopolitischen Spannungen im Zuge des Ukraine-Konflikts. Zudem bahnt sich in der Eurozone eine schärfere Gangart der Europäischen Zentralbank zur Bekämpfung der Inflation an. Dies macht Tech-Werten besonders zu schaffen, weil höhere Zinsen die Finanzierungsbedingungen der in der Regel schnell wachsenden und hoch bewerteten Technologie-Unternehmen verschlechtern können. Schließlich tragen auch die anstehenden Lockerungen in der Corona-Krise dazu bei, dass internetbasierte Geschäftsmodelle im Vergleich zu stationären Angeboten in Zukunft weniger stark gefragt sein könnten.

Bei AUTO1 kommt als spezielle Belastung unter anderem hinzu, dass nach der pandemiebedingten Verknappung von Neufahrzeugen mittlerweile auch Gebrauchtwagen Mangelware sind. Zudem haben der geringe Streubesitz zum Zeitpunkt des Börsengangs und wiederholte Aktienplatzierungen den Kurs belastet.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Für die Analystenzunft gerät die jüngste Aktienkurs-Entwicklung zur Blamage. So halten die meisten Experten weiter an ihrer positiven Einschätzung fest. Neun der elf von dpa-AFX erfassten Aktienexperten empfehlen das Papier weiter zum Kauf. Die britische Bank Barclays stufte das Papier sogar vor Kurzem erste auf "Overweight" hoch.

Unbeirrbar optimistisch gibt sich auch Analyst David Amira von der Bank of America. Er hob in seiner Studie die starke Wahrnehmung der Marke Autohero hervor, von der AUTO1 zuvor berichtet hatte. Gepaart mit einer robusten Zahl angekaufter Fahrzeuge seien die Voraussetzungen für das vierte Geschäftsquartal trotz der aktuellen Kursschwäche gut. Die Sorgen von Anlegern, was knappe Gebrauchtwagen betrifft, hält er für übertrieben.

Amira hält an seinem Kursziel von 31 Euro fest, was weit mehr als das doppelte des aktuellen Kurses beträgt - und zählt damit unter den Experten noch zu den Vorsichtigen. Der Schnitt aller Kursziel liegt derzeit bei etwa mehr als 34 Euro und damit rund 160 Prozent über dem tatsächlichen Kurs.

Locker getoppt wird Amiras Preisziel noch von der Expertin der kanadischen Bank RBC. Nachdem der europäische Internetsektor zuletzt schwach gelaufen sei, gebe es nun reichlich Schnäppchen, schrieb Analystin Sherri Malek in einer Branchenstudie Ende Januar. Anleger bräuchten aber Geduld. Steigende Zinsen könnten etwas bremsen.

Auch die Papiere von AUTO1 böten nun eine überzeugende Einstiegsgelegenheit angesichts des attraktiven Wachstums des Verbraucherportals Autohero. Malek beließ es folglich bei einer Kaufempfehlung - und einem Preisziel von 70 Euro, dem höchsten Wert aller Analysten.

Ernsthafte Zweifel sind nur bei den Analysten von JPMorgan und Davy zu hören. Internetwerte litten derzeit unter den Zinssorgen der Anleger und der Perspektive auslaufender Corona-Beschränkungen, schrieb Analyst Marcus Diebel vergangene Woche. In diesen volatilen Zeiten sei die Wahl der richtigen Aktie schwieriger geworden - und dabei gehöre AUTO1 nicht zu seinen Favoriten. Diebel hatte das Papier im Dezember auf "Neutral" abgestuft und das Kursziel von 52 Euro auf 28 Euro gesenkt. Inzwischen reduzierte er es weiter auf 19,50 Euro. Er hat damit das niedrigste von allen Experten.

/jcf/zb/mis

-----------------------

dpa-AFX Broker - die Trader News von dpa-AFX

-----------------------

BERLIN (dpa-AFX)

Weitere Links:

JETZT DEVISEN-CFDS MIT BIS ZU HEBEL 30 HANDELN
Handeln Sie Devisen-CFDs mit kleinen Spreads. Mit nur 100 € können Sie mit der Wirkung von 3.000 Euro Kapital handeln.
82% der Kleinanlegerkonten verlieren Geld beim CFD-Handel mit diesem Anbieter. Sie sollten überlegen, ob Sie es sich leisten können, das hohe Risiko einzugehen, Ihr Geld zu verlieren.

Bildquelle: IgorGolovniov / Shutterstock.com

Analysen zu AUTO1mehr Analysen

15.11.24 AUTO1 Overweight JP Morgan Chase & Co.
15.11.24 AUTO1 Neutral Goldman Sachs Group Inc.
14.11.24 AUTO1 Buy Deutsche Bank AG
14.11.24 AUTO1 Overweight JP Morgan Chase & Co.
13.11.24 AUTO1 Buy UBS AG
Eintrag hinzufügen
Hinweis: Sie möchten dieses Wertpapier günstig handeln? Sparen Sie sich unnötige Gebühren! Bei finanzen.net Brokerage handeln Sie Ihre Wertpapiere für nur 5 Euro Orderprovision* pro Trade? Hier informieren!
Es ist ein Fehler aufgetreten!

Aktien in diesem Artikel

AUTO1 11,11 -1,16% AUTO1

Indizes in diesem Artikel

DAX 19 309,77 -0,49%